Männer sind Schweine – ich weiß wovon ich rede, schließlich bin ich selbst einer. Sie lügen und sie betrügen – genau wie Vincent. Er hat eine Freundin, die heißt Katherine. Doch eines Morgens wacht er weder neben ihr noch alleine in seinem Bett auf, sondern mit Catherine. Katherine ist ernst, bodenständig, realistisch. Catherine ist jung, blond, unreif. Beide sehen auf ihre Weise gut aus: Katherine ist brav, hübsch, etwas bieder. Catherine ist fesch, sexy, dezent schlampig.
Ihr steuert Vincent nicht nur von A nach B, sondern auch seine moralischen Entscheidungen. Zu wem soll er halten? Zu seiner langanhaltenden Beziehung, mit der er sicherlich eine gesunde Familie gründen könnte? Oder zur wilden Schönheit, die ihm regelmäßig schlüpfrige Bilder auf sein Handy schickt? Jede Entscheidung, die ihr trefft, wird als “gut“ oder “böse“ eingestuft. Und in Kombination mit der finalen Quizrunde, bestehend aus vier abschließenden Fragen, entscheidet “ihr“ euer Ende.
Achtung, heftige Spoiler bezüglich Catherines wahrer Natura: Eins muss ich Atlus wirklich lassen – sie haben es in der Tat hingekriegt, dass jeder mögliche Storyausgang schlüssig und “moralisch“ vertretbar ist. Das Problem ist doch folgendes: Vincent geht fremd. Er macht ein No-Go, das ich als Spieler nicht beeinflussen kann (und selbst wenn, dann gäbe es ja auch gar kein Drama). Wie ist es also möglich, dass er eventuell am Ende bei Katherine bleibt und ihm alles verziehen wird, was passiert ist? Ganz einfach: Es ist gar nicht passiert.
Catherine ist eine Ausgeburt des Teufels. Sie “existiert“ nur im Kopf von Vincent, zumindest sieht es so aus, wenn er sich am Schluss für Katherine entscheidet. Er hat sich das Fremdgehen nur vorgestellt – oder besser gesagt das “Aufwachen danach“. Gleichermaßen gibt es keine Handlungslücke, wenn ich mich doch lieber mit Catherine einlassen möchte. Dann kommt raus: Ja, in der Tat steckt das böse, blonde Mädchen im Kopf von Vincent. Sie ist nämlich nicht nur eine Ausgeburt des Teufels, sondern gleich deren leibhaftige Tochter.
Das Spiel “Catherine“ schafft ein Kunststück: Es verleitet mich als Spieler, sich schuldig aufgrund von Taten zu fühlen, für die ich gar keine Verantwortung trage. Ich möchte nicht fremd gehen und Vincent eigentlich auch nicht– aber weil er neben diesem feschen Blondchen aufwacht, stecken er wie ich automatisch in der Zwickmühle. Ich stelle nicht in Frage, ob etwas passiert ist – nein, es MUSS etwas passiert sein, ansonsten würde die Ggute doch nicht nackt im Bett liegen. Erst nach ein paar Spieltagen kommt Skepsis auf und ich denke mir: “Hm, jeden Morgen das Gleiche – sie liegt da und vom eigentlichen Akt gibt es keine Erinnerungen.“ . Doch dann ist eventuell schon zu spät: Bis dahin habe ich sowohl Katherine als auch Catherine diverse Fragen beantwortet sowie Textnachrichten zukommen lassen. Je nach meinem Verhalten mache ich mich dann doch schuldig, beispielsweise weil ich lüge oder etwas vorheuchle.
