Stellt euch vor, es ist Krieg – und keiner erinnert sich an ihn. So dramatisch ist das dieses Jahr vielleicht nicht, liegt der Ausbruch des Ersten Weltkriegs gut 100 Jahre zurück und wird von Historikern und Politikern aller Herren Länder als Mahnmal – nun ja – “gefeiert”. Filme wie das zuletzt starke “Das Attentat”, Bücher wie “Die Schlafwandler” und Sonderausstellungen in allen größeren Städten rufen eines der politisch bedeutendsten Ereignisse wieder ins kollektive Gedächtnis. Mit Ausnahme einer Branche: der Spieleindustrie.
Gespannt war ich, welche Ankündigung Activision Blizzard dieses Jahr machen würde. Dass ein neues “Call of Duty” angekündigt würde, war sicher. Das ist schließlich eine der beliebtesten Marken des Spielekonzerns und generiert (mehr oder minder) zuverlässig hohe Umsätze. Dass die Serie seit einigen Teilen spielerisch stagniert – geschenkt! Dass eine Auszeit die Reihe beflügeln könnte – geschenkt! Mit dieser Einstellung hat Activision schon vor einigen Jahren das einst erfolgreiche “Guitar Hero” erledigt, als innerhalb von zwei Jahren neun verschiedene Versionen veröffentlicht wurden. Irgendein Schlipsträger in den höheren Etagen fand, dass der Umsatz noch gesteigert werden könnte. Das ging nach hinten los. Das ist aber eine andere Geschichte…
Kriegsführung mit Kevin Spacey
Da ist also das nächste “Call of Duty”, das auf ein herausragendes Feature setzt: Kevin Spacey. Ich gebe zu, dass Spacey zu meinen favorisierten Mimen auf der Leinwand gehört. Daher finde ich seine Rolle in “Advanced Warfare” interessant. Der Rest aber: Herrje! Schwebende Motorräder! Tarnkappenrotokopter! Handschuhe, mit denen man an spiegelglatten Fassaden hinauf klettern kann. Und mittendrin Kevin Spacey, der davon faselt, dass Demokratie wohl kaum in unterentwickelten Ländern funktioniert. So sehr er recht hat: Spannender als die Zukunft hätte tatsächlich die Vergangenheit sein können.
Und hier denke ich – auch wegen des nahenden Jahrestags – an den Ersten Weltkrieg. Der bietet alles, was sich ein “Call of Duty” storytechnisch nur wünschen kann. Ein Kontinent, der kurz vor der Explosion steht. Ein Herrschaftssystem, das seine Legitimation verliert. Ein Attentat, das von politisch vollkommen blinden Militärs den Anlass gibt, dem Alten Kontinent ein “reinigendes Stahlbad” zuzuführen. In den folgenden vier Jahren verloren fast 18 Millionen Menschen ihr Leben. Als zivile Opfer in zerbombten Städten, als ethnische Minderheit – und natürlich als Soldaten in bestialischen Kesselschlachten im Osten, in den Schützengräben des Westens, als sinnlose Opfer im Krieg auf See.
Man stelle sich vor: Ihr erlebt das Attentat von Sarajevo aus nächster Nähe, erfahrt von der Ausrufung des Bündnisfalls seitens der Entente und der Mittelmächte, erlebt die Kriegsbegeisterung in den ersten Wochen, dann beispielsweise die Schlacht bei Tannenberg (die dort nie stattfand, sondern ihren Namen als Reminiszenz einer Schlacht des Mittelalters erhielt) und den Stellungskrieg an der Westfront. Hey, das Letztgenannte wäre doch das Stichwort schlechthin: Wo, wenn nicht dort, könnte man Schlauchlevels mal ganz plausibel erklären? Und damals war Krieg eine höchst festgefahrene Sache, begleitet von grausamsten Innovationen. Das Giftgas beispielsweise sorgte für eine vollkommen neue, unbekannte Gefahr, welche die Quantität des Krieges verändern sollte. Die ersten brauchbaren Tanks überrollten vermeintlich gesicherte Stellungen, aus der Luft konnte nun Aufklärung betrieben und erste Bombenangriffe geflogen werden… Kurz: Ein Spiel, das sich an der Chronologie der Ereignisse entlang hangeln würde, hätte enormes Potential, “neue” Geschichten vom Krieg zu erzählen und nicht nur die alten. Wie jene, dass die US of A eine stets freundliche und gute Supermacht seien. Sind sie nicht – und deshalb sind “Call of Duty”-Plots auch so verdammt unglaubwürdig.
