Es ist soweit! Die nächste Konsolengeneration ist jetzt die aktuelle. Die Zukunft wird zur Gegenwart! Zeit für ein erstes Fazit nach einer Woche im künftigen Entertainmentparadies. Bietet Microsofts Xbox One nur leere Versprechen oder doch einen Blick in das Wohnzimmer der Zukunft?
Warum jetzt schon NextGen?
Meine Güte war die Last Gen lang! Als ich die 360 kaufte, war ich gerade mit dem Studium fertig. Damals hatte ich noch einen Röhrenfernseher. Um überhaupt was von der Xbox zu haben, musste ich sie an meinen PC-Monitor anschließen (19 Zoll, ebenfalls Röhre). Als ich umzog, war der Rücksitz von meinem Toyota Starlet mit Monitor und Fernseher komplett besetzt. Zwei Spiele gab es, die ich für die 360 unbedingt haben wollte: „Geometry Wars 2“ und „Dead Rising“. Neu war mir die Konsole zu teuer, also lag ich fast ein halbes Jahr bei eBay auf der Lauer und kam dann irgendwann kurz vorm Umzug zum ersten Job halbwegs erschwinglich an das Objekt meiner Begierde.
Damals hatte ich einen Haufen Zeit, um Spiele zu spielen, aber wenig Geld, um welche zu kaufen. Mit dem Berufsleben kehrte sich das schnell um: Mittlerweile habe ich ausreichend Geld, um Konsolen zu kaufen, aber kaum noch Zeit, sie zu bespielen. Gut ist das für Microsoft: Die Day One Edition der Xbox bestellte ich vor, ohne groß darüber nachzudenken. Es ist die erste Konsole, die ich mir nicht gekauft habe, weil ich ein Spiel dafür haben wollte. Auch auf der 360 verbringe ich schon längst die meiste Zeit mit Sky Go, eSports Events auf twitch.tv oder dem Streamen von TV Aufnahmen von meinem PC. Entsprechend cool fand ich die Versprechen der Xbox One, all das noch stärker zu integrieren. Dazu Sprachsteuerung für das ganze heimische Entertainment Center und die Möglichkeit, während der Bundesliga-Halbzeitpause ein paar Zombies umzuhauen oder Runden in “Forza” zu drehen.
Mein Fernseher versteht mich jetzt, mein Receiver leider nicht
So viel zu meiner Erwartungshaltung. Seit einer Woche lebe ich nun also in der Zukunft und spreche mit meinem Fernseher. Bin ich begeistert? Naja, es geht so. Irgendwie gab es bei dieser Vision viel Kleingedrucktes, das mir keiner zum Durchlesen gab, bevor ich unterschrieb.
Zunächst wäre da das Netzteil der Xbox One. Es ist in etwa so groß wie das der ersten 360, hat aber diesmal einen eigenen Lüfter. Und der läuft, wenn ich die Konsole nicht vollständig ausschalte, sondern nur schlafen lege, damit ich sie mit einem „Xbox on“ wieder aufwecken kann. Am ersten Abend lag ich also in meinem überteuerten Einzimmerappartment in München und fragte mich, was ich da für ein leises Surren höre. Wer nicht mit seiner Xbox im gleichen Zimmer schläft, wird sich über das Geräusch vermutlich nicht aufregen, der Lüfter ist ziemlich leise. Aber der Verbauch der Konsole liegt im Schlummermodus immerhin noch bei 18 Watt, nichts für umweltbewusste Stromsparer! Gut, macht man die Xbox One halt richtig aus, dachte ich mir und musste mich am nächsten Tag wundern, warum von meinem Sky Receiver kein Signal mehr zum Fernseher gelangte – das kommt nämlich nur durch, wenn die Xbox schlummert oder an ist.
