Immer dann, wenn altgediente Zocker von früheren Zeiten reden und diesen hinterher trauern, da kommt von irgendwoher ein altkluger Satz á la „Stimmt ja gar nicht, das sind nur verträumte Nostalgiegefühle!“. Heute, liebe Kinder, kann ich euch ein trauriges Beispiel dafür liefern, dass es manchmal doch stimmt? Und das von jemandem, der die Phrase „Früher war alles besser!“ eigentlich als pauschalisierten Unsinn bezeichnet…
Jubiläumsausgabe
Das Remake zu “Gabriel Knight“ ist da, passend zum 20…. äh… 21. Geburtstag! Weg mit den groben Pixeln, her mit den hochauflösenden Grafiken, modernisierte Jane Jenson ihren eigenen Klassiker für eine neue Generation von Spielern. Wobei sich gleich die zynische Frage stellt: Will diese das überhaupt, wenn heutzutage Titel wie “Destiny“, “Diablo 3“ oder “Clash of Clans“ den Süchtigen ihre Zeit raubt?
Nein, nein, um Gottes Willen! “Gabriel Knight“ war, ist und bleibt ein klassisches Point’n’Click-Adventure. Das Genre erfreut sich zwar wieder einer soliden Beliebtheit, aber es lässt sich im Gegensatz zu Shootern immer noch schwer auf globaler Ebene verkaufen. Die Zielgruppe ist entsprechend klar definiert und größtenteils versiert – sprich: Sie weiß Bescheid und ich mutmaße ganz frech, dass die meisten potenziellen Käufer des Remakes bereits das Original kennen bzw. es gar gespielt haben.
Ich selbst musste dies klammheimlich (*hust*) nachholen, was sich auch gelohnt hat. Und nun, nur wenige Wochen später, bin ich mit dem Remake durch und bezweifele ernsthaft den Sinn dahinter. Story-technisch hat sich so gut wie gar nichts geändert, von einer leicht veränderten Reihenfolge diverser Ereignisse abgesehen. Wieder seid ihr als leidlich erfolgreicher Schriftsteller einer Voodoo-Geschichte auf der Spur, die nur auf den ersten Blick nach einer “gewöhnlichen“ Mordserie mit dem üblichen Ritualsbrimborium riecht. Denn je tiefer ihr euch in den Fall versteift, desto mehr Übernatürlichkeiten kommen ins Spiel. Dabei überschreitet “Sins of the Fathers“ nie die Barriere der Unglaubwürdigkeit und vermittelt durch seine gekonnt geschriebenen Dialoge eine sagenhafte Mystery-Atmosphäre – damals wie heute.
Neuer Sprecher? Ohje!
Doch herrjeh, was ist denn da bei der Synchronisation passiert? Eigentlich stimmt fast alles, egal ob Grace, Malia oder die Erzählerin, die bei weitem nicht so nervig rüberkommt wie vor zwei Dekaden. Aber was in aller Herrgotts Namen hat Pinkerton Road bei der Wahl des neuen Gabriel-Knight-Sprechers geritten?!? Der ist gelinde gesagt eine Katastrophe – er klingt viel zu cool und viel zu (sorry für den Ausdruck) schwul. Das ist deshalb schlimm, weil Gabriel eigentlich ein kerniger Schönling sein soll, der die Frauenwelt mit seinem Charme und seiner Stimme in Sekunden zu Boden kriechen lässt. Aber das hier ist einfach lachhaft und macht einen ganzen Batzen der oben beschriebenen Glaubwürdigkeit kaputt.
So viel zum Offensichtlichen, nun kommen wir zum Balanceakt meiner eigenen Schreibkunst: Wie erkläre ich meinen Lesern, dass die neue Grafik allen ernstes schlechter als die alte ist? Natürlich erstrahlen die Hintergründe hochauflösend und zeigen viel mehr Details. Freilich profitieren die Polygonmodelle der Charaktere von feineren Animationen als ihre gezeichneten Bitmap-Counterparts. Aber alles zusammen genommen sieht es künstlich und nach Plastik aus. Im schlimmsten Fall wirken die Figuren wie in ein statisches Bild hinein kopiert, anstatt als Gesamtwerk eine natürliche Homogenität auszustrahlen.
Das alte “Gabriel Knight“ mag für heutige Verhältnisse grob und pixelig aussehen, aber es holte aus seiner limitierten Technik das Maximale heraus. Nur der Park sah 1993 aufgrund einer seltsam gewählten Perspektive leer und unnatürlich aus – was jedoch in der Neuauflage ebenso der Fall ist. Der direkte Vergleich beider Versionen zeigt jedenfalls, warum Pixelgrafik seit Jahren eine Renaissance feiert: Weil man dort mit weniger Mitteln mehr erreichen kann. Wenn sich der Spieler an die abstrakte Darstellung gewöhnt, dann entstehen für ihn satte Atmosphäreschübe. Denn die Details, die man nicht sieht, entwickeln sich im Kopf. Solche Grauzonen der Fantasie lässt das Remake nicht zu – und weil dort eben nicht alles Zucker ist, fällt jede Ungereimtheit viel stärker auf.