Grau statt bonbonbunt
Der Erste Weltkrieg markierte aber den Aufstieg zur weltweit agierenden Macht, die sich nicht abkapselt, sondern in der Weltpolitik mitmischt. Alles, was die USA in den folgenden Jahrzehnten bedeutsam machen sollte, hatte seinen Ursprung in den Lehren des Ersten Weltkriegs. Vielleicht wäre als Contra zu nennen, dass die Vermittlung dieser Geschichte schon einen Horizont benötigt, der etwas größer ist als ein paar Quadratzentimeter und das Schwarz-Weiß-Schema des Zweiten Weltkriegs nicht bedient. Achja: Und in Zeiten der alten Gewehre mit Bajonetten, der ersten Maschinengewehre und ballistischen Rohrkrepierern ist Essig mit Submachine Guns, Drohnen, Schnellladern und der bonbonbunten Tötungsorgie. Die ersten “Call of Dutys” zeigten mit Ausflügen nach Stalingrad und anderen militärischen Brennpunkten, wie Geschichte vermittelt werden kann.
Weder EA (“Medal of Honor”), noch Ubisoft (“Brothers in Arms”) oder eben Activision Blizzard werden den Mut haben, den Sprung ins Wasser zu wagen und dem Ersten Weltkrieg ein zeitgemäßes Software-Denkmal setzen. Aus der Masse der grauen Moorhuhn-Schlachtfeld-Orgien sticht “Red Orchestra” aufgrund seines Realismus’ und des Muts heraus, auch die Ostfront einzubeziehen. Und dann gab es da noch “Necrovision”, das in den Schützengräben 1916 spielt – und diesen Bonus durch eine übertriebene Zombie-Story vernichtete. Der Erste Weltkrieg hat nichts mit Zombies zu tun, nichts mit Kill-Streaks und auch nichts mit einer Supermacht, welche die Deutungshoheit über das gesamte Geschehen für sich beansprucht. Und auch nichts mit dem schnellen Tod – siehe den Filmklassiker “Im Westen nichts Neues”, der mir mit der Szene im Granatentrichter in Erinnerung blieb. Stundenlang ringt dort ein französischer (und dem deutschen Protagonisten antagonistisch entgegen gestellter) Soldat mit seinem Leben. Und verreckt, anders kann man es nicht sagen.
Vielleicht schreckt das ja ab: Dass Krieg damals ein elendes Siechtum war und an die Substanz ging. Da sieht die Zukunft doch rosiger und sauberer aus. Das freut besonders zwei Gruppen. Kiddies und Aktionäre.
Der erste Weltkrieg funktioniert – aus welchem Grund auch immer – als Spiel nicht. Das musste schon damals auf dem Amiga das grandiose History Line 1914-18 erfahren (wow, das ist auch schon über 20 Jahre her). Schade eigentlich, das Thema wäre wirklich interessant.
History Line war ein Flop? Echt? Ich dachte, nach Battle Isle lief das auch ziemlich gut? Allgemein denke ich, dass WW1-Szenarien gerade bei Strategiespielen prima funktionieren könnten. Bei Shootern bin ich nicht so sicher, eben was die Waffen betrifft. Die Spieler erwarten eben heutzutage flotte Action. Da kannst du nicht mit einem Bajonett kommen, außer du setzt mehr auf Nahkämpfe und Gewalt. Alternativ könnte man sich auf Realismus stürzen – nur wollen das die Spieler heutzutage noch? Ein Red Orchestra läuft ja auch nicht im Ansatz so gut wie ein Battlefield oder eben CoD….
Also “Red Orchestra” ist noch sehr, sehr beliebt. Und für Battlefield-Fanatiker gibt es wenigstens einen etwas weniger realistischen Spielmodus.
History Line war relativ erfolgreich, aber nicht so wie gehofft. Deshalb gab es auch keine Nachfolger. Eigentlich waren da weitere Teile geplant.