Wenn ich jetzt fernsehen will, muss ich also vorher die Xbox anschalten. Das ist aber nicht so schlimm, wie es sich anhört. Glücklicherweise arbeitet die Xbox One ohne Probleme mit meiner Universalfernbedienung. Das muss sie auch, denn mit meinem keine zwei Jahre alten Sky Receiver versteht sie sich überhaupt nicht. Anschalten? Fehlanzeige. Kanal wechseln? Fehlanzeige. Guide oder Info einblenden? Erst recht nicht. Von Aktionen wie Aufnahmen programmieren will ich gar nicht erst anfangen. Dass Microsoft ihr Wunderkind nicht auf jeden europäischen Satelliten und Kabelreceiver abstimmen kann, will mir einleuchten. Warum mir Microsoft ein Kinect ins Wohnzimmer stellt, das den ganzen Raum mit Infrarotsignalen durchfluten kann und dann keine programmierbare Fernbedienung daraus macht, ist mir aber schleierhaft.
Sprachbarrieren und Gesichtskontrolle
Vom Receiver und dem Rest meines Entertainmentcenters abgesehen, funktioniert die Sprachsteuerung einwandfrei. Wer schon seine 360 über Sprachbefehle bedient hat, wird hier eine deutliche Verbesserung in der Reaktionszeit feststellen. Gerade das Andocken ist ziemlich cool, macht aber auch nur beim Fernsehen so richtig Sinn. Hier kommt wirklich so etwas wie Next Gen Feeling auf, wenn man mit „Xbox Snap TV“, „Xbox Switch“ und „Full Screen“ vom Vollbild bei „Forza“ zu einer Torszene wechselt.
An der Stelle fragt ihr euch vielleicht, warum ich mit meiner Xbox auf Englisch kommuniziere. Der Grund ist einfach: Ich bevorzuge bei Spielen die englische Originalsynchronisation. Leider schalten aber alle Spiele, die ich bisher habe (außer „Fifa 14“), automatisch auf die eingestellte Landessprache der Konsole. Noch bizarrer ist, dass ich die Sprache nicht ändern kann, ohne auch das Land zu wechseln. Konsole auf Englisch und Deutschland ausgewählt? Geht nicht. Konsequenterweise bekomme ich jetzt also auch die Preise im Shop in Dollar oder Pfund angezeigt. Gekauft habe ich noch nichts, aber ich sehe da schon ein paar Probleme auf mich zu kommen. Denn ich bezweifle, dass ich mit einer deutschen IP-Adresse zu Dollarpreisen einkaufen darf.
Was hingegen wieder cool ist: Kinect erkennt jetzt, wer vor der Konsole sitzt und loggt die Person automatisch ein – sofern sie schon ein Profil besitzt. Familienväter können zum Beispiel einen eigenen Account für Kinder erstellen, um zu kontrollieren, auf welche Inhalte diese Zugriff haben dürfen. Das funktioniert auch ziemlich gut. Ein Bekannter erzählte, dass die Xbox One „Call of Duty“ automatisch pausierte, als seine neunjährige Tochter in den Raum geschlichen kam. Mich erkennt die Xbox allerdings nicht so zuverlässig. Das Problem ist wohl, dass ich nicht immer meine Brille trage. Weil der Login jetzt aber wesentlich schneller geht als auf der 360, kann ich damit leben, ihr ab und zu mit „Xbox sign in as Dominik“ auf die Sprünge zu helfen.
