Wenn das Rennen um die Academy Awards 2013 eines gezeigt hat, dann dass wir Oscar-Watcher wirklich leicht zu begeistern sind. Unter normalen Umständen müsste es eine langweilige und ähnlich wie vor vier Jahren vorhersehbare Verleihung geben, als “Slumdog Millionär“ nicht aufzuhalten war. Doch einzig und allein weil Ben Afflecks Leistung als potenzieller Regisseur aus unerklärlichen Gründen nicht nominiert wurde, ist Party angesagt.
Mein folgender Tippzettel hat sich selten so “schwammig“ angefühlt – und es gibt einige Kategorien, in denen alle fünf Nominierten eine reelle Chance haben – egal ob statistisch oder bezüglich des berüchtigten “Buzz“-Faktors. Vorhang auf für meine ganz persönliche Meinung, wer heute Nacht den Oscar gewinnt:
Film und Regie
Statistik – wie ich dieses Wort hassen gelernt habe. Es ist der Grund dafür, dass sich meine amerikanischen “Kollegen“ die Köpfe einschlagen. Ein greifbarer Anteil von ihnen möchte immer noch nicht an den (meiner Meinung nach) nahezu sicheren “Argo“-Sieg glauben. Das könne doch nicht sein, wenn der Film gerade mal die fünftmeisten Nominierungen besäße und eben Ben Affleck übergangen würde. Überhaupt: Ein “Best Picture“-Gewinner ohne “Best Director“-Nominierung? Das habe es erst vier Mal in 85 Jahren gegeben!
Aber Fakt ist: Es hat es gegeben und es MUSS auch mal geben.
Wisst ihr, von den knapp 6000 stimmberichtigten Mitgliedern der Academy entscheiden weniger als 400 über die nominierten Regisseure. Soll dieser relativ kleinen Gruppe wirklich eine dermaßen große Rolle zuteil werden, dass sie im Vorfeld einen potenziellen Sieger ausschließen kann? Oder anders ausgedrückt: Würde wirklich irgendein “Argo“-Fan plötzlich seinen Favoriten nicht mehr wählen, nur weil der betreffende Regisseur ohne sein Zutun auf dem Stimmzettel fehlt?
Tatsächlich hat sich nach der Nominierungsbekanntgabe das Blatt auf eine erstaunliche Weise gewendet: Ben Affleck bekam plötzlich mehr Sympathien denn je zugeschrieben. Er wäre auch so mein Tipp gewesen, aber gerade WEIL er übergangen wurde, sind die Chancen für den Film bizarrerweise noch gewichtiger. Da Affleck schlussendlich bei einem “Best-Picture“-Gewinn immerhin als Mit-Produzent ausgezeichnet werde, wäre das mehr als nur ein kleines Trostpflaster. Es hätte so etwas wie eine Genugtuung.
Sollte hingegen in der Tat dieser Regie-Snub eine entscheidende Rolle spielen, dann schaut vor allem auf folgende potenzielle Trotzsieger: “Lincoln“, “Life of Pi“ sowie “Silver Linings Playbook“. Erstere beiden führen das Nominierungsfeld mit jeweils zwölf sowie elf Erwähnungen an. Mein dritter Tipp im Bunde mag Wunschdenken sein, weil mir von den neun nominierten Filmen in der Tat dieser hier am besten gefallen hat, obwohl er landläufig als der umstrittenste gilt (lest euch mal amerikanische Oscar-Blogseiten durch, dort wird diese Rom/Com gehasst wie Judas). Aber acht Nominierungen, darunter wirklich die allerwichtigsten von der Regie über SÄMTLICHE Schauspielerkategorien, dem Filmschnitt und bis hin zum Drehbuch – DAS ist mal ’ne Statistik!
Deshalb ist zumindest David O’Russell mein ernsthafter, wenn auch gewagter Tipp für den Preis der besten Regie. Den hätte Ben Affleck mit einem Fingerschnipsen gewonnen, speziell nachdem er den Golden Globe, den BAFTA UND den Director Guild Award gesammelt hat. Aber weil dieses Szenario eben nicht mehr möglich ist, ist plötzlich Platz für einen Mann übrig, der mit seinen letzten beiden Filmen satten sieben (!) Schauspielern zu einer Oscar-Nominierung und bereits zweien zum Erhalt der Statuette verholfen hat. Man darf niemals vergessen: Von den genannten 6000 Academy-Mitgliedern gehört jeder Fünfte der Schauspielerriege an…
Gleich sei hinterher gesagt: Dieser Preis liegt völlig in der Luft. Zwei Regisseure haben im Vorfeld Auszeichnungen wie doof erhalten, eben Ben Affleck und überdies Kathryn Bigelow für “Zero Dark Thirty“. Doch nun wurden ausgerechnet diese beiden übergangen, weshalb die fünf de facto vorhandenen Nominierten nahezu ohne so genannte “Precursor“ auskommen müssen, anhand derer man einen Sieg zumindest statistisch hätte tippen können.