Ich hatte mal nen Artikel darüber gelesen, warum der Erste Weltkrieg nicht funktioniert, weiß aber nicht mehr wo. Etwas ähnliches steht aber hier: http://kotaku.com/why-world-war-i-usually-gets-the-shaft-in-gaming-until-1312493610.
Also, so richtig wird mir nach dem Studium des Kotaku-Artikels nicht klar, weshalb das alles nicht funktionieren sollte…
Ganz ehrlich: Bevor es “Dark Project” und “Metal Gear Solid” gab, hat kaum einer geglaubt, dass man aus dem Spielelement Schleichen ein vollwertiges und packendes Spiel machen kann. Wenn es also bislang noch kein überzeugendes Spiel rund um den ersten Weltkrieg gegeben hat, liegt das höchstens nur daran, dass es bislang noch keiner ernsthaft versucht hat (mal abgesehen von “History Line”, das allerdings natürlich ein Genre angesprochen hat, welches heute keinen großen Erfolg mehr verspricht). Und “History Line” scheiterte am Anspruch, ein Historienspiel zu sein und hat leider die Erwartungshaltung der Spieler etwas überschätzt, denn es war ein absolut gelungener Versuch der spielerischen Geschichtsaufarbeitung .
Vielleicht schafft es ja mal Ubisoft mit einer neuen “Assassin’s Creed”-Episode, den Ersten Weltkrieg näher zu bringen? Genügend Ressourcen und Mut vorausgesetzt, halte ich das in jedem Fall für möglich. Ein “unmöglich” oder “nicht machbar” gibt es für mich weder bei Spielen, Filmen oder Büchern!
Assassin’s Creed im 1. WK kann ich mir vorstellen. Aber Weltkriegsshooter? Das Thema wurde Anfang der 2000er durchgenudelt und interessiert heute einfach keinen mehr.
Außerdem, ich persönlich mag keine Shooter in realistischen Settings in echten Kriegen. Wolfenstein wäre hier eine Ausnahme, da sich der Titel eben so absolut nicht ernst nimmt. Aber schon der erste Captain America Film hat mich Aufgrund des Settings teilweise ein wenig abgetörnt, gerade weil das vielleicht im Hintergrund nicht so die Riesen-Rolle gespielt hat.
Fiktive Szenarien sind mir viel lieber. Gerade bei Weltkriegsspielen ist häufig dieses schwarz / weiß, die Propaganda zu einseitig und wenig differenziert. Länder wie Italien, die Hitler damals (zunächst) unterstützt haben werden heute nur als Opfer dargestellt und sehen sich auch selbst nur als solches, nur die Deutschen sind die Bösen. Beim 1. WK ja noch schlimmer. Der wäre so oder so ausgebrochen, als Verlierer ist aber klar, dass D. die Alleinschuld trägt.
Ich kann das alles nicht mehr hören, ich bin übersättigt von den Weltkriegen. Egal ob Schule oder Medien. Wir sind die einzig Bösen – ja ich habe es kapiert! Dafür ist es heute scheinbar chic für Politiker – auch deutsche – sich mit der roten Mao Bibel ablichten zu lassen. Wie viele Menschen hat Mao noch mal vernichtet? Interessiert nicht, China wurde nie besiegt und hat entsprechend nichts aufzuarbeiten.
Das was damals geschehen ist war schlimm! Was Deutschland, Österreich und die Nazis getan haben war verdammt übel und darf nie wieder geschehen. Aber gerade deswegen verwehre ich mich gegen diese Szenarien in Spielen. Spiele sind Unterhaltung. Kriege sind kein Spiel, dort sind echte Menschen gestorben.
Auch andere Punkte wurden schon angesprochen, gerade Waffen und Fahrzeuge der damaligen Zeit sind wenig spektakulär. Ein leichter Sci-Fi Einschlag hingegen spielt sich wesentlich frischer und unverbrauchter.
