Wie oft habe ich mir beim Spielen die Frage gestellt: „Wer braucht noch so einen Actiontitel wie diesen?“ Ich habe die meisten längst vergessen, kein Wunder. Baller- und Keilerei aus der Retorte, für die vermeintliche Zielgruppe.
Und die wiederum hat in Wahrheit gar kein Interesse an Massenmarktprodukten ohne Herz. Vermute ich. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso Werke wie Codemasters’ „Damnation“, Konamis „Neverdead“, Namcos „Knights Contract“ oder Capcoms „Dark Void“ floppen mussten. Sicher spielte die allgemeine Produktqualität eine nicht unwesentliche Rolle. Trotzdem: Genannte Spiele besaßen populäre Elemente, teils sogar frische Ideen, kamen aber beim Publikum nicht an. Missglückte Franchise-Einführungen waren es nebenbei auch.
Zu dieser Liste gesellt sich ein weiterer Titel. Was mir bei diesem schleierhaft ist: Wie kann es passieren, dass sowas wie „Inversion“ von Namco Bandai quasi durchgewunken wurde? In meinem Kopf schwirren dann solche Szenarien herum…Beliebiger Typ von Entwickler Saber Interactive: „Also das ist unser neuer Shooter. Voll Endzeit und so. Und wenn ihr uns ein paar Millionen überwiesen habt, basteln wir eine Art „Gears of War“. Mit Deckung nehmen und ganz dolle bösen Kreaturen. Die heißen Ludadoren. Kreativ, nicht wahr? Und der coole Held verliert seine Familie, sucht verzweifelt seine Tochter und erhält Unterstützung von KI-gesteuerten Kollegen. Koop ist ja trendy bei den Kids. Gebt ihr noch einmal fünf Millionen dazu, können wir euch ein AAA-Blockbuster mit Online-Koop anbieten. So oder so haben wir eine grenzgeniale Innovation am Start. Wir nennen sie Gravitation.“
Beliebiger Entscheider von Namco Bandai: „Soso. „Gears of War“? Hat sich millionenfach verkauft. Prima. Endzeit? Koop? Und es gibt dicke Wummen, ja? Ganz viel Zerstörung muss schon sein, darauf steht der Mob. Okay? Gebongt. Aber die fünf Millionen bekommt ihr nicht extra. Und Gravi..was? Nie von gehört. Na, macht mal. Wir haben eh noch Kohle übrig und müssen zum Quartalsende irgendwas abschreiben…“
Ihr könnt es euch denken: „Inversion“ ist letztlich ein Spiel, das für den Wühltisch erschaffen wurde. Interessante Ansätze oder gar Alleinstellungsmerkmale? Klar, die gibt’s. Nur der Großteil ist so unglaublich durchschnittlich, dass es mich kaum wundert, wenn niemand zum Kauf motiviert wird. Schaue ich mir an, wie der Onlinemodus einige Tage nach der Veröffentlichung genutzt wird, bestätigt dies meine Einschätzung: Keiner mag „Inversion“ haben und spielen.
