„SOCOM“? Da war doch was? Ist das die Serie, die letztens niemand online auf der PlayStation 3 dank PSNGate spielen konnte? Ja, stimmt! Und nicht nur das! Der neueste Spross der Reihe überraschte zumindest mich ein wenig. Denn erst kurz vor dem Erscheinen vernahm ich zufälligerweise, dass „SOCOM: Special Forces“ tatsächlich über eine vollständige Solokampagne verfügt. Ein Novum für die Marke, glaube ich. Da mich der Mehrspieler-Shooter in seinen unzähligen Versionen und Ablegern noch nie reizte, hatte ich jetzt endlich mal die Chance, in das kriegerische Universum hinein zu schnuppern. Und was soll ich sagen? Richtig enttäuscht hat mich „Special Forces“ nicht.
Nur wie kann mich ein Spiel enttäuschen, von dem ich nichts erwarte? „SOCOM: Special Forces“ machte es mir also einfach, sich von einer angenehmen, unterhaltsamen und bemerkenswerten Seite zu zeigen. Wie eine hübsche Blondine, die nach einem ersten Gespräch zeigt, dass sie gar nicht mal so dumm wie angenommen ist. Wie so oft ist es der zweite Blick, der die Wahrheit ans Licht bringt – sowohl bei „Special Forces“ als auch bei vielen Frauen: Einzigartigen, die den Unterschied zwischen „nett“ und „fantastisch“ ausmachen, sucht ihr beim neuesten Werk von Zipper Interactive am besten mit der sagenumwobenen Lupe. Oder ihr spart euch gleich die Mühe. Dann unterhält euch das Spiel ganz solide. Eins, zwei Abende. Etwas mehr als ein One-Night-Stand.
Erzählt mir eine Frau ihre Lebensgeschichte, gefällt mir das – wenn sie interessant ist. Sie kann mir gerne Nonsens vorsetzen, solange es spannend oder lustig bleibt. „Special Forces“ fällt es schwer, mich mit der Handlung zu begeistern. Als Cullen Grey müsst ihr mit eurem Trupp irgendwo in der Pampa gegen Rebellen vorgehen, die sich die Naga nennen. Böse Terroristen? Es sieht ganz danach aus. Jedenfalls hat Cullen schon vor Jahren Malakka besucht und dort für Recht und Ordnung im Auftrag der NATO International Security Force gesorgt. Jetzt in der Gegenwart bleiben ihm sechs Tage, um das gesamte Land vor dem Untergang zu bewahren und eine blutige Revolution zu verhindern. Cullen ist ein waschechter Held, den ihr einfach nur doof finden könnt. Unsympathisch, überheblich, irgendwie menschlich unmenschlich. Ob’s an seiner schlechten deutschen Synchronstimme liegt? Das erklärt allerdings nicht, wie asozial er mit seinen Kumpanen umgeht. Hm. Jedenfalls ist die Story ganz okay. Sie überrascht selten und ist weit entfernt von einer Dramaturgie, die ich naiverweise von einem Spiel des 21. Jahrhunderts erwarte. Sie genügt, um mich zu amüsieren. Auf einem durchschnittlichen Niveau.
Meist sind die inneren Werte die entscheidenden. Wie bei einer Dame, deren Geschichten über ihre Kindheit nicht viel Potential für lange Gespräche bieten. Und hier gefällt mir „SOCOM: Special Forces“ an vielen Stellen sogar sehr. Beispielsweise könnt ihr als Cullen in der Regel zwei Truppen über die Schlachtfelder navigieren. Team Blau ist auf schwere Waffen spezialisiert, der Fokus von Team Gelb liegt auf Scharfschützen-Angriffe. Mittels des Steuerkreuzes schickt ihr die beiden Gruppen durch die Landschaften, gebt ihnen Angriffsbefehle oder die Anweisung zum Rückzug. Das ist ziemlich cool und funktioniert natürlich in Echtzeit. Prescht ihr selbst stupide vor, um möglichst alle Feinde selbst zu erlegen, ist das auch auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad euer Todesurteil. Gegner flankiert ihr auf clevere Art und Weise, sobald ihr die etwas überfrachtete Steuerung verstanden habt. Es ist sogar möglich, ein Team mit mehreren Wegmarkierungen durch die Gefahren zu geleiten.
„Special Forces“ besitzt weitere neckische Ideen. Mir gefallen die Stealth-Abschnitte im besten und klassischen „Splinter Cell“-Stil. Als niedliche Park Yoon-Hee schleicht ihr beispielsweise um ein Schiff herum, tötet unauffällig Bösewichte und schleppt die Leichen in die Dunkelheit. Und nebenbei bestaunt ihr die großartigen Licht- und Schattenspielereien sowie die fantastischen Spiegelungen während eines Regenfalls. Eine spielenswerte Mission. Viele andere Aufträge der rund fünfstündigen Kampagne verfügen über nicht ganz so viel Atmosphäre, zumal ihr strikt durch die Levels lauft und navigiert. Etwas zu linear für meinen Geschmack. Die Entwickler lockern das Geschehen durch pompöse Luftangriffe oder kreativere Ansätze auf. Mal müsst ihr eine Einheitenlandung am Strand aufhalten, ein anderes Mal einen Konvoi auf einer Brücke zerstören. Reden wir besser nicht von Innovationen, vielmehr von einem anständigen Action-Gesamtpaket. Hier stimmt mich „Special Forces“ positiv. Rechnet aber nicht mit spielerischen Höhepunkten.
Vor allem das an sich simplifizierte Kontrollieren der zwei Teams in Kombination mit jeder Menge Action und einer guten visuellen Kulisse motiviert und bereitet Freude. Grafisch erinnert „Special Forces“ entfernt an ein „Uncharted“, ohne nur im Ansatz die Klasse des Naughty Dog-Werkes zu erreichen. Aber von einem „schlecht“ kann auch nicht die Rede sein. Etwas mehr als ein „graues Mäuschen“ ist das Spiel in jedem Fall. Ja, sowieso ist „Special Forces“ wie ein unauffälliges, ganz niedliches Mädel, das einem gar nicht weiter auffällt. Beim genaueren Betrachten möchtet ihr Zeit mit ihr verbringen, etwas kuscheln und euren Spaß haben. Und danach. Tja…manche Beziehungen sind halt nicht für die Ewigkeit. Halt wie „Special Forces“. Der Titel ist ein feiner und ordentlicher Snack. Mehr nicht.
Übrigens: Die Move-Steuerung von „SOCOM: Special Forces“ hab ich mir gar nicht erst angetan. Mal ehrlich: Gibt es wirklich jemanden, der freiwillig mit Move und Navigation Controller einen 3rd-Person-Shooter genießen mag? Ich jedenfalls nicht! Und der Multiplayer lässt mich ebenfalls kalt. Das nur mal der Vollständigkeit halber. Oder um den Vergleich abzuschließen: Für eine kurze Frauenbekanntschaft braucht ihr die Schwiegereltern nicht kennen zu lernen…