Wir alle wissen ja, wie toll und beliebt Retro ist: Überall ploppen die groben Pixel auf, die Musik hört sich mehr und mehr nach 80er Jahre Synthi an und das Spielkonzept sollte möglichst mit maximal zwei Tasten auskommen. Doch das war Paul Koller nicht Retro genug: Er nahm den Indie-Hit “Canabalt“ und programmierte eine Umsetzung…für den Commodore 64!
Gleich die nächste Besonderheit von “C64anabalt“ hinterher: Ihr könnt es kaufen, in Modulform. Damit ist diese Version so ganz nebenbei die erste und bislang einzige des Flashhits, für die ihr eine Anleitung sowie Verpackung erhaltet. Beide sind schlicht gehalten und kaum größer als das Modul selbst. Dies ist etwas schade, so hätte ich mir für meine Sammlung eine Schachtel im alten C64-Cartridge-Format gewünscht.
Sei es drum: Das Projekt startete in Form eines 16K-Wettbewerbes. Diese 16K stehen für 16 KByte, was der maximal erlaubten Programmgröße entspricht. Was ein Kbyte ist? Nun… ein tausendstel von einem MByte. C64-Spiele brauchten eben nicht mehr Platz, wenn man sie gescheit programmierte. Jedenfalls hatte Paul Koller nur ein Problem mit dieser Grenze: Er hatte zwei Musikstücke für seine C64anabalt-Umsetzung zur Verfügung (eines, das dem Original entspricht, und ein völlig neues), die jedoch nicht beide gleichzeitig in die 16 KByte sowie auf die finale Cartridge passten. Deshalb konntet ihr im Shop von RGCD zwei unterschiedliche Versionen kaufen, jeweils mit einem der beiden Soundtracks versehen.
Cartridge bedeutet: Einstecken und loslegen. Ein Joystick sollte ebenfalls zur Hand sein, denn leider wird die Tastatur nicht unterstützt – ein wenig seltsam, wenn man bedenkt, dass C64anabalt nur einen Knopf zum Steuern benötigt. Dieser besagt: Springe! Wie im Original rennt ihr mit einem Männchen über einstürzende Hochhäuserdächer und müsst über diverse Hindernisse sowie Abgründe hüpfen. Eine Kollision bremst euch im besten Falle aus, meist jedoch sorgt sie für euren Tod. Dieser wird unweigerlich eintreten, denn ein Spielende gibt es hier nicht: Letztlich wird eure Laufdistanz gemessen, mit der ihr entweder prahlen oder sie verbessern könnt.
Die graue Retrografik orientierte sich bereits bewusst an der C64-Farbpalette sowie der niedrigen Bildschirmauflösung. Entsprechend ist es kein Wunder, dass Kollers Umsetzung dem Original auf den ersten Blick verdammt ähnlich sieht. Erst bei genauerem Hinsehen stellt ihr fest: Der Hintergrund besteht nur noch aus einer Ebene, die obendrein statisch ist beziehungsweise sich nicht bewegt. Ansonsten flattern bedeutend weniger Vögel umher, hingegen die Spielgeschwindigkeit erstaunlich hoch ist – und darauf kommt es letztlich an, oder?
Der Originalsoundtrack wurde gut von Mikkel Hastrup adaptiert, während mir das alternative Musikstück von Andreas Slotte weniger gefällt – ergo habe ich mich beim Kaufen für erstere Version entschieden. Dafür mangelt es dem Spiel an jeglichen Soundeffekten – vermutlich haben diese ebenso wenig in den 16 KByte-Anzug gepasst. Dem Spaß tut das keinen Abbruch: Die Spielbarkeit ist fantastisch und der Zufallsgenerator genauso unberechenbar, wie beim Ur-“Canabalt“.
Somit könnte ich diesen kleinen Bericht eigentlich zu den Akten legen, wenn… ja, wenn es nicht eine zweite C64-Version des Spieles gäbe! Diese stammt von Andeas “Mr. SID“ Vargas und ist rein als Download erhältlich (wobei ihr auch “C64anabalt“ umsonst für Emulatoren herunter laden dürft, kostenpflichtig ist einzig die Modulvariante). Um genau zu sein war Paul Koller noch am Werkeln seines “C64anabalt“, als Vargas die gleiche Idee aufgriff und schneller fertig stellte. Auch ist er indirekt Schuld daran, dass es von “C64anabalt“ zwei Versionen gibt: Mikkel Hastrup adaptieret Originalmusik entstammt nämlich aus dieser Umsetzung. Sie wurde nachträglich auf Wunsch der Fans in Paul Kollers Cartridge-Version implementiert.
Die Version von Andreas Vargas ist in zweierlei Hinsicht besser: Der Hintergrund besteht aus mehreren scrollenden Ebenen und es gibt zumindest ein paar Soundeffekte. Dafür spielt sie sich nicht ganz so flüssig und die Spielfigur dotzt beim Sprung innerhalb eines Gebäudes nicht an die Decke. Ansonsten schenken sich die beiden Umsetzungen nichts und zementieren die C64-Tauglichkeit von “Canabalt“.
Ursprünglich wollte ich euch abschließend zum Kauf der Cartridge animieren, doch leider ist diese bereits ausverkauft. Die Kosten betrugen inklusive Porto etwas weniger als 25 €, was wohl mehr Leute zum Kauf animierte, als der Betreiber von RGCD annahm. Eine Neuauflage ist jedenfalls unwahrscheinlich… beziehungsweise wäre in dieser Sparte fast schon einmalig.
Ich finde es toll, dass immer noch Spiele für den C64 entwickelt oder umgesetzt werden. Allerdings muss ich zugeben, spielerisch macht es wenig Sinn, da das Browserspiel ja besser aussieht und kostenlos ist. Wozu also den Emulator anschmeißen? Davon ab ist Anabalt nicht meins. Ich möchte schon das Erlebnis spüren einen Level geschafft, ein Spiel bewältigt zu haben.