Kürzlich kündigte ich auf Facebook Andys Artikel “Das Jahr der wahren Killerspiele” etwas flapsig mit “Überall Killerspiele” an. Das hat nicht jedem Leser gefallen. Zugegeben, ich hatte die Klammer um “Killer” vergessen.
Zwei Redakteure namhafter Onlinemagazine meldeten sich. Der eine kommentierte: “Wir wären ja schon mal einen Schritt weiter, wenn Spiele-Journalisten aufhören würden, das BILD-Wort “Killer-Spiele” zu nutzen”. Der andere würde ebenfalls auf das Wort verzichten, “weil einfach zu viel unterschwellig” transportiert wird. Als Stilmittel würde er es aber akzeptieren. Wohlgemerkt es ging um einen Artikel über schleichende Mörder und nicht um die Beckstein’sche Umdeutung eines Genrebegriffs.
Anschließend ging es inhaltlich um Sprachgefühl, unnötige Anglizismen und Ursprungsbedeutungen. Seitdem frage ich mich: Wie schreibt man über Spiele? Ich selbst habe “furchtbare” Dinge getan. Erst kürzlich schrieb ich in einer News “Die Geheimwaffe im Konsolenkrieg”. Stilistisch mag das Bild stimmen, aber einerseits ist es eine Floskel und andererseits ist der Satz geschmacklos. Nur ist der Vergleich so unüblich? Krieg und Spiel haben viel gemeinsam. Ein Spielejournalist bedient sich gerne aus diesem Jargon.
Wir schreiben über “Killstreaks”, “Headshots” und “Shooter” als wären sie ganz alltägliche Dinge. Niemand würde auf die Idee kommen, die deutsche Übersetzung zu benutzen, weil diese Anglizismen die Geschehnisse bequem verharmlosen. Titel wie “Total Annihilation” oder “Total War” erinnern mich persönlich an das Dritte Reich. Mit der Weiterentwicklung des Mediums haben diese Begriffe keinesfalls abgenommen (was man meinen könnte), sondern deutlich zugenommen. Vielleicht weil Videospiele brutaler geworden sind?
Im Grunde genommen geht es um die Seuche, die jeden Fachjournalisten mal erwischt: der Blick aus dem Glaskasten. Sportreporter schreiben gerne von einem “vernichtenden Sieg” oder – ein Klassiker – “the German Luftwaffe strikes again”. Autojournalisten entdecken Vergleiche zwischen einem “Luxusschlitten” und weiblichen Körperformen. Trotzdem finden sie weitere Begriffe um über ihr Fachgebiet zu schreiben. Spielejournalisten können das offenbar nicht.
Aber ist ein “Headshot” kein “Kopfschuss”? Geht es in einem “Hack’n’Slay” um etwas anderes als das “Hacken” und “Abschlachten”? Nicht nur die Begrifflichkeiten sind begrenzt, sondern das Thema an sich. Letztendlich sind Videospiele meist sehr simple Dinge mit klaren Zielvorgaben. Es geht um den “totalen Sieg” und die “Vernichtung” des Feinds. Wundert es euch, wenn ihr außerhalb der Szene nur auf Kopfschütteln stoßt? Wie wirkt der Begriff “Prügelspiel”, nachdem ein Mann von Jugendlichen mutwillig zu Tode getrampelt wird? Ein “Shooter” nach einem Amoklauf? Die Kritik an Vorurteilen und mangelndem “Fachwissen” zeugt nicht von Sensibilität.
Es ist eine verfahrene Situation, ein wahrer “Teufelskreis” aus dem ich kein Entkommen weiß. Lösungsvorschläge nehme ich gerne an.
Ich würde alles unangenehme durch das Wort Banane ersetzten
Wäre das nicht sexistisch?
Warum sind Bananen sexistisch?
Ach, du meinst die Obstsorte.
Guter Artikel. Schade, dass er sich nicht ausführlicher mit dem Thema beschäftigt. Wäre ein gut Artikel für die aktuelle WASD gewesen :P
Die Frage ist halt, ob sich am angesprochenen Dilemma was geändert hätte, wenn der Artikel ausführlicher ausgefallen und weitere Beispiele angeführt hätte. Im Prinzip wäre das Fazit doch gleich geblieben, oder?
