The Last Witchhunter: Gestatten, Vin Diesel, Nerd

22. Oktober 2015

Vin Diesel ist ein Nerd. Ja, richtig gelesen. Ein Nerd! Und ich meine jetzt nicht Autobasteln. Vin Diesels große Passion ist “Dungeons & Dragons”. Die Lore und das Universum haben es ihm so sehr angetan, dass er einen eigenen Fantasyfilm machen wollte. Zum Glück besitzt der gute Mann ein wenig Geld, und so finanzierte er seine Idee direkt selbst. Leider ist Vin Diesel kein Drehbuchautor, daher musste er sich Hilfe holen. Er fand diese bei Cory Goodman („Priest“), Matt Sazama („Dracula Untold“) und Burk Sharpless (ebenfalls „Dracula Untold“). Fehlte eigentlich nur noch der Drehbuchautor von „I, Frankenstein“. Weil Hauptrolle spielen und Regie führen sehr anstrengend ist, holte sich Vin Diesel noch Breck Eisner als Regisseur ins Boot. Herausgekommen ist dabei „The Last Witchhunter“.

Vor 800 Jahren traf Kaulder das erste Mal auf die Hexenkönigin. Ein verhängnisvolles Aufeinandertreffen. (Foto: Concorde)

Vor 800 Jahren traf Kaulder das erste Mal auf die Hexenkönigin. Ein verhängnisvolles Aufeinandertreffen. (Foto: Concorde)

Der Plot ist schnell erzählt: Vor 800 Jahren versuchte die Hexenkönigin mit Hilfe der Pest die Menschheit auszurotten. Eine kleine Gruppe Hexenjäger der Bruderschaft “Axt & Kreuz” reiste in ihr Versteck. Einer von ihnen, Kaulder, konnte die Hexenkönigin besiegen. Kurz vor ihrem Tod legte sie jedoch einen Fluch auf Kaulder: Unsterblichkeit. Heute existieren Hexen nur noch im Verborgenen, streng überwacht von der Bruderschaft. Kaulder ist immer noch Hexenjäger, unter den Hexen als grausamer Schlächter gefürchtet. Doch als ein Mordanschlag auf Kaulders engsten Berater verübt wird, gerät seine Welt aus den Fugen.

Ich weiß nun nicht, ob „The Last Witchhunter“ besser geworden wäre, hätte Vin Diesel alles selbst gemacht. Was ich weiß: Mit der ganzen Hilfe ist ein brauchbarer Fantasy-Actioner herausgekommen. Das liegt zum einen an Diesel selbst. Er beweist, dass er durchaus ein wenig mehr kann als tumbe Testosteronklopse zu mimen. Und der Bart steht ihm gut. Zum anderen erschaffen Ausstattung und Spezialeffekte eine passende Atmosphäre, die stylish und gruselig zugleich ist.

Bekannte Namen sind Schall und Rauch

Weniger überzeugen kann da der Supporting Cast, der eigentlich recht gut besetzt ist. Sir Michael Caine spielt seinen Berater Dolan 36 viel zu nah an seiner Rolle als Alfred aus den Batmanfilmen und wirkt dadurch abgedroschen. Rose „You know nothing John Snow“ Leslie erhielt die undankbare Aufgabe, als einzig positiv besetzte Frauenfigur eine Mischung aus Sidekick, Love Interest und Damsel in Distress zu spielen (Die Kusszene mit Diesel aus dem Trailer wurde aus dem fertigen Film wieder herausgeschnitten). Elijah Wood kommt viel zu kurz und hat zu wenig Raum, sich zu entfalten. Er wirkt bestenfalls wie ein Plotdevice, denn seine Motive und Eigenschaften werden viel zu knapp abgefrühstückt. Ähnliches gilt für Isaach De Bankolé – verschenkt.

