Er hat Nicole vergessen. Isaac Clarke ist für seine große Liebe durch die USG Ishimura gehetzt, hat Nekromorphe zerstückelt und war am Ende ein seelisches Wrack. In “Dead Space 3” ist das alles Vergangenheit. Nicht einmal Nicoles Name wird erwähnt. Das passt einfach nicht.
Die Sache mit Nicole ist eines der vielen Logiklöcher, die mir den Spaß am Ende der Trilogie vermiesen. “Dead Space” hatte seine Stärken nicht im spielerischen Bereich (taktisches Zerstückeln hin oder her), sondern trumpfte mit klaustrophobischer Atmosphäre und Art-Design auf – es war ein großes, homogenes Universum, das in sich sehr plausibel und glaubhaft war. Und in “Dead Space” wurde gekonnt eine Geschichte um Vergebung und Erlösung erzählt. Die Liebe zu Nicole, der Schmerz des Verlusts und die Schuldgefühle haben Isaac dazu gebracht, das alles zu überstehen.
Die Macher von Visceral Games schienen damals verstanden zu haben, dass “Horror” vor allem eine einsame und persönliche Erfahrung ist. Je unwissender ich alleine durch das Raumschiff ging, desto größer war die emotionale Erfahrung. Schon im zweiten Teil wurde dies weitgehend der Action geopfert, um eine größere Spielergemeinde zu erreichen. Mit dem Holzhammer wurden wesentliche Spielelemente verändert, die im engen Zeitkorsett der Spielhandlung keinen Sinn ergeben. Nun ist alles schlimmer geworden.
“Dead Space 3” spielt ein paar Monate nach dem Vorgänger. Die Unitology-Sekte hat quasi über Nacht die Weltherrschaft an sich gerissen und Isaac muss Ellie Langford, inzwischen auch seine Ex, folgen, um den Marker und damit die Nekromorph-Plage endgültig auszurotten. Wie schon in seine vorherigen Abenteuern läuft Isaac alleine durch Raumschiffe und Labore, um irgendetwas zu besorgen oder sein Team wiederzufinden und auf allerlei fiese Nekromorphe zu ballert. Nun bekommt er allerdings ein wenig Hilfe vom Elitesoldaten John Carver, psychisch genauso kaputt wie Isaac. Action-Horror-Koop im Stil der letzten “Resident-Evil”-Teile.
In den paar Wochen der Spielhandlung zwischen zweitem und dritten Teil scheint viel passiert zu sein: Plötzlich kann Isaac Hechtrollen ausführen und macht all das, was ein Soldat wie Carver in jahrelanger Ausbildung gelernt hat. Einfach mal so in den letzten Wochen geübt? Im zweiten Teil war Issac für Unitology noch der “wichtigste Mann im Universum”. Danach haben sie ihn einfach Monate in Ruhe gelassen, obwohl er von der Verschwörung wusste. Soso. Ach ja, die Workbench. Es gibt jetzt keinen Shop mehr, sondern Isaac darf seine Ausrüstung selbst basteln. Das Upgradesystem wurde komplett über den Haufen geworfen. Spätestens, wenn ihr in einer 200 Jahre alten Forschungsstation seid und auf die gleiche Technik trefft (die es im ersten “Dead Space” nicht gab), wird es lächerlich.
Betreibe ich Erbsenzählerei? Nö, all das sind spielentscheidende Veränderungen. Allein um die Waffen zu basteln, muss ich “grinden” und kleine Roboter zum Sammeln losschicken. Erwähnte ich schon, dass “Dead Space 1” einen Großteil seiner Spannung aus seiner geradlinigen Inszenierung bezog? Wie an einer Schnur gezogen wurde Isaac immer tiefer in seinen persönlichen Alptraum getrieben. Jede Ablenkung hätte die Dramaturgie zerstört. In “Dead Space 3” gehört diese Ablenkung zur Tagesordnung. Logisch, ich kann mir den Stress auch sparen und die nötigen Ressourcen mit Echtgeld kaufen. Wobei diese “Abzocke” kein Muss ist – ihr könnt das Spiel erfolgreich durchspielen, ohne einen Cent Geld auszugeben.