Ich bin mir tatsächlich auch nicht sicher, ob ein Shooter der richtige Weg ist, die Geschichte adäquat umzusetzen. “Call of Duty” und “Medal of Honor” mögen das immer mal wieder versucht haben – mit wechselnden Erfolg – aber letztlich sind sie große Unterhaltungsprodukte, die den Großteil ihrer Popularität dem wettbewerbsfördernden Multiplayer-Modus zu verdanken haben. Und das passt für mich dann auch nicht mit dem ernsten Hintergrund zusammen!
Ein Spiel wie “Spec Ops: The Line” stellt ein interessantes Shooter-Projekt in dieser Hinsicht da, aber es bleibt auch hier letztlich beim Fadenkreuz, welches akkurat gelenkt werden muss, damit möglichst alles Schüsse sitzen.
Vielleicht wäre eine Umsetzung wie “The Last of Us” passender: Mit der Betonung auf das Schicksal einzelner Leute könnte die bedrückende Atmosphäre eines Weltkrieges möglicherweise wesentlich besser vermittelt werden als mit der Schießbuden-Mechanik!
@ spiritogre:
Aber gerade deswegen könnte eine erneute Behandlung mit der Geschichte doch so interessant sein. Um es diesmal “richtig” zu zeigen und womöglich mit bestimmten Bildern zu brechen.
Ich frage mich ja, ob ich wirklich ein CoD haben möchte, welches versucht sich mit dem WWI zu beschäftigten und all das aufgreift, was Daniel in seinem Artikel beschreibt. Denn CoD ist für mich genau das, was wir auch im aktuellen Trailer sehen: Ein Bromance-geblubbere mit einer dümmlichen, naiven Pathos-Handlung um austauschbare Marines. Ich will tatsächlich nicht, dass gerade diese Leute an so ein Spiel herumwerkeln, denn – freche Behauptung meinerseits – realistisch gesehen werden wir dann nicht eine gerechte Aufbereitung der historischen Ereignise erhalten, sondern wieder dieses dämliche Aktiongedöns.
Davon ab würde ich nicht soweit gehen und sagen, Shooter im WWI-Setting wären nicht umsetzbar, aber ich denke schon, sie wären nicht mit der CoD-Formel möglich. CoD steht, wie Sven schon sagt, für flotte Aktion mit MG’s, die Fehlschüsse viel leichter verzeihen, als die damaligen Gewehre. Sowas viel vermutlich keiner (oder zumindest die breite Masse) mehr.
Genau da liegt mein Problem: “Call of Duty” ist ein Action-Gedöns, welches dem ernsten Hintergrund schlicht nicht gerecht wird. Deswegen ist es für eine ernsthafte Aufarbeitung der Weltkriege schlichtweg ein ungeeignetes Spiel, was durch dem Multiplayer- und Wettbewerb-Charakter ja noch verstärkt wird.
Vielleicht müsste eine ernsthafte, realistische Auseinandersetzung mit dem Weltkriegs-Stoff eher in die Richtung von “Operation Flashpoint” oder “Arma” gehen, also wesentlich mehr Simulationscharakter haben. Und gerade “Flashpoint” hat ja bewiesen, dass man das Ganze noch in eine glaubwürdige und nicht verherrlichende Geschichte packen kann.
ich denke großes Potential hat das “this war of mine”, das Krieg aus Sicht der zivilen Opfer zeigt.
Abwarten. 11bit sind ein gutes Studio und ich finde, dass Anomaly wirklich super ist. Aber eine solch ernste Thematik? Verlangt viel Fingerspitzengefühl, zumal das Szenario ja auch in einer sehr gegenwartsbezogenen Welt angesiedelt ist.
“Aber gerade deswegen könnte eine erneute Behandlung mit der Geschichte doch so interessant sein. Um es diesmal “richtig” zu zeigen und womöglich mit bestimmten Bildern zu brechen.”
An alle Kommentare unter meinem Post:
Mein Problem ist, wie will man da “gefühlvoll” ran gehen. Möglichst ohne mit erhobenem Zeigefinger und vor allem ohne jedwede Art von Propaganda? Und was ist “richtig” zeigen. Es gibt niemals nur schwarz oder weiß. Nehmen wir die Judenproblematik. Ein heißes Eisen. Wenn wir ehrlich sind, NIEMAND mochte damals die Juden, weder Engländer noch Franzosen noch Russen, sie wurden in Ghettos gesperrt, durften viele Berufe nicht ausüben etc.. Hätte Hitler keine Angriffskriege geführt sondern sich rein auf die Judenvernichtung beschränkt, dann hätten die meisten anderen Länder wohl eher applaudiert als einen Finger zu rühren.