Hexe Chloe gerät zwischen die Fronten. Wem wird sie helfen? (Foto: Concorde)

Hexe Chloe gerät zwischen die Fronten. Wem wird sie helfen? (Foto: Concorde)

Auch auf der Antagonistenseite sieht es nicht viel besser aus. Joseph Gilgun ist gleich zweimal nur ein Werkzeug, um die Story voranzutreiben. Ólafur Darri Ólafsson spielt seinen Warlock Belial zwar düster und fies, aber viel mehr auch nicht. Ich erfahre nichts über seine Herkunft, woher er seine Fähigkeiten hat und wie mächtig er wirklich ist. Und die Oberschurkin? Nun, die Hexenkönigin (Julie Engelbrecht) überzeugt zwar in ihrer Erscheinung und in ihrem Auftreten. Aber mehr als ein Bossfight ist bei ihr leider nicht drin.

Verloren in Oberflächlichkeiten

Das ist allgemein das Problem von „The Last Witchhunter“ – viele feine Ansätze, aber kaum einer wird verfolgt. Der Film verliert sich in Oberflächlichkeiten. Actiongeblubbse, platte Oneliner, und seltsame eingeschobene Szenen machen die Ideen und Charakterentwicklungen wieder zunichte. Einzig Vin Diesel erhält genügend Zeit, um seinen Kaulder konfliktreich und interessant genug zu mimen. Den Hexenjäger mit ewigem Leben als Fluch, geplagt von den Erinnerungen an seine tote Familie, den nichts mehr überraschen kann: Vin Diesel spielt ihn glaubhaft. Deswegen ist es einfach nur schade, dass der Plot und die übrigen Charaktere über Standardware nicht hinaus kommen. Dabei macht für mich genau das einen guten, stimmigen Fantasyfilm aus. Eine faszinierende Welt, interessante, tiefgründige, sich entwickelnde Charaktere und eine mitreißende Geschichte. Mit “Hänsel & Gretel – Hexenjäger” hat Diesels Film übrigens kaum etwas gemeinsam. Allein schon die unterschiedliche Altersfreigabe ( “Hänsel & Gretel” ab 16, “Last Witchhunter” ab 12) ist aussagekräftig genug. Auch von der Selbstironie des Geschwisterfilms merke ich in “Last Witchhunter” nichts, der Film nimmt sich selbst absolut ernst.

Verschenktes Potential toller Schauspieler: Sir Michael Caine und Elijah Wood als Dolan 36 und 37

Verschenktes Potential toller Schauspieler: Sir Michael Caine und Elijah Wood als Dolan 36 und 37

Wenn sich affluide Menschen einen Filmtraum erfüllen und eigene Ideen umsetzen, kam bisher selten etwas Brauchbares heraus. Sei es Kung-Fu-Fan RZA, der gleich zwei furchtbare „Man with the Iron Fist“-Filme drehte (immerhin mit Russel Crowe, Lucy Liu, Rick Yune) oder Keanu Reeves, dessen „Man of Tai Chi“ grandios floppte. Aus Geld und Fantum entstehen eben noch lange keine guten Werke. „The Last Witchhunter“ sticht da positiv heraus, denn er ist als Film deutlich besser als die genannten. Aber er vergibt die Chance, eine ordentliche Duftmarke im Action-Fantasy-Genre zu setzen und verschwindet daher schon bald wieder aus dem Gedächtnis.

Der ewige Jäger von Concorde läuft ab 22. Oktober 2015 in den Kinos.

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One comment on “The Last Witchhunter: Gestatten, Vin Diesel, Nerd

  1. Jonas Okt 22, 2015

    Danke für die Rezension, ich denke ich werde ihn mir mal ansehen. Schade eigentlich, gerade durch Vin Diesels Interessen hätte das noch besser werden können, aber ich befürchte, dass solche Filme eben immer an den Mainstream angepasst werden. Vermutlich hätte Vin Diesel das auch selbst gerne anders gemacht.