Genug blabla. „Inversion“ funktioniert. Ihr pilgert durch zerstörte Schauplätze und begutachtet die generischen Gebiete. Sobald ihr irgendwo Deckung nehmen könnt, sind die Feinde nicht weit. Was diese von euch wollen? Euer Leben natürlich. Jedenfalls knallt ihr sie in typischer „Gears of War“-Manier über den Haufen, eure KI-Mitstreiter agieren selbständig und solide. Ihr folgt einer finsteren Handlung, die weder Emotionen weckt, noch in sich schlüssig ist. Logiklücken? Unzählige. Witzig fand ich: Wochen nach dem Überfall der seltsamen Gegner, die etwas an die Locust oder die Bestien („Resistance“) erinnern, besucht der Held (Name vergessen) seine alte, völlig zerstörte Wohnung. Und dort brennt es noch immer? Ähm. Genau. Auch ist völlig unklar, wieso ihn sein Kumpel überhaupt begleitet. Na, um irgendwann voll dramatisch das Zeitliche zu segnen? So muss es sein! Ansonsten entdeckt ihr hier und da typische Funktionen: Ihr sprintet von Deckung zu Deckung, werft Granaten, bekommt Unterstützung von Mitstreitern, nutzt ein Scharfschützengewehr, zerlegt Maschinen, aus denen Feinde strömen („Gears of War“-Kenner wissen, was ich meine), und so weiter. Das alles klappt, ja! „Inversion“ ist vernünftig spielbar, hebt mich nur nicht an. Die Charaktere sind mir total egal, das Spielkonzept setzten mir schon viele andere Entwickler vor und die Grafik hat sich auf den ersten Blick gegenüber „TimeShift“ aus dem Jahr 2007 nicht sonderlich weiter entwickelt. Oh, „TimeShift“. Ebenfalls von Saber Interactive. Ebenfalls ein Flop. Zufälle gibt’s… „Inversion“ bietet mir aber eine Sache, die mir echt gefällt. Die Gravitation samt einer modernen Physik-Engine. Ihr könnt dank eines Anzuges und später einer Grav-Gun die Erdanziehungskraft manipulieren, beispielsweise Gegenstände und Fieslinge schweben lassen. In der Luft zerballert ihr sie. Oder ihr bringt sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Wenn Leichenteile umher schwirren, verdeutlicht euch „Inversion“, wieso sich Namco Bandai keine Veröffentlichung in Deutschland traute. Sei’s drum. Bedauerlich ist ohnehin mehr, dass die Gravitations-Elemente redundant zum Einsatz kommen. Ständig bezwingt ihr Kontrahenten auf die ähnliche Art und Weise, flexiblen Spielraum beim Kämpfen oder Herumschleudern von Objekten geben euch die Entwickler nicht. Zu berechenbar und ständig ähnlich. Dabei hätte die Gravitation doch so viele Möglichkeiten geboten. So ist sie ein neckische Sache, die fein aussieht und Spaß bereitet – bis sich die Verwendung ermüdet und euch langweilt. Hart genommen ist das Kernelement jetzt auch nicht sooo neu – siehe „Dark Void“ (Flop), „Fracture” (Flop), „Star Wars: The Force Unleashed” (oh, kein Flop), „Red Faction: Armageddon“ (Flop), zuletzt „Gravity Rush“ (Flop) und so weiter…Noch etwas vergessen? Endbosse? Zerstörbare Deckungen? Gelegentliches Fliegen? Okay. Das war’s. Insgesamt ist „Inversion“ wahrlich kein Totalausfall, vor allem dank der Gravitations-Komponente. Sonst allerdings ist alles so unfassbar mittelmäßig und altbekannt, dass mir meine anfänglichen Gedanken wieder in den Kopf kommen. Wer nimmt solche Spiele ab? Wieso veröffentlicht Namco Bandai so etwas? Und kennen die Verantwortlichen beim Publisher eigentlich Spiele von der Konkurrenz? Da muss sich doch niemand beschweren, wenn potentielle Käufer neue Marken nicht annehmen – wenn originäre Ideen nicht ausgebaut werden und sich die Entwickler stattdessen auf Schema-F konzentrieren, weil es halt…tja….bewährt ist? Verstehe einer diese seltsame Logik….
Schöner Test! Die M! Games hatte mit 67 Prozent eine sehr ähnliche Meinung vom Titel. Aber eigentlich ist er obsolet, und da er nicht hier veröffentlicht wird und auch keine USK-Einstufung hat, sowieso für uns nicht relevant. Namco Bandai geht also wohl auch mitnichten von einem Verkaufserfolg aus. Wieso sowas dann entwickelt wird? Keine Ahnung, vielleicht ist ja beim Hersteller irgendjemand mit jemanden bei Namco verwandt?