Es wäre durchaus eine verlockende Option, Steven Spielberg mit einem dritten Regie-Oscar zu prämieren – denn wenn es einer der noch Lebenden verdient hätte, in den elitären Club von John Ford, Frank Capra oder William Wyler aufgenommen zu werden, dann er. Das Problem: Der zugehörige Film “Lincoln“ hat zwar die meisten Nominierungen für das Jahr 2012 erhalten, aber er wirkt auf viele eher etwas dröge und wie ein langweilig-typischer Academy-Gewinner der 80/90er Jahre – was nebenbei erwähnt nicht meine Meinung ist, denn auf meiner Vorliebenliste liegt er eng eingekeilt zwischen “Silver Linings“ und “Argo“.
Oder man entscheidet sich für das Ang-Lee-Szenario, dessen “Life of Pi“-Buchvorlage vormals als unverfilmbar galt. Zudem ist vielleicht der eine oder andere Academy-Wähler noch leicht verstimmt wegen der “Crash schlägt Brokeback Mountain“ Geschichte. Nur glaube ich persönlich nicht wirklich daran, denn Lee hat eigentlich immer eins auf den Sack gekriegt, wenn es um die Oscars und Statistik-Anomalien ging. Wieso sollte er jetzt auf einmal “Glück“ haben?
Die Schauspieler
Bei den Schauspielern gibt es zwei recht klare Favoriten: Daniel Day-Lewis wird wohl in der Tat seinen dritten Oscar als bester Hauptdarsteller für “Lincoln“ einheimsen und damit gleichzeitig einen Fluch brechen, nämlich dass bislang kein Schauspieler für einen Spielberg-Film gewonnen hat. Aber der Mann ist einfach zu beeindruckend, zu dominant, zu perfekt. Wirklich minimale Spoiler-Gefahr sehe ich allenfalls von Seiten Bradley Cooper (“Silver Linings Playbook“) oder Hugh Jackman (“Les Miserables“) – in beiden Fällen allein der Überraschung geschuldet, dass die Jungs ja WIRKLICH gut schauspielern können, wenn sie nur mal die richtigen Rollen abkriegen. Obwohl ich ebenfalls für Day-Lewis stimmen müsste (!): Ich würde mit am lautesten jubeln, wenn es Cooper wie durch ein Wunder schafft.
Nicht zu verhindern ist der Sieg für Anne Hathaway als beste Nebendarstellerin: “Les Misérables“ ist ein höchst umstrittener Film, ihre Leistung jedoch wird universell als unschlagbar bezeichnet – ein Tenor, den sich meine verheulten Augen gerne anschließen möchten. Wenn es eine absolut perfekte Szene aus dem Jahre 2013 gibt, dann Hathaways Performance von “I Dreamed a Dream“. Und auch ansonsten leistet sich die Frau keinen einzigen Fehler. Kurz: Sie verdient diesen Oscar wie kein anderer Schauspieler in diesem Jahr.
Etwas problematischer wird die Vorhersage der besten Hauptdarstellerin: Jennifer Lawrence galt lange Zeit als klare Favoriten, auch weil sie quasi den “sicheren“ Oscar für “Silver Linings Playbook“ darstellte – schließlich sollte der Film doch irgendetwas kriegen, oder? Aber manchmal spürt man als Oscar-Watcher eine Trendwende, und die kam jüngst dank des BAFTA-Gewinns von Emanuelle Riva für Michael Hanekes “Liebe“. Die männliche Garde der Academy tendiert zwar eher dazu, jüngere Frauen auszuzeichnen – doch Riva wäre die älteste Gewinnerin überhaupt. Und das klingt nicht minder beeindruckend. Zudem mögen viele Academy-Mitglieder den schwerfälligen Film, ansonsten hätte er es schließlich trotz Sprachbarriere nicht in die “Best-Picture“-Riege geschafft. Darüber besitzt Jessica Chastain minimale Außenseiterchancen als taffe Bin-Laden-Jägerin in “Zero Dark Thirty“, jedoch hat dieser Film zu viel Schelte und zu viel moralisch strittiges Gedankengut angeheftet bekommen, weshalb ich eher glaube, dass er komplett leer ausgeht.
