Turrican: Ein Wort, das von vielen C64- und Amiga-Usern mit Ehrfurcht ausgesprochen wird. Und ein echtes Phänomen, an das sich anscheinend kein anderer Entwickler heran zu wagen traut. Denn mal ehrlich: Wie viele vergleichbare Action/Jump’n’Runs, die mehr als lineare Schlauchlevels und einen frei drehbaren Laserstrahl bieten, kennt ihr? Trotz der großen Beliebtheit des alten Hits von Manfred Trenz und Factor 5 gab es bislang keinen würdigen sowie kommerziell vermarkteten Nachahmer – bis heute.
“Gunlord“ ist da – oder besser gesagt die bezahlbare Umsetzung für Segas Dreamcast. Denn das Neo-Geo-Original konnten Die-Hard-Fans bereits vor ein paar Monaten für mehrere Hundert Euro erstehen. Es ist nicht das erste Spiel von NG:Dev.Team, siehe die beiden Shoot’em Ups “Last Hope“ und “Fast Striker“. Doch es ist das erste ganz im Geiste von “Turrican“: Genau wie vor 20 Jahren lauft ihr mit einem kräftig bewaffneten Recken durch teilweise außergewöhnlich große Levels, in denen es nicht nur ein Ziel, sondern auch zahlreiche Diamanten bestückte Sackgassen zu entdecken gibt. Das Suchen und Erkunden wird mit Punkten sowie Extraleben belohnt – wobei letztere in “Gunlord“ bedeutend rarer als im Vorbild sind.
Wer sich das Equipment genauer anschaut, der registriert weitere Gemeinsamkeiten. Dazu gehören sowohl das Rad, mit dem ihr durch enge Gänge rollt, ein Großteil der Waffensysteme und natürlich der markante sowie frei drehbare Laser. Letzterer offenbart gleichwohl zwei Unterschiede zu “Turrican“: Einerseits wütet er durch fest Wände, Böden sowie Decken hindurch, andererseits verbraucht er Energie, die sich erst nach ein paar Sekunden vollständig regeneriert hat.
Das Leveldesign erinnert mich an “Super Turrican“. So sind die Geheimräume und Sackgassen zwar zahlreich, aber in Punkto Größe überschaubar. Die Gegner ähneln in meinen Augen ebenso der Super Nintendo-Episode, egal ob auf Form, Farbe oder Verhalten bezogen. Große Besonder- oder gar Eigenheiten solltet ihr nicht erwarten, wohl aber eine liebevolle Erinnerung an die alte Zeit.
Zu guter Letzt könnt ihr im Startmenü zwischen zwei grundlegenden Spieloptionen wählen: dem Original und dem Arcade Modus. Bei letzterer Spielart ärgert euch ein zusätzliches Zeitlimit, weshalb ihr in den zahlreichen Verstecken auch keine Extraleben, sondern nur noch Sekundenboni vorfindet. Zudem müsst ihr bei einem Einsatz eines Continues, von dem ihr pro Spielversuch drei Stück besitzt, den derzeit gespielten Level komplett von vorne beginnen.
Halt, Stop: Irgendwie klingt mein Erfahrungsbericht viel zu nüchtern und viel zu langweilig. Reden wir Tacheles: Ich mag “Gunlord“. Es spielt sich wirklich wie ein potenzielles “Turrican 4“, bietet eine spektakulär-bunte Grafik, an der nebenbei bemerkt der legendäre Niederländer Henk “Lionheart“ Nieborg beteiligt war, und wird von einem treibenden Soundtrack begleitet.
Rafael Dyll heißt der Mann, der in die extrem (!) tiefen Fußstapfen des Herren Chris Hülsbeck getreten ist – schließlich war die “Turrican“-Musik der Motivationskern überhaupt. Das Ergebnis, fragt ihr? Das ist erfreulich positiv: Beim ersten Anhören wollten die Themen noch nicht zünden, denn Dyll hat nicht ganz das Talent für Instant-Ohrwürmer wie Hülsbeck. Doch dafür sind seine Stücke etwas komplexer und beinhalten eine zaghafte Entwicklung. Besonders stark sind die Musikstücke der ersten sowie letzten Stage: Das eine ist in zwei Variationen vorhanden, wobei die ruhigere der beiden von einer traumhaften Instrumentierung lebt. Das andere klingt sehr hart und äußerst eindringlich, erneut dank einer geschickten Wahl der Synthie-Klänge.
