Schon einmal erlebt? Eher zufällig hört ihr zum ersten Mal von einem Spiel, das plötzlich erschien. Ihr guckt euch Bilder an, klickt euch zu Youtube-Videos, lest die Beschreibung bei Steam, schaut mal auf der Webseite vorbei. Alles klingt vielversprechend, spannend, kreativ, innovativ – typisch „Indie“ halt. Schnell geladen, ausprobiert und….soso. Aha. Nunja. Okay. Ganz nett. Oder? Ach, ich weiß nicht…
Eigentlich, eigentlich…
Ich erfuhr von „Betrayer“ irgendwie nebenbei, die Screenshots weckten sofort mein Interesse. Ein monochromes 17. Jahrhundert mit Mystery-Elementen? Survival-Elemente, weitläufige Spielwelt und ein schreckliches Geheimnis, das auf seine Enthüllung wartet? Klasse! Aber schon der Start war ernüchternd: Kein stimmiges Intro, keine Sprecher, keine Infos. Bin ich schon so verwöhnt, dass ich von einem Spiel einen angenehmen Einstieg erwarte, der mich an die Hand und auf eine Reise nimmt? Bei „Betrayer“ werde ich in ein Szenario geworfen, das in mir erst einmal nichts weckt. Das ist schon einmal keine gute Ausgangssituation.
Doch da ist die Optik! Ihr stiefelt aus der Ego-Perspektive durch völlig farblose Waldgebiete. Schwarz. Weiß. Grau. Und Rot – bei wichtigen Objekten, Blut, Gegnern. Das erinnert dezent an eine harmlose Version von “Mad World”, auf gewisse Weise. Wenn sich die monochromen Bäume und Sträucher im Wind wiegen und plötzlich ein roter Fleck mit dubiosen Informationen auftaucht, entsteht eine ungewöhnliche Atmosphäre, die ihr nicht alle Tage zu Gesicht bekommt. Dieses starke Element nutzen die Entwickler von Blackpowder Games anfänglich auf clevere Art und Weise. Als eine merkwürdige Frau mit roter Kappe erscheint und um Hilfe bittet zum Beispiel. Oder als Hilfe bei der Orientierung. Umso weniger verstehe ich, wieso ich in den Optionen jederzeit die Kolorierung aktivieren und so die Stimmung mit drei Mausklicks komplett zerstören kann. Vermutlich ist das eh nicht so tragisch…
…denn mal ehrlich: Nach einer Weile mit „Betrayer“ hatte ich echt keinen Bock mehr. Die Geschichte wird nur durch hässliche Texttafeln erzählt, packend ist das nicht. Ein roter Faden, der gerade bei diesem Spiel wortwörtlich sinnvoll gewesen wäre, fehlt mir einfach. Von dem lahmen Kampfsystem ganz zu schweigen. Sowieso ist dieses Werk für mich mehr eine pseudo-tiefgründige Schnitzeljagd, bei der ihr durch die Botanik irrt und alles erlebt – nur kein fesselndes Abenteuer. Dabei sehe ich bei der visuellen Darstellung und dem Grundgedanken der Story (Was geschah mit Siedlern in Neuengland im Jahr 1604?) so unglaublich viel Potential. Hätten die Entwickler doch einfach die Spielwelt verkleinert und die Anzahl wirklich interessanter Ereignisse erhöht. Und wozu dieses dämliche Shopsystem oder das schnelle Reisen durch die Gegend? Das zerstört auch noch den letzten Hauch Glaubwürdigkeit in diesem Szenario.
Zu viel
„Betrayer“ ist für mich so ein Beispiel, bei dem die Macher wohl zu viel wollten: Wozu eine recht offene Welt, wenn es in dieser kaum etwas zu spielen gibt? Warum mir unzählige, fad schmeckende Storyfetzen zum Fraß vorwerfen, wenn sie die Spannung nicht einmal entstehen lassen können? Und weshalb brauche ich ein unkonventionellen s/w-Look, wenn ich ihn sofort deaktivieren kann und er letztlich nur zwei, drei besondere Situationen im Spiel ermöglicht? Das ist alles insgesamt nicht mehr als vergebene Müh, die auch noch 20 Euro kostet. Sorry.
Hach, ich finde „Betrayer“ nicht total mies. Echt nicht. Nur irgendwie ist das Werk ein Beispiel von vielen „Indie”-Spielen der letzten Zeit, die mehr sein wollen, als sie am Schluss sind. Wenn’s beim nächsten Humble Bundle mal verschleudert wird, nehmt es gerne mit. Sonst ist es für mich ein beliebiges, recht langweiliges Spiel, das mit seinem Stil und der Grundidee lockt, dann aber kaum mehr als heiße Luft bietet.