Bleibt die Frage: Wenn Riva wirklich gewinnt und Spielberg entgegen meiner Vermutung über O’Russell siegt, was bleibt dann noch für “Silver Linings Playbook“ übrig? Klare Antwort: ein “Überraschungssieg“ für Robert de Niro als bester Nebendarsteller. Der hat zwar bislang kaum etwas für seine enthusiastische Rolle als abergläubischer Sportnarr gewonnen, jedoch gibt es laut Insidern derzeit kaum jemanden in Hollywood, der so sehr für “sich“ wirbt, was die Oscar-Verleihung betrifft. Zudem würden bestimmt viele Veteranen de Niro einen dritten Academy Award gönnen, warum also nicht hierfür? Comeback-Storys wie diese sind durchaus reizvoll…
De Niros größte Chance ist gleichzeitig sein größtes Problem, nämlich die des wirklich engen Nominierungsfeldes, bei dem man für jeden Kandidaten ein Sieg- sowie ein Niederlageszenario austüfteln kann. Tommy Lee Jones hat für “Lincoln“ den sehr wichtigen Screen-Actor-Guild-Award auf seiner Haben-Liste stehen, aber mit seinem arg grimmigen Auftreten bei den Golden Globes sicherlich ein paar Wähler verschreckt. Christoph Waltz wiederum hat genau diesen Preis für “Django Unchained“ eingeheimst und auch bei den BAFTAs gesiegt, jedoch wirkt seine Rolle wie Hans Landa 2.0 und ist zudem eigentlich eher eine Haupt- anstatt eine Nebenrolle. Philip Seymour Hoffman wird von vielen Filmkennern als der wahre Favorit bezeichnet, nur hat “The Master“ darüber hinaus wenig Liebe in der Industrie erhalten. Und dann wäre da noch Alan Arkins kauzige Leistung in “Argo“, die viele als die mutmaßlich schwächste unter den fünf Nominierten bezeichnen – aber wenn die Academy-Truppe den Film WIRKLICH mag, dann ist auch das eine realistische Option.
Drehbuch und Filmschnitt
Bestes adaptiertes Drehbuch? Gewinnt “Argo“. Das gleiche gilt für den (ebenfalls sehr, sehr wichtigen) Filmschnitt. Picture-Screenplay-Editing: Es wäre das Drei-Oscar-Szenario, welches derzeit am realistischsten und am glaubwürdigsten erscheint. Viele “Lincoln“-Fans motzen darüber, dass doch Tony Kushners Drehbuch für Spielbergs Biopic viel aufwändiger gewesen sei, oder das der gleiche Cutter aus “Argo“ mit “Zero Dark Thirty“ mehr Arbeit gehabt habe. Aber sind solche Kriterien gleichbedeutend mit “besser“? Ich würde “Argo“ ebenfalls in diesen Kategorien über die allseits benannten Konkurrenten stellen, um ehrlich zu sein.
Bestes Originaldrehbuch? Steht halb in den Sternen. Es könnte Quentin Tarantinos zweiter Oscar werden, zudem er laut Meinung zahlreicher Filmfans diesen bereits für “Inglourious Basterds“ hätte gewinnen sollen. Seine treuen Untergebenen werden Mark Boal jedenfalls umso mehr hassen, wenn der den Trick von vor zwei Jahren wiederholt und ihm das Ding dank “Zero Dark Thirty“ zum wiederholten Male vor der Nase wegschnappt. Oder die Academy-Mitglieder denken sich: Michael Haneke muss als Oscar-Sieger von der Bühne gehen, also kriegt er was persönlich für sein “Liebe“-Projekt. Das Werk dürfte zu 99%-Sicherheit in der Kategorie “Bester fremdsprachiger Film“ abräumen, allerdings wäre der Oscar laut Geschichtsbüchern für das Land Österreich bestimmt und nicht für Haneke selbst, der den Preis “nur“ stellvertretend entgegennehmen darf.