Oh je, da habe ich ja jetzt was gesagt! Was ich ausdrücken wollte ist, es ist NIE alles nur schwarz / weiß. Und was die wirkliche Wahrheit ist, was Politiker (weltweit) gedacht und getan haben und was letztlich geschehen ist, das hat so viele Facetten. Nicht umsonst füllen die zwei Weltkriege ganze Bibliotheken.
Und ich kenne die Geschichte meiner Großeltern etwa. Mein Opa war im Krieg, sogar Fallschirmjäger, aber er hatte überhaupt keine politische Ansicht damals (zu jung) für ihn war das immer ein großes Abenteuer (Flugzeug fliegen, die Welt sehen), als er in Frankreich in Kriegsgefangenschaft war und auf einem Bauernhof arbeiten musste hat er mit der Bauerstochter “geschäkert” und ist sogar nach dem Krieg wieder zu diesem Hof hin, weil er in Deutschland zunächst keine Arbeit gefunden hat und hat dort dann freiwillig (gegen Lohn) wieder gearbeitet.
Dass also scheinbar die normale Bevölkerung die des feindlichen Landes nicht immer bis aufs Blut gehasst hat sondern die Menschen einfach alle nur unter dem Krieg gelitten haben, ihnen die Gründe und Politik aber schnurzpiepsegal waren, das erfährt man weder in Antikriegsfilmen noch im Schulunterricht. Denn dieses Bild passt weder zum bösen Deutschen noch zum Befreiten.
Man kann es sich in der heutigen Zeit eben kaum noch vorstellen, wie groß die gesellschaftlichen Unterschiede in der damaligen Zeit waren und wie wenig Wissen aber auch Einfluss die normale Bevölkerung letztlich hatte.
@Spiritogre:
Natürlich ist jede “Version” der Geschichte nie neutral, aber das heißt doch noch lange nicht, dass nicht eine gewisse Objektivität bemühen kann, anstatt auf die bekannten Feind- und Heldenbilder zu setzen. Filmisch gibt es doch auch einen klaren Unterschied zwischen einem “Rambo” mit klarer Schwarz-Weiß-Zeichnung und einem “Platoon”, welcher sich zumindest um eine andere Perspektive bemüht.
Geschichtsaufarbeitung kann nur richtig funktionieren, wenn mehrere Perspektiven bemüht werden, womit ein einzelnes Spiel sicherlich überfordert ist. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass dann eher Stereotypen bemüht werden, anstatt sich mal anständig und mit guter Recherche mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Und was “This War of Mine” angeht: Gerade dadurch, dass das Spiel den eigentlichen Konflikt nicht wirklich thematisiert, sondern sich nur mit dem Überleben der Zivilbevölkerung beschäftigt, zeigt doch schon eine “andere” Perspektive, um das Thema anzugehen.
Ich möchte mich einigen meiner Vorredner anschließen und ebenso betonen: Ein “Spiel”, dass die Ernsthaftigkeit und die Dramatik des Ersten Weltkrieges wiederspiegelt, klingt auf dem Papier nach einer interessanten Sache – aber sie würde in der Seriösität, wie sie sich Daniel wünscht, nicht in einem Ego-Shooter funktionieren – schon gar nicht in einem á la “Call of Duty”.
Sebastian spricht “Spec Ops: The Line” an, das ja vor ein paar Jahren als DER Anti-Kriegs-Shooter überhaupt gefeiert wurde – was ich nach wie vor nicht raffe. Ja, klar: Mir wird dort der Schrecken des Krieges vermittelt – aber das doch eigentlich wieder nur in geskripteten Zwischensequenzen, die in der Form genauso in einem Film funktioniert hätten. Der spielerische Kern ist und bleibt: Ballern. Und wer jetzt als Gegenargument die Szene rauskramt, in der ich als Spieler mehrere Zivilisten “versehentlich” mit Phosphor massakriere: Auch das ist mehr oder weniger geskriptet, weil ich es eh nicht verhindern kann. Mich hat gerade diese Szene fürchterlich aufgeregt, weil ich WUSSTE, was ich da mache – und es nicht verhindern durfte sondern gar genötigt wurde, es TROTZDEM zu tun.