Weitere Details gibt’s auf der Hersteller-Webseite, erwerben könnt ihr den TItel bei Steam.
tl;dr: Gelungener Stil. Spiel mit Potential, sonst lala. Müsst ihr nicht kaufen.
Ich glaube, der große Trend um Kickstarter und Indie zieht so langsam vorbei. Immer mehr Spieler merken, dass diese kleinen Titel zu viele Unzulänglichkeiten haben und häufig nicht der große Wurf sind, für den sie bei der Ankündigung im Netz gehypt werden.
Auch Indie-Entwickler kochen schließlich nur mit Wasser und ihre begrenzten Resourcen sorgen zu oft für Einschränkungen im Vergleich gerade zu “Indie-look-alikes” wie Rayman, Child of Light, Might & Magic X und Co., wo eben Ubisoft zwar günstig produziert, im Zweifel aber eben noch mal eine Millionen mehr drauflegt oder ein paar Leute ins Team abstellt, damit das Produkt am Ende auch wirklich rund wird.
Ich habe für mich festgestellt, dass Indietitel netter Fastfood für Zwischendurch sind. Immer mal wieder gerne ein Ründchen, ein paar Minuten. Aber wenn ich mehrere Stunden am Stück zocke, dann will ich einen ausgewachsenen großen Titel.
Ich weiß nicht genau, ob der Indie-Trend vorbeizieht. Ich schätze eher, dass sich die Indie-Szene professionalisiert – und dann wieder die Frage aufkommt, ob das dann überhaupt noch Indie ist bzw. sein kann. Und du sagst es schon – dieser Indie-Look von großen FIrmen ist auch so etwas, was ich etwas eigenartig finde. Andererseits ist es auch gut für Gamer: Für 15-20 Euro bekommt man eben keinen Millionen-Blockbuster. Das weiß man schon im Vorfeld. Und das macht die Sache ja schon fair und in Ordnung. Nur ich denke, man muss eben auch bei Indie-Spielen mehr Kritik übel, wenn etwas nicht so toll ist. Betrayer kostet 20 Euro – das ist eben kein Billig-Spiel für 3,99 EUro oder so….
Der Preis ist so ein Problem bei Indie-Games. Ich werde in Foren jedes Mal gelyncht, wenn ich sage, bei mir müssen Indie-Spiele mit älteren ehemaligen Vollpreistiteln konkurrieren und da können sie eben quasi nie mithalten. Nur ich bekomme eben, etwa als Vollversion auf Zeitschriften, auf dem Grabbeltisch im Kaufhaus und ja, meinetwegen (ich eher nicht aber andere) in Steam Sales erstklassige Spiele für oft nicht einmal fünf Euro. Wenn ich dann die Wahl habe, ein Alan Wake oder ein Far Cry 2, Tropico 4 etc. für quasi einen Appel und ‘n Ei zu kriegen, dann haben Indie-Titel keine Chance mehr.
Vor allem kommt dazu, ich spiele solche kleinen Games dann auch lieber auf dem Tablet, weil sich das einfach dafür besser anbietet als mein großer PC. Und ich habe ehrlich gesagt dort noch nie auch nur einen Cent für ein Spiel ausgegeben, obwohl ich inzwischen etliche (eigentlich kostenpflichtige) habe, mehr als ich spielen kann. Dank dafür an Android Giveway of the Day und den Amazon App Shop, die halt jeden Tag kostenpflichtige Apps für 24 Stunden für umsonst anbieten. Also warum Geld dafür ausgeben?
Meine Einstellung ist höchst egoistisch, klar. Anders herum, solange Spielefirmen mehr Geld verdienen als ich habe ich kein Problem damit, ihre Games umsonst abzugreifen, wenn sie sie anbieten. Bei Origin gab es letztens Dead Space 1 und derzeit Plants vs Zombies kostenlos. Wäre ich irgendwie dumm, wenn ich das nicht mitnehmen täte.
Nur wie gesagt, das ist alles schlecht für die Indies. Solange es aber noch genug Dumme äh treue und engagierte Fans gibt, die gerne ihr Geld für ihr Hobby zum Fenster raus schmeißen, egal ob für überteuerte Indie-Titel, Kickstarter-Projekte, Early Access Programme, Steam Greenlight oder was weiß ich nicht noch alles, solange können die Hersteller auch nicht klagen und Leute wie ich, die die Konkurrenzsituation schamlos ausnutzen spielen mehr als je zuvor und geben dafür weniger als je zuvor aus … ;)
Hier mal zwei bekannte Spieletitel, die derzeit umsonst für Android zu haben sind.
Contra Evolution:
https://play.google.com/store/apps/details?id=cn.konami.contraevo.gp&hl=en
Sonic Racing Transformed:
https://play.google.com/store/apps/details?id=com.sega.sonic.transformed&hl=en