Ich habe “Divinity: Dragon Commander” erst seit Kurzem auf dem Schirm. Die “Divinity”-Spiele haben mich bisher nicht sonderlich interessiert. Von “Divine Divinty” ist mir nur noch eine teilweise unfreiwillig komische deutsche Vertonung im Gedächtnis geblieben, “Divinity II: Ego Draconis” hat mich lediglich ein paar Minuten bei Laune gehalten, bevor die DVD wieder in der Schachtel verschwand.
Woher also das Interesse an “Dragon Commander”? Es mischt Strategie (Einheiten auf einer Karte produzieren und rumschicken wie in “Total War”), Echtzeittaktik (Schlachten, die durch das Zusammenziehen der Einheiten auf der Karte entstehen in Echtzeit lösen wie in “Dawn of War”), Diplomatie (wie in “Civilization”) und Drachen fliegen zu einem Spiel. Letzteres klang vielversprechend. Teils, weil ich in meinem Herzen immer noch eine nostalgische Schwäche für “Drakan: Order of the Flame” habe, das ich um die Jahrhundertwende mit einer 3D Brille von Asus durchspielte. Und teils, weil es mich an “Dragon Strike” vom Amiga erinnerte. Ich denke, ihr habt es verstanden: Ich wollte einen Drachen fliegen!
Wer wie ich primär aufs Fliegen mit Fantasy-Ungetümen aus ist, wird von “Dragon Commander” ein wenig enttäuscht sein. Ihr merkt dem Spiel deutlich an, dass die Entwickler versucht haben, den Drachen nicht zu übermächtig zu gestalten. Anders ausgedrückt: In den hektischen Echtzeitschlachten kommt ihr nicht weit, wenn ihr euch allein auf’s Feuerspucken verlasst! Stattdessen müsst ihr euch in das ziemlich komplexe Einheitensystem einarbeiten. Dabei ist das Spiel ziemlich gnadenlos: Entwickelt ihr bestimmte Einheiten in der Kampagne zu spät, fehlt euch später unter Umständen der passende Gegenpart im Schere-Stein-Papier-Echse-Spock-System. Dann bleibt euch nichts anderes übrig, als einen Spielstand zu laden, von dem aus ihr strategische Fehlentscheidungen noch korrigieren könnt. Oder ihr beginnt gleich von vorne.
Solche potentiellen Sackgassen gibt es mehrere. Insgesamt habe ich auf dem Schwierigkeitsgrad „Normal“ drei Anläufe benötigt, um den ersten Akt der dreiteiligen Kampagne abzuschließen. Beim dritten Versuch musste ich zu Beginn des zweiten Aktes dann feststellen, dass ich aus der ersten Karte nur mein Gold mitnehmen konnte, nicht aber meine riesige Armee. Normalerweise treibt mich so etwas zur Weißglut. “Dragon Commander” habe ich diese Unbarmherzigkeit aber verziehen. Der Grund dafür? Die Diplomatie. Zwischen den Zügen auf der Strategiekarte treffe ich auf meinem Luftschiff neben allerlei Beratern auch fünf Diplomaten der unterschiedlichen Völker des Fantasyreichs. Die Untoten, Elfen, Zwerge, Imps und Echsenmenschen haben mir als Regenten mehr als nur eine interessante Entscheidung abverlangt!
Dazu muss ich sagen, dass ich der Schreibkunst der meisten Videospielautoren äußerst kritisch gegenüberstehe. “Dragon Commander” ist für mich hingegen ein Paradebeispiel dafür, wie man einfallsreich für Spiele schreiben kann! Es bietet klar charakterisierte Figuren, die euch schnell ans Herz wachsen. Das Werk schafft es mühelos, gängige Fantasy-Klischees aufzugreifen, ohne dabei einfallslos und kitschig zu wirken, und bietet durchweg unterhaltsame Dialoge, obwohl es manchmal vielleicht ein bisschen zu geschwätzig zugeht. Während sich das Ensemble eurer Begleiter in der Regel nicht kurz fasst, sind die politischen Probleme, die euch in der Ratskammer unterbreitet werden, allerdings immer kurz und bündig formuliert.
