Auch wenn die Grundidee nicht neu war, der digitalen Distribution gelang unter anderem durch Xbox 360 und PlayStation 3 der Durchbruch. Mittlerweile ist es völlig normal, sich Spiele als Download zu kaufen – quasi auf jeder aktuellen Plattform. Zahlreiche Titel erschienen nur “virtuell”, die unabhängigen Entwickler erhielten neue Chancen, ihre Games zu verbreiten. Und nicht zu vergessen: Apps für Smartphones und Tablets kann man ausschließlich digital erwerben.
Obwohl wir in unserer Special-Reihe Die besten Spiele dieser Konsolengeneration im Bereich der Download-Spiele nur drei Titel nennen, stehen diese doch exemplarisch für soooo viele fantastische Titel, mit denen wir Freude hatten. Das verdeutlichen Andy, Andreas und Dominik auch im Polycast #4.
Andy liebt Braid
Es war eine tolle Generation – wie jede Generation davor auch – mit ihren eigenen Höhen und Tiefen. Man hatte nach all den Jahren der Erfahrung sein eigenes Bild, wie ein tolles Spiel auszusehen habe und es zustande kommen müsste. Groß gehypt, viel Budget, riesiges Entwicklerteam: Je größer der Aufwand, desto greifbarer schien der GOTY-Preis. All das änderte sich für mich schlagartig am 6.August.2008. Es war der Tag, an dem “Braid“ erschien – ein Spiel, designt, produziert und programmiert von einem einzigen Mann namens Jonathan Blow.
Geködert mit einer simplen Jump’n’Run-Prämisse, steckt Blow in eine überschaubare Anzahl von Spielstunden dermaßen viele Details, Raffinessen und Ideen, dass sich eigentlich alle großen Hersteller dafür schämen müssten. Durch aberwitzige Zeitmanipulationen, auf den ersten Blick unerreichbare Puzzleteilchen sowie eine Geschichte, die im Bereich der Videospiele den Begriff der Metapher neu definierte, schafft “Braid“ wie kein anderes mir bekanntes Spiel das Attribut der “Perfektion“. Allein der Grad der spielerischen Abwechslung ist der schiere Wahnsinn, weil jede Welt eine eigene, brechhart innovative Grundidee einführt und sämtliche Denkspiel-lastigen Puzzles ihren eigenen Kniff sowie ihren eigenen Flair besitzen. Hier gibt es keine langweiligen Doppelungen oder faule Wiederholungen – in jedem Bild definiert sich das Spiel neu.
Sei es die Rückspultaste, der Ring, der alles in seiner unmittelbaren Umgebung verlangsamt, oder der Trick mit den grün umrandeten Objekten: Jonathan Blow reiht eine brillante Konzeptidee nach der anderen ein und schafft es überdies, etwas damit anzufangen. Im Gegensatz zu vielen andern Independent-Spielen, die abseits ihrer lustigen Prämisse mehr und mehr im Mittelmaß versinken, ist “Braid“ clever, herausfordernd und enorm befriedigend. Das Ende ist nur einer der vielen, vielen Höhepunkte und krönt ein Leveldesign, das selbst die Götter dieser Disziplin (namentlich Nintendo) vor Neid erblassen.
Nicht Indie, aber Download: Sebastians Favorit Journey
Das für mich wichtigste Vermächtnis der bald auslaufenden Konsolen-Generation ist nicht die HD-Darstellung, die digitalen Downloads oder die Spielereien mit alternativen Steuerungsvarianten. Computerspiele wurden im Laufe der letzten Jahre immer häufiger auch als Kunstgegenstände angesehen, was kein Spiel eindrucksvoller belegen kann als „Journey“.
Das Spiel verrät einem das Ziel nicht, aber es ist jedem sofort klar. Das Spiel gibt keinen Weg vor, aber niemand verläuft sich. Das Spiel enthält kein einziges gesprochenes Wort, aber es erzählt mehr als viele andere. Das Spiel bietet kaum Steuerungsmöglichkeiten, aber es gibt einem die absolute Kontrolle. „Journey“ ist kein Spiel, sondern eine Erfahrung! Man kann es kaum beschreiben, sondern man muss es einfach erleben – und vor allem hören, denn es besitzt einen der schönsten Soundtracks, dem ich jemals in einem Computerspiel lauschen durfte.