Kamera, Kulisse und Visuelle Effekte
Kommen wir zu “Skyfall“, der in einer gerechten Welt dem längst überfälligen Roger Deakins als Kameramann einen Oscar bescheren sollte. Doch bei dieser Kategorie gewinnt oft der “hübscheste“ Film und das spricht wiederum eindeutig für “Life of Pi“. Da ist euch zuviel CGI drin? Hat die Academy-Vereinigung auch vor drei Jahren bezüglich “Avatar“ nicht gejuckt. Noch mehr umkämpft ist der Preis für die beste Kulisse: Sowohl “Anna Karenina“, als auch “Les Miserables“ oder ebenfalls “Life of Pi“ haben reelle Chancen, wobei ich aufgrund des gleichen Arguments wie eben auf letzteren Titel tippe: Es ist einfach der hübscheste Film im Quintett.
Damit hätte ich bereits einige potenzielle “Life of Pi“-Siege abgehakt, wobei in einer Kategorie die entsprechenden Verantwortlichen bereits ihre Vitrine wienern sollten: Der Oscar für die besten visuellen Effekte hat das Ding praktisch sicher. Wenn es nicht bereits die meisterhafte Collage aus Hauptdarsteller, Boot und CGI-Hintergrund verdient, dann spätestens der Tiger, der in fast allen Szenen aus dem Computer stammt und damit einen weiteren Meilenstein der Hollywood-Trickfabrik markiert.
Kostüme und Make-Up & Hairstyling
Mein Favorit für die Kostüme lautet mit gebührendem Abstand “Spieglein, Spieglein“: Solch interessante wie beeindruckende Kleidung habe ich selten in einem Märchen(!)-Film gesehen. Die Frage ist jedoch: Wie viele Academy-Mitglieder haben sich den ansonsten jetzt nicht allzu berühmten Streifen angeschaut, wenn der eben nur in dieser einen Kategorie nominiert ist? Entsprechend realer fühlt sich der Sieg für “Anna Karenina“ an: Das ist so der typische Kostümfilm, der gerne in dieser Sparte honoriert wird.
Ähnlich problematisch sieht es bei Make-Up & Hairstyling aus, wobei es gefühlt kaum eine andere Kategorie gibt, für die so viele “mittelmäßige“ Filme gewonnen haben – oder zumindest welche, in denen Werwölfe vorkommen. Oft punktet der hohe Aufwand in Form einer besonders abenteuerlichen Maske, weshalb ich “Les Miserables“ ausschließen möchte. Und auch wenn die Frisuren in “Hitchcock“ in der Tat toll sind: Die Metamorphose von Anthony Hopkins zum Alfred Hitchcock funktioniert in meinen Augen überhaupt nicht. Sieht das der gemeine Wähler der Academy genauso? Fallls ja, dann bleibt der “Hobbit“ als einzige Wahl.
Ton und Tonschnitt
Der Unterschied zwischen Ton und Tonschnitt gerät schnell in Vergessenheit, weshalb ich ihn lieber in aller Regelmäßigkeit erklären möchte: Bei ersterem geht es um die korrekte Abmischung der einzelnen Tonspuren (d.h. Effekte, Dialoge, Musik), damit auch schön alles klar und deutlich klingt bzw. sich gegenseitig nichts beißt oder gar übersteuert ist. Letzteres hingegen ist das Generieren sowie korrekte Implementieren von Toneffekten, vom knisternden Feuer über eineb Blitzeinschlag bis hin zum surrenden Alienraumschiff.
Der Oscar für den besten Ton wird und muss an “Les Miserables“ gehen. Regisseur Tom Hooper ging schließlich das Wagnis ein, die Schauspieler On-Location singen zu lassen sowie aufzunehmen. Das fühlt sich in der Tat eine gute Ecke authentischer an, während gleichzeitig die Klarheit des Tons regelrecht verblüfft. Krasse Außenseiterchancen hat allenfalls “Skyfall“, dessen Tontechniker Greg P. Russell bereits 16 Nominierungen, aber noch keinen Sieg intus hat.
Umso frustrierender dürfte es für den Mann sein, wenn ich Recht habe und statt seiner seine Kollegen für den Tonschnitt des gleichen Filmes abräumen. Actionfilme dieser Art haben hier immer ganz gute Karten, nicht zuletzt wenn kein klarer Favorit weit und breit zu sehen ist. Eventuell räumen die Jungs von “Life of Pi“ ab, falls es ein “Hugo“-Szenario gibt und der Film in diesen Technikkategorien einen kleinen Durchmarsch schafft. Oder die Academy-Mitglieder nutzen die Chance und überreichen hiermit “Zero Dark Thirty“ einen Trostpreis.