“Dragon Commander” bewegt sich mit seiner phantastischen Politik dabei in einer Art „uncanny valley“ der moralischen Entscheidung irgendwo zwischen Satire (z.B. wenn es darum geht, ob sich Imps Kanonen auf ihre Veranda stellen dürfen) und kuriosem Gesellschaftsentwurf (unter anderem wenn sich Untote zur Wehrpflicht äußern). Die Ansichten der Fantasygestalten zu Echtweltproblemen wie Homo-Ehe oder Sozialstaat sind jedenfalls cleverer und tiefgründiger als das, was ihr üblicherweise in Videospielen vorgesetzt bekommt. Jedenfalls tiefgründig genug, um euch immer wieder nachdenklich zu stimmen! Auch wenn die Auswirkung der jeweiligen Entscheidung für euren Feldzug stets offensichtlich ist, fällt es euch schwer, allein danach zu entscheiden – für mich als Spieler, der seit Jahrzehnten durch schwarz-weiße Gut-Böse-Moral-Dialoge abgestumpft ist, ist das mehr als ungewöhnlich und bemerkenswert! Regelmäßig ertappe ich mich dabei, wie ich tatsächlich über den Kern der Frage nachdenke, anstatt – wie in anderen Spielen – aufgrund der spielrelevanten Werte zu entscheiden! Und selbst wenn ihr dem eigenen moralischen Kompass konsequent folgen wollt, müsst ihr feststellen, dass es sich unmöglich vermeiden lässt, sich mit allen Ratsmitgliedern gleichermaßen gut zu stellen. Wer hätte erwartet, dass dieser vermeintliche Drachenflug den Alltag eines Politikers besser simuliert als eine trockene Politiksimulation!
Die Treffen mit den NPCs zwischen den einzelnen Zügen waren letztlich sogar der Hauptgrund für mich, nach den ersten beiden Fehlversuchen überhaupt nochmal anzufangen. Wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir fast, ich könnte bei diesem Spiel nur die Dialoge spielen!
Das Ungewöhnliche an “Dragon Commander” ist aber nicht, dass die Spielwelt, die Charaktere und ihre Geschichten interessanter sind als das eigentliche Spiel. Das Ungewöhnliche ist, dass es die Larian Studios geschafft haben, in einer unabhängigen Entwicklung ohne Publisher ein so umfangreiches und ambitioniertes Projekt zu stemmen! Es ist ein eigenwilliges Spiel, dem ihr anmerkt, dass es veröffentlicht wurde, als die Entwickler der Meinung waren, dass es bereit dafür ist. Die taktischen Schlachten sind ausgewogen, die strategischen Möglichkeiten sind anspruchsvoll und die moralischen, politischen sowie persönlichen Entscheidungen, die ihr an Bord eures Schiffes treffen müsst, weitreichend!
In einer Zeit, in der ambitionierte Kickstarterprojekte scheitern, weil sie mit der unerwarteten Geldflut nicht ordentlich haushalten können und Publisher Konsolenportierungen veröffentlichen, die erst nach ein paar Patches vollständig spielbar werden, hat ein unabhängiger Entwickler eine Art AAA-Indieüberraschung produziert. Wenn wir Glück haben, sieht so die Zukunft der PC-Spiele aus: einfallsreich, durchdacht und auf phantastische Weise auch ein bisschen verrückt!
Die “Divinity”-Serie scheint sich zu einem einzigen Geheimtipp zu gestalten. Die ersten beiden Teile – “Divine Divinity” und “Beyond Divinity” – hatten immer das Problem, dass sie als “Diablo”-Konkurrenz gesehen wurden, letztendlich aber weitaus mehr waren als Blizzard’s Popcorn-Action-RPG. “Divinity 2” musste einen Vergleich mit “Gothic” nicht scheuen und uebertraf den unglueckseligen dritten Teil von Piranha Byte’s einstigem Kronjuwel in vielen Punkten, erschein aber wahrscheinlich zu einem unguenstigen Zeitpunkt (und schockte mit einem ueblen Cliffhanger, der erst im nachgeschobenen Add-on aufgeloest wurde, was verdammt nach Abzocke roch).
“Dragon Commander” schert sich einmal mehr wenig um Konventionen und bleibt der ungewoehnlichen Welt treu, die Larian vor Jahren ersonnen hat. Wuerde mich das Genre mehr reizen, waere ich wohl wieder mit von der Partie. So bleibt mir nur die Hochachtung vor einem kleinen Entwickler, der irgendwie seit Jahren schafft, wonach viele streben: Unabhaengig bleiben und einfach sein Ding machen!
Ich habe hier immer noch Divinity 2: Ego Draconis ungespielt rumliegen. Ich wollte das schon 1000 Mal anfangen aber immer kein ein “besseres” sprich in dem Moment interessanteres Spiel dazwischen. Dabei interessiert mich auch das kommende Klassik-RPG ziemlich.
Bei diesem göttlichen Kommandanten hier sieht die Sache jedoch völlig anders aus. Irgendwie schon interessant aber nicht reizvoll genug. Denn auf mich trifft zu fast 100 PRozent zu, was Andreas im letzen Artikel schrieb: https://www.polygamia.de/company-of-heroes-2-kein-bock-auf-krieg
Irgendwie bin ich übersättigt von Strategie.