Und Spielen kann man damit auch
Insgesamt hält sich meine Begeisterung für die Multimediafunktionalitäten bisher in Grenzen. Die Zukunft stelle ich mir anders vor. Schauen wir zum Schluss lieber auf das, was man mit der Konsole sonst noch anstellen kann. Spielen zum Beispiel. Schön ist zunächst, dass ich mir im Store ohne zu bezahlen „Killer Instinct“, „Xbox Fitness“ und „Kinect Sports Rivals: Preseason“ runterladen darf. Damit hat man schon zwei der meiner Meinung nach interessantesten Starttitel am Start. „Rivals“ zeigt einem, welches Potential im neuen Kinect steckt, ist aber natürlich nur ein kleiner Vorgeschmack auf das ganze Spiel. „Killer Instinct“ ist definitiv ein gelungenes Prügelspiel, das allerdings primär auf das Spielen gegeneinander ausgelegt ist. Zwar gibt’s einen gelungenen Trainingsmodus, der euch die Feinheiten des Spiels näherbringt und das wesentlich besser und umfangreicher macht als z.B. das Tutorial von „Street Fighter IV“, aber als Einzelspieler wird man nicht sonderlich lange unterhalten. Als erste Grafikdemo taugt „Killer Instinct“ trotzdem gut. Wer mehr will, muss ohnehin Geld ausgeben, denn ohne zu bezahlen ist bei „KI“ nur ein Kämpfer spielbar. Mit „Xbox Fitness“ habe ich mich noch nicht weiter beschäftigt. Insgesamt darf man hier nicht viel mehr als eine Videothek für Fitnessvideos erwarten. Die ersten Spots einer Reihe sind mit einem Xbox Live Gold Abo kostenlos, danach muss man wieder in die Tasche greifen.
Darüber hinaus habe ich mir „Ryse: Son of Rome“, „Forza Motorsport 5“, „Fifa 14“, „Call of Duty: Ghost“ und “Dead Rising 3” angeschaut. Wirklich uneingeschränkt empfehlen kann ich davon nur „Forza“, das aber mit Nachdruck. Grafisch ist der Sprung von „Forza 4“ durchaus zu erkennen, wenn er auch nicht weltbewegend für das Spiel ist. Anders aber das Force Feedback auf den Triggern des Xbox One Controllers: „Forza 5“ nutzt die Impulse Trigger, was beim Fahren tatsächlich einen Unterschied macht. Das Force Feedback im 360 Controller war schon ziemlich gut, aber der Xbox One Controller bietet hier sozusagen die HD Variante. Die Vibrationen sind feiner, differenzierter und bei einer Simulation wie „Forza“ tatsächlich hilfreich, weil ihr spüren könnt, wie der Wagen auf der Straße liegt. Sicher: Es ist nicht so, dass jedem, dem man den Controller in die Hand drückt, der Unterschied bewusst wird. Aber wer die bisherigen „Forza“ Titel gern gespielt hat, dürfte den Vorteil zu schätzen wissen. Für mich definitiv ein „Next Gen Moment“!
Zurück in die Zukunft
Es ist schon lustig: Da kaufe ich eine Konsole nicht wegen der Spiele und am Ende sind es die Spiele, die mich am meisten überzeugen. Sicher, abgesehen von „Forza“ sind keine Pflichttitel dabei. Wer aber keinen leistungsstarken PC parat hat, bekommt mit der Xbox One (oder PS4) zumindest für vergleichsweise wenig Geld eine Maschine, die Titel wie „Battlefield“, „Call of Duty“ und „Assassin’s Creed“ in vergleichbarer Qualität abspielen kann. Der Unterschied ist definitiv groß genug, nach der ersten Gewöhnung an die Next Gen nicht mehr zur Last Gen zurück zu wollen. PC Spieler (oder Andreas) mögen das anders sehen, die haben für ihre Spielekiste aber vermutlich auch das Doppelte bezahlt und den Next Gen-Sprung schon längst hinter sich. Kein Wunder eigentlich, dass sie sich fragen, was der Hype soll.
Aber zurück zur Zukunft: Für die wünsche ich mir, dass Microsoft die Software der Xbox One ebenso eifrig überarbeitet wie die der 360. Abgesehen von dem Lüfter im Netzteil lassen sich durch Softwareupdates alle Probleme beheben, die ich bisher mit der Xbox One habe. Die Fernsehintegration und Sprachsteuerung sind derzeit bestenfalls ein Gimmick. Mit ein paar Patches wird die Vision vom All-in One Entertainment System aber vielleicht noch Wirklichkeit. Momentan taugt die Xbox One so richtig nur als Spielzeug. Für eine Konsole ist das aber kein so schlechtes Fazit.