Musik und Song
Die beste Musik des Jahres hatte eindeutig und ohne den kleinsten aller kleinen Zweifel “Cloud Atlas“ – doch der Film ist nirgends nominiert. Also tippe ich auf meine weit distanzierte Zweitwahl namens “Life of Pi“, gleichwohl ich bei einem Sieg für Thomas Newmans “Skyfall“-Beitrag völlig aus dem Häuschen wäre – einfach damit er endlich seinen Academy Award hat, egal für was.
Und nun kommt der Oscargewinn, auf den ich mich am meisten freue. Er gilt als der sicherste des ganzen Abends und würde auch in meinen Augen eine der grandiosesten Leistungen des letzten Jahres würdigen: Adeles umwerfender Filmsong “Skyfall“, zu hören in “Skyfall“. Es wäre für mich mehr als ein Trost dafür, dass erstmals seit elf Jahren mein persönlicher Lieblingsfilm nicht bei den Oscars als “Best Picture“ nominiert ist.
Fremsprachiger, animierter und Dokumentar-Film
Solange sich kein vergleichbarer Mindfuck wie am Nominierungsmorgen wiederholt, sollte Michael Hanekes ”Liebe“ allermindestens den Preis für den besten fremdsprachigen Film einsacken. Gleichwohl ich Chiles Beitrag “No“ nicht gesehen habe und im Falle von “Kon-Tiki“ mit einer norwegischen Tonspur inklusive norwegischen Untertiteln auskommen musste (…habe ich schon erwähnt, dass ich ein wahnsinniger Oscar-Freak bin…?), kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass sich die Mitglieder der Academy anders entscheidet. Das einzige Problem: Nicht jeder darf in dieser Kategorie eine Stimme abgegeben, sondern nur diejenigen Wähler, die nachweislich alle fünf nominierten Filme gesehen haben. Dies hat in der Vergangenheit immer wieder für Überraschungen gesorgt.
Völlig in der Luft hängt die Auszeichnung für den besten animierten Film, was richtig selten ist – im Regelfall gibt es nämlich einen klaren “Frontrunner“. Die meisten würden es wohl “Ralph reicht’s“ wünschen, aber ich weiß nicht… das Durchschnittsalter eines Academy-Mitgliedes liegt bei etwas über 60 Jahren. Werden die wirklich die Statuette an eine Videospielhommage überreichen? Ich tippe deshalb eher auf das weitaus konventionellere “Merida“, was sich bereits einige Gilden-Preise, den Golden Globe und den BAFTA geschnappt hat.
Mehr Konsens herrscht bei den Dokumentarfilmen, wo “Searching for Sugar Man“ nahezu alles abgeräumt hat, was ein solcher Film abräumen vermag. Zudem gilt hier NICHT mehr die Regelung wie bei den fremdsprachigen Kandidaten, dass man für eine Stimme alle fünf nominierten Werke gesehen haben muss. Dies begünstigt ganz klar die bekannteren Filme, was “Sugar Man“ definitiv in die Karten spielt.
Die Kurzfilme
Den Abschluss macht das Feld der Kurzfilme, die dank iTunes für jedermann zugänglich sind – von den Kurzdokumentarfilmen (mal wieder) abgesehen. Bei den sogenannten “Short Film, Live Action“ wird oft “Curfew“ genannt, den ich auf meinem Stimmzettel immerhin als Runner-Up erwähnen würde: Gerade als ein junger Mann sich das Leben zu nehmen versucht, ruft ihn seine verzweifelte Schwester an und bittet ihn, auf seine Nichte aufzupassen. Die folgende Handlung verwebt geschickt allerlei Elemente aus Drama und Komödie, das Ergebnis ist dementsprechend amüsant wie rührselig zugleich und wäre ein typischer Gewinner in dieser “kleinen“ Sparte.
Persönlich wäre ich für “Henry“, einer beklemmenden, wenn auch vorhersehbaren Geschichte über einen an Alzheimer erkrankten alten Mann. Diese wird interessanterweise aus seiner Sicht erzählt, was in einigen surrealen Szenen resultiert. Darüber hinaus tippt der eine oder andere Oscar-Watcher auf die “Buzkashi Boys“, wobei mich das ein wenig verstimmen würde. Schauspiel- sowie Kamera-technisch in der Tat sehr stark, habe ich ein kleines Problem mit dem Drehbuch beziehungsweise der abschließenden Aussage gehabt.
