Ich müsste sie lieben, vergöttern, verehren. Sie bieten nämlich das, was ich mit zunehmendem Alter von anspruchsvolleren Spielen erwarte. Tiefgang, Dramatik, Emotionen, Humor – gerne kombiniert mit Gesellschaftskritik, Mystery und Verschwörungen. Vor allem im Bereich des Geschichtenerzählens scheinen klassische Point’n’Click-Adventures genau das Richtige für mich zu sein, vielleicht sind sie anderen Genres hier haushoch überlegen. Zumindest in der Theorie sind die Rätsel-Abenteuer sogar Kinofilmen näher, als ein x-beliebiger Actionshooter. Schaue ich mir „The Whispered World“ (melancholisches Drama), „Tales of Monkey Island“ (Humor), “Lost Horizon” (“Indiana Jones”-Stil), “Black Mirror 2” (Mystery), “Gray Matter” (Grusel), “Machinarium” (emotionale Roboter-Odyssee) oder “Runaway: A Twist of Fate” (Verschwörungs-Thematik) an, dann wird mir hier wirklich inhaltlicher Abwechslungsreichtum für jede Gemütslage geboten. Das ändert allerdings nichts an den grundsätzlichen Spielmechanismen, mit denen ich mich seit jeher schwer tue.
Wenn ich nicht unbedingt muss, mache ich in der Regel einen großen Bogen um Adventures. Das letzte Mal hatte ich mit „Day of the Tentacle“ wirklich großen Spaß, das ist locker 15 Jahre her. Doch auch aktuelle Titel konnten in mir Freude wecken, darunter „Geheimakte Tunguska“ aufgrund der äußerst faszinierenden Hintergründe oder „Lost Horizon“, welches mich frappierend an den gleichnamigen Filmklassiker (dt. Titel: „In den Fesseln des Shangri-La“) erinnerte. Nicht unerwähnt sollte das völlig kranke „Hector: Badge of Carnage“ für iPhone bleiben, das mit typisch britischem Humor regelrecht um sich schoss. Alle vier Spiele konnte ich zugegebenermaßen nur mit Komplettlösungen ertragen. Ich befürchte, dass ich für die Puzzlelogik von Point’n’Click-Adventures schlichtweg zu einfältig bin?
Trotzdem wollte ich dem Genre noch eine weitere Chance geben – ganz ohne den Zwang heraus, einen Titel zocken zu müssen. Ich entschied mich für „A New Beginning“ von Daedalic. Nicht ganz grundlos, denn die Story klang wieder einmal mehr als nur reizvoll. So griffen die Hamburger Entwickler die Klimakatastrophe auf, die zum Ende der Welt führen wird – irgendwann in ferner Zukunft. Kritische Seitenhiebe, die in eine clevere Handlung eingebettet wurden, versprachen mir zahlreiche Rezensionen, die pünktlich zum Release am 8.Oktober 2010 auftauchten. Auch ich hatte rechtzeitig „A New Beginning“ auf meinem Schreibtisch liegen, allerdings war die Motivation, es spielen zu wollen, wie gewohnt enorm niedrig. Anfang Oktober installierte ich den Titel, schaute mir im November die schöne Verpackung an, stöberte im Dezember in dem informativen Handbuch und spielte nebenbei den ersten Patch auf. Zum eigentlichen Loslegen konnte ich mich nicht überwinden. Seltsames Phänomen. Im Januar 2011 sollte es dann soweit sein.
„A New Beginning“ verfügt ganz genau über das, was ein Point’n’Click-Adventure heutzutage auszeichnet. Die Geschichte beginnt sehr vielversprechend, bei der das Ende unseres Planeten eingeläutet wird. Glücklicherweise kann ein Forscherteam in die Vergangenheit reisen, um den Menschen im Jahr 2050 zu verdeutlichen, dass es mit der Menschheit nicht rosig aussieht, wenn sie weiter die Erde verschmutzt und den Treibhauseffekt vorantreibt. Die letzte Hoffnung für die humanoide Rasse ist der Bio-Ingenieur Bent, der fernab der Zivilisation irgendwo in der Pampa Norwegens lebt. Das ist kein Wunder, schließlich stehen Großstädte unter Wasser, Wirbelstürme wüten in ehemals bewohnten Gegenden und Wüsten breiten sich immer weiter aus. In 39 Jahren ist hat unsere Gesellschaft also den Zenit längst überschritten? Jedenfalls besucht die Zeitreisende Fay aus der fernen Zukunft ihren Kollegen Bent aus der nahen Zukunft, um ihn dazu zu überreden, sein Projekt wieder aufzugreifen. Bevor er sich durch ein schlimmen Schicksalsschlag zur Ruhe setzte und die Arbeit an seinen Sohn abgab, konzentrierte er sich auf eine saubere und erneuerbare Energie, die viele Schwierigkeiten der kommenden Jahrzehnte hätte beseitigen können.
