Neidisch auf Pfadfinder

19. Februar 2011

Ich lehne mich vermutlich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte: Jeder hat Träume. Egal wie klein oder monströs sie sein mögen – sie schlummern irgendwo in den grauen Hirnwindungen und warten nur darauf, hervor gekramt zu werden. Mal bleiben sie ein ganzes Leben, tja…nur ein Traum. Und manche werden erfüllt. Am besten ist es, selbst ein wenig nachzuhelfen und nicht nur darauf zu hoffen, dass einem das Schicksal an die Hand nimmt.  Hätten die Macher von „Pfadfinder“ nicht die Initiative ergriffen, ihre Vision eines eigenen Films wäre nie in die Tat umgesetzt worden.

Elf Freunde müsst ihr sein - dann klappts wohl auch mit einem eigenen Film

Elf Freunde müsst ihr sein – dann klappts wohl auch mit einem eigenen Film

Für „Pfadfinder“ fanden sich elf Freunde zusammen, die zum Großteil überhaupt keine Ahnung vom Realisieren eines richtigen Films hatten. Trotzdem bekamen sie es hin, “Pfadfinder”  nach über vier Jahren (!) fertig zu stellen, es gab sogar eine Kinopremiere mit zahlreichen Gästen. Alles wurde aus der eigenen Tasche finanziert, Unterstützung von hiesigen Fonds und Filmgesellschaften erhielten sie nicht. Ein wenig neidisch macht mich das schon. Ich selbst hege seit Jahren den gleichen Wunsch, wüsste aber nicht einmal, wo und wie ich anfangen sollte. Mit einem Drehbuch? Mit dem Treffen Gleichgesinnter? Mit dem Organisieren des Equipments? So genau weiß ich es nicht. Ich weiß aber, dass mir „Pfadfinder“ gezeigt hat, dass es möglich ist, einen Traum zu erfüllen – in meinem Fall den Traum von einem eigenen Film.

Obwohl „Pfadfinder“ objektiv betrachtet kein Meisterwerk ist, verdienen sich die elf Dresdner großen Respekt. An jeder Ecke merke ich ihren Enthusiasmus, ihre Bemühungen und ihr Bestreben, etwas Eigenständiges und Sehenswertes zu kreieren. Dabei ist die Geschichte recht banal: Der junge Mann Frank arbeitet tagein tagaus als Spezialstatistiker irgendwo in einem Bürokomplex. Sein Alltag ist deprimierend, grau, eintönig. Nicht einmal seine vermeintlichen Freunde scheren sich um hin, Frank betäubt sich mit dem Fernseher und dem Trott, in dem er gefangen zu sein scheint. Doch eines Tages kommt der Ausbruch! Er schnappt sich sein Auto und fährt los. Irgendwo in die Pampa, egal wohin. Hauptsache weg aus der Stadt. Bei seiner persönlichen Odyssee durch das Land trifft er auf eine junge Anhalterin, die sein Dasein versüßen könnte….

Pfadfinder: Spießer Frank, eigentlich ein netter Kerl, bei seiner Arbeit

Pfadfinder: Spießer Frank, eigentlich ein netter Kerl, bei seiner Arbeit

„Pfadfinder“ hat mit zwei großen Problemen zu kämpfen. Zum einen ist das Skript etwas dünn, die Handlung wird durch an sich unwichtige Ereignisse unnötig in die Länge gezogen. Und auch das Ende mag nicht vollends überzeugen, egal was man von diesem erwartet. Das befriedigende Gefühl zum Schluss möchte sich nicht einstellen. Die Hauptschuld tragen die Darsteller, also die elf Freunde, die allesamt eine Rolle erhielten. Sie sind offensichtlich keine gelernten Schauspieler, womit ich überhaupt keine Schwierigkeiten hätte. Auch bei manchen „Kleines Fernsehspiel“-Episoden vom ZDF treten häufig Laien auf. Im Fall „Pfadfinder“ ist allerdings kein Akteur in der Lage, glaubwürdige Emotionen zu vermitteln. Stattdessen bleiben sogar die Protagonisten steif, kühl und unsicher. Der Antiheld Frank hätte gefühlsbetonter und souveräner auftreten müssen, er hat schließlich das Drehbuch verfasst. Die Konsequenz ist, dass „Pfadfinder“ dramaturgisch so wirkt, was er auch ist: Ein Amateurfilm, gespielt von Anfängern.  Es genügt halt nicht, Texte nur auswendig zu kennen! Und dass Dialoge im Sand verlaufen, macht das Folgen der Story auch nicht reizvoller. Der seichte, beabsichtigte Humor blitzt viel zu selten auf. Aber: Zu keinem Zeitpunkt kommt ein Fremdschämgefühl auf – zum Glück.