Und da liegt die Krux begraben, diese “Ernsthaftigkeit” in solche Spiele zu stemmen: Wie soll das gehen, wenn ich einen Soldaten spiele, dessen primäres Ziel es ist “alles nieder zu ballern”? Was viele vergessen: Das Genre ist aus dem Spaß entstanden, “irgendetwas” abzuknallen – nicht mehr, nicht weniger. Entsprechend beißt es sich, wenn ich spielerisch gesehen ballere, aber storytechnisch gesagt bekomme: “Ey, Junge, das ist nicht gut, was du da tust:”.
Auf das von Lara angesprochene “This war of mine” bin ich immens gespannt. Der dort verwendete Ansatz klingt höchst interessant und könnte in der Tat als eine wirklich ehrlich Anti-Kriegs-Botschaft funktionieren. Doch da frage ich mich andersherum: Kann das “Spaß” machen? Sollte das “Spaß” machen? Wenn es keinen “Spaß” macht, ist es dann noch ein “Spiel”?
Will sagen: In einem Film oder bei einem Buch funktioniert eine solche Thematik, weil wir es passiv empfinden. Wir können leiden, trauern, uns hinein fühlen. Doch wenn wir “aktiv” im Spiel sind, wollen wir dann wirklich Teil eines “Grauens” sein, für das wir dankbar sein sollten, dass wir es nie in der Realität an der eigenen Haut gespürt haben?
Seid ehrlich: “The Last of Us” hat es deshalb “geschafft”, weil die Dramatik in den nicht spielbaren Zwischensequenzen steckt. Das Spiel selbst ist auch wieder Ballern pur – und zum Schluss kriegen wir ein “Happy-End” dafür, ein egoistisches Arschloch gewesen zu sein, ohne dass wir es hätten verhindern dürfen.
Vielleicht gibt es ein Rezept gegen dieses “Dilemma” – ich hab keinen Plan, wie das aussehen soll, aber ich bin der letzte, der stur behauptet: “DAS GEHT NIEMALS NIMMERMEHR!”. Aber ein “Call of Duty” wird es nicht lösen, egal ob mithilfe eines “realen” oder eines “fiktiven” Krieges – da bin ich mir sicher.
Sogar “Medal of Honor” hatte diese Antikriegstendenzen. :)
@ Spiritogre:
Was ich mit “es ‘richtig’ zeigen” meine, ist genau das, was du beschreibst. Es soll nämlich nicht darum gehen, eine Seite als Gut oder Böse darzustellen und gerade deswegen schreibe ich “Richtig” auch in Anführungsstriche. Es soll eben um diesen Grauton gehen und genau da sehe ich auch die Möglichkeit, dass ganze ohne Propaganda und Zeigefinger zu vermitteln. Indem man nüchtern zeigt, ohne ein Richtig oder Falsch. Oder zumindest nicht wieder zum Erbrechen die immer gleichen Bilder zu zeigen.
@ Andy:
Bezüglich Spec Ops: The Line will ich nicht so viel ins Detail gehen, weil ich an anderer Stelle etwas dazu schreiben will. Aber ich würde es auch als Antikriegsspiel bezeichnen, weil es eine Sache sehr richtig macht: Es macht mir nicht sonderlich viel Spass. Und genau das sollte Krieg auch nicht.
Davon ab würde ich aber einen “guten” WW-Shooter nicht ausschließen wollen. Ich denke nämlich, es würde schon reichen, wenn man einfach nur zeigt und vielleicht sogar ein Gefühl für diese damalige Zeit vermittelt. Vielleicht auch nur aufklären, ins Bewusstsein rücken oder einen “Kontext” schaffen. Aber eben ohne diese Sensationsgeilheit und die versuchten Schockmomente. CoD scheitert bei mir vorwiegend auch nur, weil es mir das Gefühl gibt, sich nur möglich gut verkaufen zu wollen und nicht ernsthaft etwas vermitteln.