Bezüglich der animierten Kurzfilme müsste eigentlich Pixars “Paperman“ drei Mal gewinnen. Er umfasst eine der schönsten und lustigsten Liebesbegegnungen der letzten zwanzig Filmjahre – in knapp zehn Minuten und ohne einen einzigen Dialog! Die Krux ist jedoch, dass die Academy-Mitglieder bei animierten Kurzfilmen selten die großen Studios berücksichtigen und vielmehr auf künstlerisch wertvolle wie zeichnerisch originelle Ideen setzen. Das wiederum spräche für “Adam and Dog“, einer Nacherzählung der Geschichte von Adam und Eva – aus Sicht eines Hundes!
Gleichwohl tippe ich unterm Strich auf “Paperman“, weil sich nämlich auch hier ähnlich wie bei den Dokumentarfilmen das Wahlprozedere geändert hat. Und “bekannter“ als die anderen vier Nominierten ist dieses Kleinod in jedem Fall, weil es nämlich als Vorfilm zu “Ralph reicht’s“ eine viel größere Zuschauergruppe erreicht haben dürfte.
Die dritte Kurzfilm-Sparte ist wiederum nicht von der neuen Regelung betroffen und nach wie vor am schwersten für einen Nicht-Amerikaner wie mich zu erraten, weil man eben außerhalb der USA die Filme praktisch gar nicht zu Gesicht bekommt. Einzig “Inocente“ ist via iTunes erhältlich und ein wirklich interessanter Beitrag über ein kleines Mädchen, das trotz ihrer ständigen Angst, von heute auf morgen kein Dach mehr über den Kopf haben zu können, ihre Kreativität in der Schule in Form von aufwändigen Kunstprojekten zum Ausdruck bringt.
Ansonsten kann ich nur rein anhand der Themenauswahl mutmaßen, wer gewinnt. In dieser Hinsicht sticht vor allem “Mondays at Racine“ gesondert hervor: Darin wird ein Frisörladen beleuchtet, der einmal im Monat krebskranken Frauen die Köpfe schert. Weil die meisten Oscar-Watcher auf “Mondays at Racine“ tippen, eine der beiden hierfür verantwortlichen Dokumentarfilmerinnen bereits einen Oscar gewonnen hat sowie das Thema in der Tat am interessantesten klingt, stimme ich mit dem Kanon.
Zusammengefasst ergibt dies folgenden Stimmzettel: (Update: Inklusive den Gewinnern – nachträglich eingefügt)
Bester Film
Will win: Argo
Could win: Silver Linings Playbook
Should win: Silver Linings Playbook
Should have been nominated: Skyfall
Did win: Argo
Beste Regie
Will win: David O’Russell (Silver Linings Playbook)
Could win: Steven Spielberg (Lincoln)
Should win: Steven Spielberg (Lincoln)
Should have been nominated: Ben Affleck (Argo)
Did win: Ang Lee (Life of Pi)
Bester Hauptdarsteller
Will win: Daniel Day-Lewis (Lincoln)
Could win: Hugh Jackman (Les Misérables)
Should win: Daniel Day-Lewis (Lincoln)
Should have been nominated: Jean-Louis Trintignant (Liebe)
Did win: Daniel Day-Lewis (Lincoln)
Beste Hauptdarstellerin
Will win: Emanuelle Riva (Liebe)
Could win: Jennifer Lawrence (Silver Linings Playbook)
Should win: Jennifer Lawrence (Silver Linings Playbook)
Did win: Jennifer Lawrence (Silver Linings Playbook)
Bester Nebendarsteller
Will win: Robert de Niro (Silver Linings Playbook)
Could win: Tommy Lee Jones (Lincoln)
Should win: Tommy Lee Jones (Lincoln)
Should have been nominated: Javier Bardem (Skyfall)
Did win: Christoph Waltz (Django Unchained)
Beste Nebendarstellerin
Will win: Anne Hathaway (Les Misérables)
Could win: Sally Field (Lincoln)
Should win: Anne Hathaway (Les Misérables)
Should have been nominated: Judi Dench (Skyfall)
Did win: Anne Hathaway (Les Misérables)
Bestes Originaldrehbuch
Will win: Liebe
Could win: Django Unchained
Should win: Moonrise Kingdom
Should have been nominated: Cabin in the Woods