NG: Dev.Team hat im Kern eine starke Arbeit abgeliefert, hinterlässt jedoch in einigen Details Defizite. Am meisten irritiert mich der Umfang von “Gunlord“: Insgesamt gibt es neun Stages (der finale Endkampf ausgeklammert) mit jeweils eigenen Hintergrundgrafiken. Einige davon, wie die erste, die dritte oder die achte, sind überaus voluminös und beschäftigen euch jeweils bis zu einer Viertelstunde. Andere hingegen dauern keine drei Minuten an.
Dies mutet speziell im Falle der zweiten Stage seltsam an, weil es sich hier um den einzigen klassischen Shoot’em Up-Abschnitt des gesamten Spiels handelt. Für diesen benötigt ihr keine 100 Sekunden, bis ihr den abschließenden Endboss erreicht habt.. Ich frage mich ernsthaft, wieso die Entwickler überhaupt für solch eine kurze Zeitspanne die Ressourcen für das alternative Spielprinzip eingeräumt haben.
Weiterhin stört mich der stark schwankende Schwierigkeitsgrad: Die meiste Zeit über ist das Spiel fair und die Spielbarkeit grandios. Pro Leben besitzt ihr drei Energiepunkte beziehungsweise verkraftet drei Feindberührungen. Im Gegensatz zu “Turrican“ werdet ihr nicht immer an Ort und Stelle wiederbelebt, sondern im Falle eines Bossgegners an einen nahe gelegenen Kontrollpunkt. Und damit beginnt das Fluchen: Solltet ihr bei einem solchen Endkampf die Segel streichen, erhält auch das Ungetüm seinen kompletten Lebensenergiebalken zurück.
Die mit Abstand mieseste Stelle in ganz “Gunlord“ ist der erste Zwischengegner in der dritten Stage: Der feuert nicht nur kräftig um sich und versucht euch ständig zu rammen. Ihr selbst habt kaum Bewegungsspielraum, weil euch nur ein paar sehr schmale Plattformen zur Verfügung stehen, unter denen der tödliche Abgrund lauert. Ihr benötigt Geduld, sehr starke Nerven sowie ein gutes Auge, was das Springen anbelangt. Einige der darauf folgenden Endgegner sind sinnigerweise sehr einfach, wenn ihr euch zu Kampfbeginn ganz frech in eure nahezu unverwundbare Radform verwandelt.
Die Grafikbugs kann ich schon eher verzeihen: In einem Fall verschwand urplötzlich ein im Hintergrund schwebendes Objekt, an anderer Stelle verpufften wie von Zauberhand ein paar gegnerische Projektile. Abschließend solltet ihr im Hauptmenü die A-Taste zur Wahl von Original- oder Arcade- Modus betätigen. Drückt ihr hingegen wie ich auf Start, dann beginnt stets ersterer.
Nun bleibt noch das abschließende Resümee, das wie folgt lautet: “Turrican“-Fans greifen bedenkenlos zu. Har har!
Ernsthaft: “Gunlord“ ist nicht perfekt und könnte vor allem eine bessere Balance in Sachen Stagelänge sowie Schwierigkeitsgrad vertragen. Aber die Grafik ist knallbunt, die Musik herausragend, die Spielbarkeit bereitet niemanden Kopfschmerzen und überhaupt erinnert das ganze Flair an das legendäre Vorbild “Turrican“. Eine echte Fortsetzung des Klassikers werden wir sowieso niemals bekommen. Aber vielleicht ist “Gunlord“ für andere Hobbyentwickler Anreiz genug, um ihren eigenen Klon zu bewerkstelligen. Mit zunehmender Konkurrenz steigert sich vielleicht auch das Bestreben nach Perfektion in der Kategorie “Bestes Turrican aller Zeiten“…
“Gunlord” könnt ihr übrigens auf der Entwickler-Webseite erstehen.