Ich klinge vielleicht ein wenig hart, aber ich will es relativieren: Man erkennt definitiv an jeder Ecke das Herzblut, was die Darsteller begeistert in ihr „Baby“ gesteckt haben. Und das rechne ich ihnen viel höher an als ich ihr fehlendes Talent für Schauspielerei bemängele. Wettgemacht wird sowieso viel durch die erstaunliche technische Leistung. Manche Kamerafahrten zeigen Professionalität, die verwendeten Filter erzeugen eine großartige Atmosphäre. Wärme, Kälte, Tristesse – ein paar große Momente hat diese „LowBudget“-Produktion zu bieten, die aber eben nur visueller und vielleicht ein wenig akustischer Art sind. Der Regisseur und der Kameramann hatten ein Auge für stimmige Naturaufnahmen und Locations, was „Pfadfinder“ deutlich aufwertet.

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Der offizielle Trailer zum FilmDas gesamte Filmpaket beeindruckt umso mehr, wenn man sich das umfangreiche Bonusmaterial auf der 7,99 Euro (inkl. Versandkosten!) günstigen DVD angeschaut hat. Sowohl das Making-Of als auch eine Präsentation der technischen Hintergründe verdeutlichen in rund zwei Stunden, welche Mühe in „Pfadfinder“ steckt. Beispielsweise werden dort die selbst erstellten „Special-Effects“ genauestens erklärt oder vorgestellt, welche Geräte und Bedingungen überhaupt nötig waren. Ja,  diese Videos fand ich fast spannender als das eigentliche Ergebnis.

Vermutlich wird „mein Film“ auch die nächsten Jahre ein Traum bleiben, aber ich weiß dank „Pfadfinder“, dass es nicht zwangsläufig ein Ding der Unmöglichkeit ist, so etwas auf die Beine zu stellen. Es ist unglaublich viel Arbeit und setzt eine enorme Leidenschaft, Aufopferungsbereitschaft und Frustresistenz voraus. Aber die elf Freunde haben es ja auch geschafft?

Pfadfinder: Auf der 7,99 Euro günstigen DVD findet sich sehr viel informatives Bonusmaterial

Pfadfinder: Auf der 7,99 Euro günstigen DVD findet sich sehr viel informatives Bonusmaterial

Meine Empfehlung an euch: Ihr interessiert euch für das Filmemachen und wollt anschaulich erfahren, wie aus einer fixen Idee ein über 70 minütiger Streifen wurde? Dann unterstützt das Projekt von „Pfadfinder“ und holt euch die DVD. Seht die Investition weniger als Kauf eines deutschen Films mit etlichen Längen, eines pseudo-gesellschaftskritischen Plots und kaum überzeugenden Schauspielern, sondern als kleine Studie, die äußerst transparent die Schwierigkeiten und Herausforderungen der Filmproduktion offenbart. Ach, und sympathisch sind die elf Leutchen übrigens auch. Sie mögen mir meine Kritik verzeihen. Außerdem: Mein Neid bleibt, was den Film ja irgendwie auf eine Stufe stellt, die er nüchtern gesehen sonst nie erreicht hätte.

“Pfadfinder” könnt ihr euch auf der offiziellen Webseite für 7,99 Euro inklusive Versandkosten bestellen. Dort findet ihr weitere Infos zum Film und eine Vorstellung der elf Freunde.

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