Did win: Django Unchained
Bestes adaptiertes Drehbuch
Will win: Argo
Could win: Lincoln
Should win: Silver Linings Playbook
Should have been nominated: Vielleicht lieber morgen
Did win: Argo
Bester Filmschnitt
Will win: Argo
Could win: Zero Dark Thirty
Should win: Argo
Should have been nominated: Skyfall
Did win: Argo
Beste Kamera
Will win: Life of Pi
Could win: Skyfall
Should win: Skyfall
Should have been nominated: The Master
Did win: Life of Pi
Bestes Produktionsdesign (vormals beste Kulisse)
Will win: Life of Pi
Could win: Les Misérables
Should win: Der Hobbit: Eine unerwartete Reise
Should have been nominated: Cloud Atlas
Did win: Lincoln
Beste Kostüme
Will win: Anna Karenina
Could win: Spieglein, Spieglein
Should win: Spieglein, Spieglein
Should have been nominated: Cloud Atlas
Did win: Anna Karenina
Bestes Make-Up & Haarstyling
Will win: Der Hobbit: Eine unerwartete Reise
Could win: Les Misérables
Should win: Der Hobbit: Eine unerwartete Reise
Should have been nominated: Lincoln
Did win: Les Misérables
Beste Originalmusik
Will win: Life of Pi
Could win: Skyfall
Should win: Life of Pi
Should have been nominated: Cloud Atlas
Did win: Life of Pi
Bester Originalsong
Will win: Skyfall
Could win: Ted
Should win: Skyfall (“The Chasing Ice” nicht gesehen, aber Song auf YouTube gehört)
Should have been nominated: Snow White and the Huntsman
Did win: Skyfall
Bester Ton
Will win: Les Misérables
Could win: Skyfall
Should win: Les Miserables
Should have been nominated: The Impossible
Did win: Les Misérables
Bester Tonschnitt
Will win: Skyfall
Could win: Zero Dark Thirty
Should win: Django Unchained
Should have been nominated: Marvel’s The Avengers
Did win: Skyfall & Zero Dark Thirty
Beste visuelle Effekte
Will win: Life of Pi
Could win: Marvel’s The Avengers
Should win: Life of Pi
Should have been nominated: Cloud Atlas
Did win: Life of Pi
Bester fremdsprachiger Film
Will win: Liebe
Could win: Rebelle
Should win: Liebe (“No” nicht gesehen)
Should have been nominated: Ziemlich beste Freunde
Did win: Liebe
Bester animierter Film
Will win: Merida
Could win: Ralph reicht’s
Should win: Die Piraten
Did win: Merida
Bester Dokumentarfilm
Will win: Searching for Sugar Man
Could win: The Gatekeepers
Should win: Searching for Sugar Man (”The Gatekeepers” nicht gesehen)
Did win: Searching for Sugar Man
Bester Kurzfilm
Will win: Curfew
Could win: Henry
Should win: Henry
Did win: Curfew
Bester animierter Kurzfilm
Will win: Paperman
Could win: Adam and Dog
Should win: Paperman
Did win: Paperman
Bester Dokumentarkurzfilm
Will win: Mondays at Racine
Could win: Incocente
Should win: – (nur Inocente gesehen)
Did win: Inocente
Abschließend, für alle jene, die es interessiert: meine Rangreihenfolge der neun “Best-Picture“-Kandidaten. Gleich vorweg sei gesagt, dass ich sie allesamt sehr stark fand beziehungsweise das Filmjahr 2012 als eines der besten seit 1999 sehe – mit zusätzlichen Meilensteinen wie “Vielleicht lieber morgen“, “Looper“, “Cabin in the Woods“, “Moonrise Kingdom“, “Marvel’s The Avengers“, “Cloud Atlas“ und natürlich das oft von mir gelobte “Skyfall“ gespickt. Wirklich “Probleme“ hatte ich nur mit einzelnen, dezent langatmigen Passagen aus “Les Misérables“ (was die hammerharten Sterbeszenen komplett ausgleichen konnten) sowie dem letzten Drittel von “Django Unchained“.
- Silver Linings Playbook
- Lincoln
- Argo
- Les Misérables
- Life of Pi
- Beasts of the Southern Wild
- Zero Dark Thirty
- Liebe
- Django Unchained