Ohhh, Andy! Hast Du den Glauben an eine echte Fortsetzung des wohl besten Run-and-Gun aller Zeiten wirklich verloren? Manni Trenz selber will doch angeblich wieder Hand daran legen, was man so aus einigen Kreisen hört. Könnte natürlich auch nur ein Versuch des PR-Gags sein, wobei “Turrican”-Fans auf sowas gerne verzichten können.
Aber ich gebe Dir ja recht: “Turrican” funktioniert wohl nur so, wie die ersten drei Teile – mit Ablegern – konzipiert waren. Eine Übertragung in moderne 3D-Grafikgewänder wäre zwar durchaus möglich, würde aber ein anderes Spiel abgeben, und somit von vornherein den Fan enttäuschen. Drum bleibe ich bei meinen Erinnerungen an diese legendäre Spielserie und schau mir vielleicht auch mal “Gunlord” an…
Naja, Spiele wie Gunlord gibt es ja unzählige, insbesondere auf den 16 Bit Konsolen. Turrican ist ja nur eine Serie, die auch nur hierzulande so bekannt ist, weil sie eben von einem Deutschen ersonnen wurde.
Allerdings reizt mich schon, den Titel wenigstens mal anzuschauen.
Ich bin allerdings auch schon gespannt, was der gute Manfred Trenz da irgendwann abliefern möchte.
PS: Nichts gegen Turrican. Ich gehöre zu der raren Sorte, die mir die Teile damals für den Commodore 64 (weil ich noch keinen Amiga hatte als Turrican 2 erschien) als Original gekauft haben!
Erwischt! Ein gewisses der Verklärung hinsichtlich der “Turrican”-Spiele kann und will ich auch gar nicht verleugnen. Da ich damals keine Konsolen besessen habe, sind mir die legendären Titel auf Mega Drive & Co. glatt durchgerutscht. Trotzdem behaupte ich einfach mal, dass “Turrican” einer der wenigen deutschen Produktionen zu dieser Zeit war, die den japanischen Kreativentwicklern das Wasser reichen konnte.
Dem stimme ich unumwunden zu! Es ist ja auch eigentlich eine tolle Sache, das ein Mann so ein super Spiel damals geschaffen hat und viele gute deutsche Spiele gab und gibt es ja ohnehin nicht.
Alleine der Soundtrack von Chris Hülsbeck gehört nicht ohne Grund heute zu den populärsten Chiptunes überhaupt.
Dass Turrican auf SNES und Mega Drive mit Super und Mega Turrican, zwei tolle Spiele, allerdings in der Masse ziemlich untergingen ist unumstritten. Dennoch sind es natürlich gute Spiele aber es gab solche Titel damals eben dutzendfach.
Einzig vielleicht Metroid (insbesondere Super Metroid) ist noch mal in einer anderen Liga angesiedelt (aber das pendelt da oben an der Spitze sowieso reicht einsam rum).
Endlich mal ein Blog der schön aussieht ! Und sogar flott arbeitet !
Zu Gunlord selbst, hab es noch nicht gespielt, aber die Intro Musik höre ich seit 4 Jahren immer wieder mal, so gut ist die.
Viele der Bugs und Probleme wurden mit Version 1.1 (gibt es auch für das MVS Modul, die haben eine USB Schnittstelle für Updates eingebaut :) ) behoben.
Das Intro der MVS Version ist besser, vor Gericht sagt Gunlord
“Bitches ! Die in hell” und bei der DC Version “You are cute ! Die in hell”
dann ist die Tonqualität der MVS Version noch besser, da unkomprimiert, und die Sprachausgabe im Intro fehlt bei der DC Version völlig !
Jedenfalls ist hab ich die Intros beider Versionen zig mal auf YT angeschaut, und da viel mir das auf (das der Ton schlechter ist, hab ich von 2 Youtube Reviewern gehört)