Seit dem großem Erfolg von Telltales “The Walking Dead” erleben Point&Click-Games so etwas wie einen zweiten Frühling. Klar, Adventures waren nie wirklich weg, und Titel wie die “Deponia”-Reihe oder “Harveys neue Augen” war durchaus erfolgreich. Aber einen derartigen Kritiker- wie Spielerhype wie jetzt gab es lange nicht mehr. Das liegt unter anderem an der Aufspaltung der Spiele in Episoden, die zeitversetzt veröffentlicht werden. So können Publisher die Leute immer wieder auf den nächsten Teil vorbereiten sowie die Vorfreude wecken – wie bei TV-Serien. Natürlich hat dieser Trend ebenfalls wirtschaftliche Gründe. Aber serielles Erzählen erfüllt auch einen Zweck auf der Plot-Ebene. Denn wie in Fernseh- oder Comic-Reihen verläuft die Geschichte wellenförmig, einzelne Episoden enden meistens mit einem Cliffhanger. Fans können zwischen den Folgen darüber diskutieren, wie es weitergehen könnte. Im schlimmsten Fall nervt das Prinzip, im besten Fall erzeugt es Spannung und Neugier.
Mit “Rèpublique Remastered” ist es ähnlich. Aber eigentlich ist alles ein bisschen anders.
Episodenhaftes Erzählen ist der Shit
Ähnlich wie die Spiele von Telltale oder aktuell “Life is Strange” wird “Rèpublique Remastered” in Episoden erzählt. “Rèpublique” schaffte es schnell, mich in seinen Bann zu ziehen. Kaum hatte ich eine Folge fertig, wollte ich direkt mit der nächsten beginnen. Das ist momentan leider noch ein Problem, denn bisher existieren nur die ersten drei Folgen. Wann Episoden 4 und 5 genau erscheinen werden, ist noch unklar.
Zu Beginn lerne ich eine junge Frau kennen, die den sprechenden Namen “Hope” trägt. In ihrem Zimmer wird kompromittierendes Material gefunden und sie wird in eine Zelle gesteckt. Doch Hope scheint einen unbekannten Freund zu besitzen, denn wie von Geisterhand öffnet sich die Zellentür. Zumindest kommt es ihr so vor. Doch das unbekannte Helferlein bin ich. Während ich Hope bei ihrer Flucht helfe, indem ich Türen öffne und ihr per Mausklick sage, wann sie unbemerkt an den Wachen vorbeischleichen darf, lerne ich Stück für Stück die Hintergründe kennen. Hope lebt in Metamorphosis, einer Einrichtung gleich einer Kleinstadt, die von einem totalitären System geführt wird. Da in so einem Staat die Überwachung essentiell ist, hängen überall Überwachungskameras. Und diese Kameras bin ich.
Deus ex Camera
Wie der Gott aus der Maschine bin ich Hopes Rettung in der Not. Körperlos navigiere ich von Kameraposition zu Kameraposition, auf Knopfdruck halte ich die Welt an. So kann ich in Ruhe die Räume absuchen, voraus- und zurück-springen sowie meine nächsten Anweisungen für Hope planen. Ich spiele also nur indirekt die Figur, die ich sehe. Zusätzliche Hilfe erhalte ich von Cooper, einem IT-Angestellten des Sicherheitsdienstes. Mit computerverzerrter Stimme ruft er mich bzw. Hope von Zeit zu Zeit an und gibt Tipps oder neue Ziele.
Was das Spielkonzept angeht, unterscheidet sich “Rèpublique” sowohl von klassischen Point & Click- als auch von modernen entscheidungsbasierten Adventures à la Telltale. Es sind keine Dialogoptionen mit Entscheidungen vorhanden. Vielmehr muss man Räume erkunden, Routen planen und im richtigen Moment losgehen. Im späteren Verlauf gesellt sich zwar das ein oder andere Rätsel hinzu, aber das Kernelement sind die Schleichpassagen. Es kommt also mehr auf Geschicklichkeit an, als auf Kombinationsgabe oder Verhalten gegenüber Personen. Würde man das Spiel auf 2D zurücksetzen, könnte es auch ein modernes “Pac-Man” sein. Also rein vom Spielprinzip her. Was “Rèpublique” einem “Pac-Man” voraus hat, ist natürlich die Welt mit ihrer Story und den Charakteren.
Die Grafik unterscheidet sich deutlich von den gängigen Adventure-Titeln der letzten Zeit. Kein Cel-Shading, keine klassische Zeichentrickoptik, hier wurde mit der Unity 5 Engine ein realistisches Szenario geschaffen. Für eine Portierung von Mobile zu PC ist das Gebotene nicht übel. Wie bitte? Ja, ganz genau. “Rèpublique” erschien zunächst als Mobile Game, daher der Zusatz “Remastered” und deswegen auch die eher ungewöhnliche Steuerung. Aber das ist überhaupt kein Nachteil, es trägt eher zur Eigenständigkeit des Titels bei.
Auf meinem Schleichzug durch Metamorphosis konnte ich jede Menge Gegenstände einsammeln und kleine Geheimnisse lüften. Ich fand zahlreiche Bücher, allesamt Klassiker der kritischen Dystopie und Sci-Fi Literatur. Außerdem Diskettenkopien verschiedener Games aller Epochen. Ich will nicht zu viel verraten, denn ich hab mich jedes Mal gefreut wie ein Schnitzel, als ich wieder etwas entdeckte. Dabei sind die Fundstücke mehr als nur Gimmick: Sie werden stets kommentiert, entweder von eurem Fluchthelfer oder von eurem Widersacher, und geben der Spielwelt auf die Weise deutlich mehr Tiefe. Ähnlich wie die Audioaufzeichnungen in “Bioshock”, “Dead Space” oder “Last of Us” sind diese Informationen optional, aber sie geben den Figuren eine gewisse Nachvollziehbarkeit. Darüber hinaus kann ich geklaute Daten aus E-Mails und Aufnahmen verkaufen und so neue Fähigkeiten erlernen.
Hinter “Rèpublique” steckt das junge Entwicklerstudio Camouflaj. Wobei “jung” hier nicht ganz richtig ist, denn das Team besteht aus Entwicklerveteranen unterschiedlicher Herkunft, die an Spielen wie “Metal Gear Solid 4”, “Halo 4”, “F.E.A.R.”, “Black & White 2” und “SOCOM” mitgearbeitet haben. Das merkt man dann auch, denn “Rèpublique” vereint Elemente aus allen diesen Games zu einem völlig eigenen Werk. Klar, das Spiel wird die Gameslandschaft nicht revolutionieren, aber es schlägt einen neuen Pfad im Adventure-Bereich ein und stellt sich dabei alles andere als blöd an. Ich hatte jeden Falls viel Spaß mit den ersten drei Episoden und hoffe die letzten beiden kommen bald. Schließlich will ich wissen, wie die Geschichte um Hope ausgeht.
tl;dr: “Rèpublique Remastered” ist ein gelungenes Schleich-Geschicklichkeits-Rätselspiel in hübschem Gewand und spannender Geschichte. Leider fehlt noch das Ende.
Das Spiel ist auf Steam erhältlich.