Eine ganz neue Dimension erreicht „Journey“ zudem durch das Multiplayer-Element. Dieses bietet einzig und allein die Möglichkeit, mit Springen und einem Klangeffekt eine Interaktion mit dem unbekannten Mitreisenden aufzubauen. Doch dieser mit primitivsten Mitteln aufgebaute Verbund wird so stark, dass ich mich sogar gezwungen fühlte, mich den ganzen vereisten Schneehang zurück zu kämpfen, um meinen verschollenen Kumpanen zu suchen. Der ausbleibende Erfolg machte mich nachhaltig traurig – und damit umso ehrfürchtiger über die Kraft dieses simplen, aber unvergleichlichen Spiels namens „Journey“!
Andreas und die Flachmänner: Multiwinia
Das habt ihr nicht gespielt, oder? “Multiwinia” ist das vierte Spiel von Introversion Software und die Mehrspieler-Version ihres Kritikerhits “Darwinia”. Es wurde zuerst für den PC veröffentlicht, floppte, dann erschien es ein paar Monate später zusammen mit dem Vorgänger als “Darwinia +” für XBLA und floppte ebenfalls. Das Spielprinzip: Auf einer “Tron”-ähnlichen Vektorlandschaft bekriegen sich die “Multiwinians” bis zum bitteren Ende. Ein bisschen “Cannon Fodder”, ein bisschen “Worms” und viel schwarzer Humor.
Im Grunde genommen könnte man über dieses Spiel also locker hinweggehen, aber tatsächlich war es eines der Spiele, die ich in den letzten Jahren am meisten spielte. Und ich war gut darin. Sogar sehr gut! Ok, es war nur die inoffizielle Ladder und es gab zu Spitzenzeiten ein paar hundert Spieler, aber ich hielt mich lange Zeit hartnäckig in der Top 3. Jawohl, so war das!
Wobei das Spiel jetzt kein Hardcore-RTS-Brocken ist. Meistens gab man seinen “Multiwinians” nur ein paar Wegpunkte vor und sie ballerten alles weg, was ihnen in den Weg kam. Zusätzlich fielen vom Himmel ständig Upgrades herunter, die eine gehörige Portion Zufall ins Spiel brachten. Außerdem war das Map-Design furchtbar. Es waren Karten vorhanden, bei denen von Anfang an der Sieger fest stand. Und wenn drei Spieler gegeneinander vorgingen, lachte sich immer einer ins Fäustchen, weil sich die beiden anderen unweigerlich in den Weg kamen.
Nein, “Multiwinia” war kein Meisterstück in “Game Design”, aber es war ein diebisches Vergnügen. Jede freie Minute spielte ich es, wartete teilweise lange auf einen Gegner, ärgerte mich, weil ein virtueller Flächenbrand meine Multiwinians brutzelte, lachte hämisch, als ich in der letzten Spielsekunde mit einer Atombombe das Spiel gewann. Mehr Spaß hatte ich mit kaum einem anderen Spiel in den letzten Jahren.
Introversion hat den Flop inzwischen verkraftet und scheffelt mit der Alpha von “Prison Architect” gerade Millionen. Gut so, freut mich, aber die Gefängnis-Simulation ist schon viel zu durchdacht. “Multiwinia” ist dagegen eines dieser typischen Indie-Spiele: eckig, kantig und ziemlich irrsinnig.
Polycast #4: Die besten Spiele dieser Konsolengeneration: Die digitale Revolution
Andreas, Andy und Dominik plaudern über die digitale Distribution und wie sie unsere Art des Konsums veränderten. Unweigerlich landen sie bei Indie Games. Was machen diese aus? Wann handelt es sich noch um ein unabhängig produziertes Stück Software? Und wieso ist “Braid” eigentlich so großartig? Es gibt viel zu besprechen…
Danke an pan:core für den Jingle!
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