Die Rätsel haben Jane Jenson & Co. hingegen fast eins zu eins übernommen, inklusive des umstrittenen “Wie komme ich an den Umhang der Tänzerin?“-Quatsch und der hanebüchenen “Wie kann ich die Adresse einer alten Frau von einer Tierarztpraxis ergaunern?“-Geschichte. Die größte Veränderung betrifft ein Puzzle rund um einen HotDog-Stand, das man gegen ein langweiliges Einbruch-Szenario eingetauscht hat. Im Gesamten sehe ich hier auch keinen echten Zugewinn. Wirklich positiv ist nur die bereits erwähnte neue Reihenfolge der Ereignisse, die in der Tat die Menge der zu besuchenden Orte übersichtlicher sortiert.
Ich glaube durchaus, dass Jane Jenson an ihr Remake glaubt. Es ist für die Mittel, die sie und ihr Team Pinkerton Road besitzen, gelungen – von der entsetzlichen Sprecherwahl Gabriels abgesehen. Aber es zeigt wunderbar wie leider, warum solche Remakes mehr benötigen als nur einen “guten Willen“. Das neue “Gabriel Knight“ wirkt atmosphärisch verletzlicher, gerade aufgrund der hochauflösenden Grafiken. Die Musik wurde ein wenig aufgebohrt, klingt aber weiterhin zu sehr nach Synthi und nach Midi, um einen echten Unterschied auszumachen. Das eigentliche Problemkind, namentlich das Rätseldesign, blieb nahezu unangetastet. Zwar gibt es eine Ingame-Hilfe, die aber in der derzeitigen Form lückenhaft und verbuggt ist. Zudem sagt der Zyniker in mir: Wer braucht sie im Zeitalter des Internets, wo ich die Lösung des Originals auf hundert verschiedenen Webseiten nachschlagen kann?
Deshalb rate ich ernsthaft zum Kauf des Originals, das ihr genau wie das Remake auf GOG legal erwerben könnt und zudem eine ganz Ecke billiger ist.
Tja, ich schrieb es ja schon mal, ich verstehe Remakes nicht, die grafisch nicht wirklich was reißen. Wo ist der Sinn? Bei einem Shadow Warrior war das ein wenig anders. Die Grafik des Remakes ist auch bei weitem nicht auf aktuellem Stand. Aber trotzdem, gerade weil es ein Ego-Shooter war, eine starke Bereicherung. Dazu kommen dann optimierte Steuerung, neue Zwischensequenzen und ähnliches, was das Spiel stark aufwertet. Aber hier?
Und ehrlich gesagt, ich verstehe auch Jane Jensen nicht, die hat doch mit Gray Matter vor einiger Zeit schon ein Adventure mit aktueller Adventure-Grafik abgeliefert. Wobei auch das Spiel in erster Linie durch die Story überzeugte aber z.T. grottiges Gameplay / Rätseldesign aufwies. Warum danach technische Katastrophen (in erster Linie bei den Charaktermodellen und Animationen) wie Moebius, Gabriel Knight oder auch Cognition. Vor allem sieht man, dass die Games alle mit den gleichen Tools gemacht sind. Dabei sind die Hintergründe sogar recht gut – aber eben die Charaktermodelle, die gehen irgendwie gar nicht. Da hätte man doch spätestens nach Moebius mal neue Animationssoftware einsetzen müssen.
Vielleicht mag ich aber auch einfach das Studio nicht. Die haben mit Silver Lining ja damals ein kostenloses King’s Quest Fanadventure machen wollen. Dann durften sie den Namen nicht mehr benutzen und plötzlich wurde aus dem Freeware-Spiel ein (Episoden) Bezahlspiel. Da hat mich schon immer interessiert, ob die Fans, die kostenlos mitgearbeitet haben, da dann auch an den Einnahmen beteiligt wurden?
Danke für den ehrlichen Standpunkt!
Für mich stellte die Erscheinung der Neuauflage nur einen Reminder dar, mich noch mit den Originalen auseinanderzusetzen. Ich stieß immer wieder mal auf Artikel und Videos über die Reihe, aber so wirklich angesprochen fühlte ich mich davon nicht.
Mir kommt es bei den modernen Point & Clicks aber öfters so vor, als würde man versuchen maues Rätseldesign und andere Schwächen durch (verhältnismäßig) moderne Optik vertuschen zu wollen.