Es ist recht einfach, die Gut/Böse-Struktur des Spiels zu durchschauen – abseits vielleicht von der “Magst du lieber Golf oder Baseball?“-Frage. Trotzdem habe mich beim Durchspielen ständig selbst verraten und in Widersprüche verwickelt. Ich war mir wirklich unsicher, zu wem ich halten möchte: Catherine oder Katherine? Das lag mit an dem Charakter der beiden, weil mehr deren negativen als positiven Seiten betont werden. Katherine ist die vernünftige, aber strenge. Catherine ist die verführerische, aber gefährliche Frau. Überhaupt: Catherine ist „falsch“, aber sie sieht doch so verdammt geil aus. Hoffentlich begegne ich nie im echten Leben solch einer dämonischen Frau…
Ach, das ist nicht das ganze Spiel, meint ihr? Richtig: Fragen zu beantworten, das alleine wäre nicht sonderlich schwer. Und zu gerne würde ich wissen, wie die Konzeptions- und Brainstormingphase von “Catherine“ aussah. Allen voran: Was war zuerst da, die Geschichte oder das Denkspiel? Letzteres besagt: Ihr müsst Türme besteigen. Diese Türme bestehen aus Blöcken, die ihr wiederum schieben und ziehen könnt. Das Puzzledesign ist bereits auf dem zweiten von drei Schwierigkeitsgraden brutal schwer. Und diverse Endgegner, die euch noch mehr unter Druck stellen und euch zum Neustart zwingen, falls ihr euch verhaspelt und/oder trödelt, trainieren die Wutschrei-Stimmbänder.
Die Handlung integriert das Denkspiel in Form von Albträumen, die Vincent direkt vor dem Erwachen neben Catherine zu überstehen hat. Zudem deutet der Plot schnell an, dass er nicht der Eeinzige in der Stadt mit dem Problem ist – und dass inzwischen auch schon Leute unter mysteriösen Umständen tot im Bett aufgefunden wurden. Während der Turmbesteigerei ist Vincent ebenso wenig alleine: Er begegnet lauter Schafen, deren Stimmen er teilweise Freunden sowie Bekannten zuordnen kann. Auch er selbst besitzt Hörner, was uns wohl suggerieren soll, dass er ein Schaf ist bzw. von den anderen als ein solches gesehen wird.
Vincent bekommt also Hörner aufgesetzt – und er muss für sein “Vergehen“ richtig schuften. Schieben, ziehen, klettern – das ist Schweiß- und Schwerstarbeit. Ich als Spieler muss zwar “nur“ mein Hirn nutzen, aber das raucht und raucht und raucht. Du blöder Vincent, du – wie konntest du deine arme Katherine hintergehen, weshalb ich jetzt mein Gehirn rausspielen muss?
Meine Vermutung: Beide Konzeptelemente lagen bereits in diversen Schubladen bei Atlus herum und irgendein kaputter Japaner kam auf die Idee, sie zu mixen. Was soll ich sagen: Der Geniestreich ist geglückt. Anfangs war ich mir dessen sehr unsicher, doch das wirklich starke Leveldesign sorgt dafür, dass die Blöcke und die Türme nicht zum Mittel zum Zweck verkommen. Denn “Catherine“ hat ein Spiel in irgendeiner Form gebraucht, die reine Fragerei wäre definitiv zu wenig gewesen. Und wenn man sich schon etwas zusammen konstruiert, dann bitte auf diese liebevolle Art und Weise.
Eine klare Empfehlung für alle Genre-Mix-Fans, die gerne grübeln – egal ob über Schieberätsel oder moralisch verzwickte Fragen.
Schade, dass hier grundsätzlich wenig Kommentare sind. Der Artikel war eine schöne Liebeserklärung an Catherine. Ich liebe die Spiele von Atlus, die trotz niedrigstem Budget und eigentlich technisch grottiger Grafik alleine durch Stil und Atmosphäre soviel aus ihren Titeln herausholen und die sich, die Shin Megami Tensei Serie sei hier genannt, handlungsmäßig mal ordentlich vom üblichen Fantasy oder Sci-Fi Allerlei abheben. Egal ob Devil Survivor, Digital Devil Saga oder Persona – und jetzt eben Catherine – auch als Erwachsener der alles kennt und alles gesehen hat und mal anspruchsvollere Kost, insbesondere Settings, möchte, Atlus bedient mich dahingehend hervorragend!
Mein Problem mit Catherine ist, sonst hätte ich es mir längst gekauft, ich mag keine Puzzlespiele. Ich bin einfach schlecht darin, da mir meist die Geduld fehlt. Aus diesem Grund wird es auch nur ein Budgetkauf. Denn die Story-Idee finde ich genial!