Ich weiß ja, wo es herkommt. “Dead Space” war gemessen am Entwicklungsaufwand ein Flop und deshalb haken die Entwickler jetzt alles ab, was gerade angesagt ist: Crafting, Koop, Deckungsshooter. Die Folge ist Einheitsbrei. Die Macher hatten sich schon im ersten Teil an erfolgreichen Spielen wie “Resident Evil 4” bedient. Nun wird erst recht alles in einen Topf geworfen: “Call of Dead Space”, “Dead Gears” oder wie immer ihr es nennen wollt. Besonders der Anfang ist mit seiner peinlichen Anbiederung an “Gears of War” misslungen. Wenn Issac hinter einer Mauer in Deckung geht, lässt es das Ballern in “Spec Ops: The Line” wie “Crysis” aussehen. Liebe Entwickler, wenn ihr kopieren wollt, dann bitte richtig und gut.
Ich kann damit leben, wenn mit einem Horrorszenario Schluss ist und die Action stimmt, siehe “Aliens” (der Film). Abgesehen von einigen Cut-Scenes beschränkt sich diese in “Dead Space 3” auf Buttonsmashing. Die meisten kritischen Situationen überlebt ihr, wenn ich euch in einen Ecke stellt und die Feinde mit Stase und einer Linegun auf Distanz haltet. Wohlgemerkt auf “Hard”. Im ersten Teil konntet ihr das Spiel alleine mit dem Plasma Cutter durchspielen, Stichwort “Skills”. Davon benötigt ihr im dritten Teil nur wenig. Mit Health Packs und Munition braucht ihr eh nicht zu haushalten – ihr werdet irgendwann anfangen sie wegzuwerfen, um Platz für Upgrades zu machen. In den ersten beiden Episoden war das noch undenkbar.
Nicht alles ist an diesem Spiel schlecht. So lange kein neues “Gears of War” da ist, kann man sich im Koop-Modus vergnügen. Das Art-Design ist sehr detailverliebt und die Audio-Effekte haben kaum etwas von ihrer Wirkungskraft eingebüßt. Sobald sich ein Nekromorph plötzlich mit einem ohrenbetäubenden Schrei aus dem Boden gräbt oder durch eine Luke springt, zucke ich unweigerlich zusammen. In der ersten Hälfte des Spiels schwebe ich stimmungsvoll im Weltraum durch ein Raumschiffgrab und laufe durch enge Gänge. Und ja, ich weiß, dass Isaac diesmal alles richtig machen will. Ellie soll es nicht so ergehen wie Nicole. Und deshalb ist er bereit, alles dafür zu opfern. Spätestens aber, wenn ich in einem selten dämlichen “Star-Fox”-Moment auf einen Planeten abstürze, nimmt das Verhängnis seinen Lauf.
“Dead Space 3” ist glattgebügelter Action-Horror für ein Massenpublikum. Die Splattereffekte sind blutig, die Inszenierung wuchtig und der spielerische Anspruch gering. Es ist in meinen Augen weniger eine Fortsetzung als ein Reboot. Als Fan steht man vor dem Dilemma, dass man einerseits gerne wissen möchte, wie es mit Isaac weitergeht, aber andererseits von dem spielerischen Einheitsbrei abgeschreckt wird. Dieser Reißbretthorror will vieles sein, nur eins nicht: “Dead Space”. Danke, nein.
Zustimmung. Habe mich tatsächlich ein wenig auf Teil 3 gefreut und war endlos davon gelangweilt. Es gibt genug Spiele, in denen ich mich durch Gegnerhorden und eine “epische” Story schlachte, und viel zu wenig Spiele, die mir tatsächlich Angst einjagen. Dead Space war so eins. Das hier ist Stagnation und kreativer Stillstand mit hohen Production Values.
Wobei ich mit weniger Horror leben kann. Hier greift das Gesetz der Serie: Sobald ich mehr über die Bedrohung weiß, lässt die Angst nach.
Ich finde die Herangehensweise inkonsequent. Trotz aller Zugeständnisse an die Action-Fans, finde ich Isaac im Vergleich zu anderen Action-Helden sehr steif. Ich meine, warum kann er alles machen, aber nicht springen?
Ich hatte es befürchtet.
Auch als großer Fan der alten Res Evil hab ich mir bis heute Res 6 nicht geholt.
Dead Space 3 u Res 6 werd ich dann lieber holen, wenn sie um die 20€ kosten.
Jetzt Kram ich dann lieber erst mal die alten Schätzchen aus.