Stellt euch vor, ihr würdet ein euch gut vertrautes Naturkundemuseum besuchen. Angefixt von Dinosauriern, prähistorischen Pflanzen und allerlei ausgestopftem Getier stromert ihr weiter durch die Ausstellung. Dann ein Durchbruch im Mauerwerk, dahinter eine Technikausstellung, gleich nebenan ein Postmuseum, außerdem eine Gemäldegalerie und die Frittenbude mit dem goldenen “M”.
Klingt überladen, bestenfalls überambitioniert? Dann versteht ihr das Problem von “Evoland 2″…
Der erste Teil…
Ein Bekenntnis meinerseits: Ich mag das originale “Evoland” und insbesondere die Idee dahinter. Binnen weniger Stunden einen Kurzabriss aller relevanten Rollenspielentwicklungen seit rudimentärer Grafik zu durchlaufen und sich durch zig kleine Anspielungen zu zocken – das war eine Mordsgaudi. “Evoland” war weder perfekt noch mit einer guten Geschichte gesegnet; es reichte aber für das, was es sein wollte.
“Evoland 2” ist grundsätzlich ein Rollenspiel, wird aber in späteren Passagen durch andere Genres aufgelockert. Den Brawler findet ihr ebenso wie das Jump’n’Run, Tanzspieleinlagen, das typische 08/15-Prügelspiel oder einen “R-Type”-Shooter. Wird also die Geschichte aller Videospiele erzählt? Mitnichten.
Statt die Story des Videospielkosmos zu erzählen, versucht sich “Evoland 2” in einer eigenen Saga, die einfach nicht zünden will. Ihr startet als Held, frisch erwacht aus dem Koma, in einem fremden Dorf, über welchem sich Unheil zusammenbraut. Nachdem dort alles krachen geht, werdet ihr von der 16bit- in die 8bit-Ära zurückgeschleudert, aus der ihr versucht, wieder in der Gegenwart anzukommen.Das könnte motivieren, “Evoland 2” in vollen Zügen zu genießen, wäre da nicht der Überfluss an allem.
Schon in den ersten zehn (!) Minuten begegnet ihr…
- …einer ‘Anspielung’ auf das “Wind Waker”-Intro, samt Musik und scrollender Bildtapete
- …entstellten Grafiken aus dem Naruto-Kosmos
- …der Herberge aus “Secret of Mana”
- …einem Rätsel samt Animation bei korrekter Lösung, die rotzfrecht den “Professor Layton”-Spielen entlehnt sind
- …einer unmotiviert herumstehenden Truhe, in der sich ein grünes Wams befindet, das zu tragen sich euer Protagonist verweigert
Binnen dreier Stunden kam es zudem…
- …zu einem Gefecht in einer Arena gegen vier NInja-Eichhörnchen mit verschiedenfarbigen Bandanas
- …der Auswahl aus unlustigen Namen wie “Super Morio”, “Mega Clink”, “Solid Snail”, “Wonderman” und “Dexterminator”
- …einer Hüpfspiel-Sequenz im schlechtesten “Super Mario”-Stil
- …einer Schleichaktion in einem Karton á la “Metal Gear Solid”
- …dem Versuch, sich vor der Genialität der “Zelda”-Dungeons zu verneigen, was in ungeheuer stupiden Schieberätseln mündet
Zu viel gewollt
Ständiger Begleiter sind nicht nur eine nervige Göre und ein zwiegespaltener Dämon, sondern auch die unfassbar schlecht geschriebenen, belanglosen und zwanghaft auf komisch gedrehten Dialoge. Während die Story also dahindümpelt, werdet ihr alle paar Minuten mit einer Anspielung auf ein anderes Highlight eines x-beliebigen Genres konfrontiert. Das ist auf Dauer ermüdend und nervtötend, weil nichts davon konsequent umgesetzt wurde und ergo kaum etwas davon positiv hängen bleibt.
Der Trip in die Nostalgie wird zum Spießrutenlauf durch bis zu 13 Stunden verschiedenster Gameplay-Anbandelungen. Die Entwickler wären gut beraten gewesen nach dem gute “Evoland” ein weiteres Genre komplett auszuleuchten – die Geschichte der Rennspiele, die der Jump’n’Runs oder auch von Egoshootern. Hier aber alles in einen Topf zu schmeißen bringt nichts außer Stirnrunzeln und Frust darüber, wie weit man sich von der Qualität des Originals entfernt hat.
“Evoland 2” könnt ihr bei Steam oder auf der offiziellen Webseite für knapp 20 Euro erwerben.