In „A New Beginning“ liegt es an euch, die Menschen und ihr Dasein zu retten. Der Verlauf gefällt mir ausgesprochen gut, die Charaktere agieren zum Großteil glaubwürdig und verstärken die bedrückende sowie fast deprimierende Atmosphäre. Dies liegt zum Teil an den handgezeichneten Grafiken und der erstklassigen Sprachausgabe, die Stimmung sofort aufkommen lassen. Dass die Zwischensequenzen an Comics erinnern, intensiviert den Eindruck, die Macher wollten absichtlich ein Graphic-Novel erschaffen. Obgleich wenig zeitgemäßer Technik stimmt das Präsentierte absolut. Nur manchmal stört es mich, dass es hier und da an Hintergrundmusik mangelt und dadurch die emotionale Tragik etwas auf der Strecke bleibt. Wett gemacht wird diese Kleinigkeit zum Beispiel durch die Beziehungen der Figuren zueinander. Wieso sich Bent nicht mehr mit seinem Sohn versteht, zum Beispiel.
Die klitzekleinen Makel wären für mich in keiner Weise schlimm, wäre da nicht die Hauptkomponente, mit der ich mich nach wie vor nicht anfreunden kann: Point’n’Click. Natürlich leben solche Adventures von dem Kombinieren von Gegenständen, dem Lösen von Rätseln und dem „Um die Ecke denken“, nur was machen Leute wie ich, denen das schlichtweg zu anstrengend ist? Richtig, sie greifen wieder zu Komplettlösungen (die zu „A New Beginning“ auf Gameswelt ist übrigens mächtig oberflächlich!). Der Wechsel zwischen Spiel und Internethilfe kratzt den Spaß an, optimal ist das also nicht. Genauso nervt mich diese Eindimensionalität. Erst wenn ihr bestimmte Ereignisse ausgelöst habt, geht es weiter – alternative Wege existieren schlichtweg nicht. Obwohl „A New Beginning“ stark Richtung böse Utopie schielt, ist mir das Bewältigen von vorgegebenen Puzzles zu unrealistisch. Die Komfortfunktionen wie das Anzeigen von nutzbaren Gegenständen oder das Überspringen mancher Aufgaben genügt mir beiläufig erwähnt nicht. Sie ändern ja nichts an dem eigentlichen Spielprinzip bzw. den Rätseln, von denen in der Realität vermutlich nur einige wenige in dieser Form funktionieren würden.
Ich zweifle keine Sekunde daran, dass „A New Beginning“ ein sehr guter Vertreter seiner Zunft ist, dafür sind die Wertungen der Presse zu hoch. Und ein wenig vertraue ich der schon. Ich weigere mich allerdings zu glauben, dass Adventures nicht für mich geeignet sind, eventuell weil ich ein grobmotorischer Action-Spielertyp bin. Denn zu sehr interessieren mich die Geschichten der Entwickler, denen ich mich ungern entziehen möchte. Nur die Point’n’Click-Elemente, die sich in den letzten 20 Jahren nur geringfügig geändert haben, stoßen stets auf mein persönliches Unverständnis. Es muss doch auch anders gehen, oder? Was wäre denn, wenn ein Adventure neben einer schönen Geschichte Rätsel besitzt, die nichts anderes sind als authentisch? Sozusagen dem Leben nachempfunden. Eine gewisse Seriosität vorausgesetzt, würde man eben keine komischen Maschinen zusammen bauen, Tiere in Mikrowellen stecken oderdämlichen „Sokoban“-Quatsch überstehen. Stattdessen würde der virtuelle Protagonist genau das erledigen, was der Spieler im „Real Life“ auch dank seines Verstandes tun würde. Womöglich würde dies den Schwierigkeitsgrad und somit die Gesamtspielzeit deutlich verringern, allerdings würde mich ein solches Adventure-Experiment vermutlich perfekt ansprechen, sofern die Geschichte interessant genug ist. Oder wäre das Resultat dann so etwas wie „Heavy Rain“? Vielleicht ginge es dann Richtung Wimmelbildspiel? Wobei, die Adventure-Abart ist seit einigen Jahren äußerst populär, Titel wie „Natalie Brooks: Die Geheimnisse des verlorenen Königreichs“ (u.a. iPad) wurden ebenso mit einer hübschen Story ausgeschmückt…
Es ist ein wenig unfair, dass „A New Beginning“ die Vorlage war, mit der ich meine Point’n’Click-Unfähigkeit zum Ausdruck gebracht habe. Denn objektiv betrachtet muss Deadalics Kreation eine Empfehlung für Liebhaber dieser Spiele sein. Letztlich stimmt ja alles, also auf gewisse Weise. Aber vielleicht ist meine „Kritik“ ein Grund, warum Adventures trotz ihres Alters den Massenmarkt im 21. Jahrhundert nicht mehr erreichen.