Danke. Stimmt, hätte ich ausführlicher gestalten können. Der Artikel war für mich aber als Denkanstoß gedacht und insofern in der Länge auch ok.
Das Dilemma besteht doch im eigentlichen darin, dass die Darstellung von Gewalt nie Gewalt selbst ist (also reale Gewalt an Lebewesen). Die Darstellung von Gewalt, sei es im Film, Buch oder Spiel ist immer nur eine Visualisierung (auch imaginär).
Gewalt an sich ist Krieg, Mord, Foltern, etc. Diese Gewalt wird aber nicht visualisiert! Also für einen Konsumenten aufbereitet. Jetzt würde man sagen, ja es gibt noch Nachrichten? Trotzdem sind die Ausschnitte die dem Publikum präsentiert werden, wohlfein gewählt und niemals blanke Gewalt. Es werden Menschen gezeigt die schießen, Waffen tragen oder Opfer. Doch niemals wird der Kampf gezeigt. Es wird nur aus einer gewissen Distanz berichtet.
Und genau hier liegt der Unterschied! Das was Filme, Bücher oder Spiele an Gewalt visualisieren “ist keine Gewalt”.
Sie tut keinem weh. Sie verletzt keine Menschen oder andere Lebewesen.
Genau das ist der Kern des ganzen. Deshalb sind nicht nur Spiele in diesem Dilemma. Es ist einfach der falsche Begriff.
Was hat ein Call of Duty mit Mohrhuhn gemein? Es sind Bits und Bytes. Eins wird zu Null.
Nur wenn das Löschen einer Eins zu einer Null Gewalt ist, dann kann man Spielen auch Gewalt anhängen.
tschön Abend noch
Interessanter Denkansatz, den ich aber nicht ganz unterstützen kann. Selbst visualisierte Gewalt kann in einem Menschen das auslösen, was physische Gewalt in der Regel auslöst, nämlich eine Art von Schmerz oder Ekel oder ähnliches. Dafür ist der Mensch dummerweise mit seinem Geist und seinem Vorstellungsvermögen so ausgestattet, dass er sich aus der Visualisierung heraus sehr wohl das “Echte” vorstellen kann. Je authentischer die Visualisierung, desto leichter fällt es der Fantasie des Menschen.
Ein Beispiel, das mich persönlich betrifft: “Dead Space” hat bei mir derart Unbehagen und Ekel hervorgerufen, dass ich aufhören musste, es zu spielen. Das ist mir bislang mit keinem Spiel so gegangen, und ich habe seit fast 25 Jahren sehr viele – und auch teils sehr gewalthaltige – Spiele gezockt. Bei “Dead Space” ist der Visualisierungsgrad allerdings so hoch, dass er – trotz der Tatsache, dass es sich nur um Bits und Bytes handelt – bei mir eine klare Wirkung hervorruft, die über das Visualisierte hinausgeht.
Das Gleiche passiert bei bestimmten Filmen und sogar Büchern! Lediglich die Stärke der Wirkung ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, aber es ist zu simpel zu argumentieren, es handele sich nicht um “echte”, sondern nur “imaginäre” Gewalt. Es kommt auch auf die Wirkung an, auch wenn das natürlich nicht aus harmlosen Spielern amoklaufende Mörder macht. Das Dilemma bleibt für mich aber eindeutig bestehen…
Dennoch ist rein visualisierte Gewalt nicht körperliche Gewalt. Vielleicht ist es somit eher eine Art von psychischer Gewalt!?
Mal nen Link zur Definition: http://www.gewaltinfo.at/fachwissen/formen/psychisch/
Vielleicht fehlt dazu einfach eine Unterform … quasi die “virtuelle Gewaltdarstellung”.
Richtig, visualisierte Gewalt ist nicht physische Gewalt! Das habe ich hoffentlich auch nicht behauptet. Sie kann aber nach meiner Überzeugung bei Menschen Dinge auslösen, die durchaus über das rein visuelle Erleben hinaus gehen. Ist vielleicht auch nicht mit physischer Gewalt gleichzusetzen, weil die aktive “Anwendung” bei der visualisierten Gewalt fehlt – und die braucht es auch für die physische!
Für mich liegt das Problem eher in der Folge, also in dem, was auch visualisierte Gewalt bei Menschen hinterlassen kann!
Da stimme ich zu.