Der ARtikel könnte genauso auch von mir stammen, ich kann dein Problem zu 100% nachempfinden.
Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal ein Point & Click-Adventure komplett ohne Lösung durchgespielt habe. Ehrlich, weiß ich tatsächlich nicht. Und das, obwohl ich mich selbst als Fan des Genres bezeichne.
Aktuelles Beispiel: Ich spiele gerade The Whispered World. Ich LIEBE das Konzept, die Art Direction, die Charaktere. Aber nach 2, 3 Stunden habe ich trotzdem die Lösung rausgekramt. Ich spiele Point % Clicks, weil ich eine Geschicht eerleben möchte und aus keinem anderen Grund – die Rätsel sind für mich sogar nur Beiwerk, ein Mittel zum Zweck.
Ich spiele es selbst so weit wie es geht, aber sobald ich 15, 20 Minuten an einer Stelle hänge und merke, dass ich selbst auf keine logische Antwort komme (oft -gerade bei The Whispered World- weil es die gar nicht gibt), dann schaue ich in eine Lösung. Weil es ansonsten nur zur Arbeit für mich wird, in jedem Bildschirm jedes Objekt mit jedem Gegenstand einmal zu benutzen, bis ich an die richtige Lösung gerade. Auch wenn Sadwick mich nicht mit einem einfachen “Das geht nicht” abspeißt ist das kein großer Spaß für mich.
Trotzdem machen mir diese Spiele großen Spaß und Titel wie Baphomets Fluch oder Syberia gehören sogar zu meinen All-Time-Favorites.
Ich liebe Adventures und auch die Point und Click Steuerung. Aber ich bin damit groß geworden. Angefangen mit Monkey Island, Indy oder Day of Tentacle bin ich dem Genre treu geblieben. Und obwohl ich zwischendrin dann doch liebend gern das ein oder andere Rollenspiel spiele, kauf ich auch heute das eine oder andere Adventure und spiel das dann gepflegt durch.
Empfehlen kann ich dir Black Mirror 3, das kommt im Februar und hat mich bei der Präsentation auf der gamescom bei dtp schon sehr überzeugt.
Zumindest Tales of Monkey Island war größtenteils sehr gut ohne Komplettlösung zu spielen. Ich habe nur einmal kurz gelinst, weil mir eine Trial-and-error-Stelle sonst zu nervig geraten wäre. Das meinten die Fachmagzine wohl mit “viel zu einfach”. Sorry Leute, entweder müsst ihr mich auch irgendwie unterhalten, wenn ich eine halbe Stunde nicht auf die Lösung des Rätsels komme, oder eben alles etwas zugänglicher stricken. DOTT habe ich ja auch irgendwie so geschafft.
Das erste Black Mirror habe ich gespielt – es war allerdings auch so ein Frustkandidat, in dem man einige Sachen erst benutzen kann, wenn man andere Sachen gemacht hat und auf Gegenstände zehn mal klicken muss, damit sie was tun. Vielleicht ist das ja bei 2 und 3 anders.
Hallo!
Black Mirror ist eine der besten Spieleserien im Adventurebereich.
Wenn Du Black Mirror noch nicht gespielt hast, dann empfehle ich Dir die Black Mirror Collection mit allen 3 Spielen!
Dich erwartet sehr gute Unterhaltung!
Gruß Ludwig
Warum müssen sich Genres immer ändern? Es gibt genügend Spieler, die diese Adventures genau deswegen spielen, weil sie sind, wie sie sind.
Wenn du nur die Story erleben möchtest ohne Rätsel, dann muss man einfach die Komplettlösung dazu lesen. Wenn aber selbst das einem schon zu viele Mühen sind – naja, dem kann man auch nicht helfen und dann sollte derjenige es wirklich lieber sein lassen.
Mir hat jedenfalls “A New Beginning” gut gefallen. Die Rätsel waren auch nicht schwer und meistens auch logisch, wobei ich auch an 2 oder 3 Stellen in die Lösung gelinst habe, weil ich auch nicht unbedingt die größte Geduld habe und eine halbe Stunde an einer Stelle feststecken möchte, sondern unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht.