Normalerweise habe ich das Gefühl, bestens über Spiele informiert zu sein. Klar, ich sitze quasi an der Quelle, verdiene unter anderem mein Geld mit der digitalen Zerstreuung und habe auch privat meinen Spaß auf Konsolen und dem PC. Doch was passiert, wenn ich mich freiwillig von meinem Hobby, meiner Leidenschaft, meinem Beruf abwende?
Ich fuhr in den Urlaub. Keine Handheldkonsole im Rucksack, keine Xbox 360 im Koffer. Einzig mein Laptop und mein Smartphone schafften den Weg in die Reisetaschen. Erstgenannten brauchte ich zum Abrufen meiner Mails und Planen von Routen. Zweitgenanntes, um mich nicht im Wald zu verirren und den nächsten Biergarten zu finden. Ach, und um erreichbar zu sein. Aber wer wollte mich schon anrufen? Auf Spiele verzichtete ich absichtlich. Erholung vom Entertainment! 14 Tage ohne die neuesten Top-Titel. Und so gingen an mir „Deus Ex: Human Revolution“, „Dead Island“, „Bodycount“ (ja! Hätte mich gereizt!), „Resistance 3“, „Warhammer 40k: Space Marine“, „El Shaddai“ und zig andere Titel vorbei, die mich mal mehr, mal weniger interessiert hätten. Zumindest spielte ich sie nicht pünktlich am Erscheinungstag.
Ärgerte ich mich darüber? Freilich nicht, schließlich verbrachte ich einen schönen Urlaub. Wobei ich schon ein schlechtes Gewissen habe: Wenn ich jetzt genannte Spiele unter die Lupe nehme, bin ich gar nicht mehr auf der Höhe der Zeit. In dieser Branche gehören eine Woche alte Produkte längst der Vergangenheit an. Und niemand scheint mehr darüber sprechen zu wollen. Würde ich auf Poly etwas darüber schreiben – wer interessiert sich schon noch für die alten Gurken? So ist jedenfalls mein subjektives Gefühl. Doof. Außerdem zieht es mich stets zu den neuesten Dingen. Kein Wunder, dass mein Stapel ungeöffneter Spiele kontinuierlich wächst. Und so vergrößert sich dieser nach dem Urlaub weiter. Furchtbar, diese Konsumgeilheit.
Andererseits ist es für mich eine interessante Erfahrung. Zwei Wochen ohne Spiel, eine Abkehr von der launigen Seite des Alltags. Muss ich mir Sorgen machen, nichts vermisst zu haben? Nicht einmal einen Gedanken verschwendete ich an virtuelle Welten und böse Gegner. Der Tapetenwechsel war vermutlich zu dominant, als dass er Platz für kurzweiliges Kopfkino geboten hätte. Nur wenn ich nichts vermisse, benötige ich es dann in meiner Realität – also abgesehen von der Notwendigkeit, Geld verdienen zu müssen? Ich bin unschlüssig und verwirrt. Ein Leben ohne Spiel ist denkbar, weil sich genügend Alternativen finden, die die neu gewonnene Freizeit füllen könnten. Die Frage ist aber: Möchte ich das? Wenn ja, womit bestreite ich dann zukünftig meinen Lebensunterhalt? Wie sonst kann ich so effektiv und interaktiv dem tagtäglichen Wahnsinn entfliehen? Und ich sollte nicht vergessen, wie viel Freude ich in der Vergangenheit mit dem einen oder anderen Spiel hatte.
Es scheint ein Dilemma zu sein: Einerseits könnte ich auf Spiele verzichten. Andererseits möchte ich nicht. Oder kann nicht. Eine physische Droge, die nach mir ruft, sobald ich wieder die schnieke Verpackung eines Blockbusters in der Hand halte. Jedoch kann ich von ihr loskommen, wenn ich mag.Das hat mir mein Urlaub verdeutlicht. Bei Zigaretten geht das nicht so einfach…
Meine Erkenntnis? Ich benötige keine Spiele. Eigentlich. Aber wieso sollte ich mich selbst daran hindern und Enthaltsamkeit üben? Ich mag sie, ich freu mich auf sie, ich habe Spaß mit ihnen. Doch keinesfalls nehmen sie mein Leben so sehr ein wie ein „klassisches“ Suchtmittel. Ich kann mich noch für andere, reellere Sachen begeistern. Und irgendwie beruhigt mich das ungemein. Spiele sind ein Teil von mir, und ich kann entscheiden, wie ich sie dosiere.
Das ist ein guter Test um herauszufinden ob man wirklich süchtig ist oder nicht. Wenn man am Ende des Urlaubs nur an Spielen denkt, ist man es höchstwarscheinlich.
Als ich 18 war, hatte ich mal mit der Jugendgruppe 2 Wochen Urlaub in der Schweiz gemacht. Es gab keinen einzelnen Bildschirm oder anderen digitalen Schnick-Schnack. Dank gutem Rahmenprogramm war ich auch gut abgelenkt.
Als ich aber wieder Zuhause ankam, hatte ich einen komischen Effekt als ich auf den Fernseher starrte: Es kam mir ungewöhnlich und künstlich vor. Meine Augen mussten sich erst wieder dran gewöhnen, dass es bewegte Bilder auf der Stelle gibt.
Fernsehen gucke ich seit einiger Zeit nicht mehr da zu 99,9999% nur Schrott läuft, aber 2 Wochen lang hin und wieder auf ein kleines CasualGame (oder etwas, was man schnell Zwischendurch spielen kann) zu verzichten würde mir jetzt schwer fallen, außer es gibt einiges zum Ablenken wzB Freunde/Leute, mit denen ich einiges unternehmen oder analoge offline Gesellschaftsspiele spielen kann.
Ich musste zweimal nachschauen, ob du wirklich nur von 2 Wochen sprichst, und nicht von 2 Monaten oder 2 Jahren. Bei aller Liebe, aber das ist doch kein Zeitraum, bei dem solche “Entzugserscheinungen” wirklich auftreten würden. Noch dazu im Urlaub, da ist man ja eh abgelenkt. I dare you: Probiere dieses Experiment zuhause im Alltag aus und mal 4-8 Wochen und du wirst merken, wie sich Spiele in deinen Kopf gefressen haben… Aber es gehört ja zum Bild des Süchtigen dazu, sich selbst einzureden, dass man nicht süchtig wäre. Von daher passt dein Text ja dazu! HA!
Hehe. Du meinst, ich bin süchtig? Naja, ich denke, wie bei Zigaretten oder von mir aus Alkohol würden sich Entzugserscheinungen bereits nach 1-2 Tagen bemerkbar machen. Klar, in einem anderen Umfeld (Urlaub) denkt man an andere Dinge, aber wäre ich ernsthaft süchtig und “gefährdet”, hätte mein Geist schon gesagt: “Spiel doch mal wieder”. Zudem hatte ich im Urlaub ja auch Zeit, mich zu erholen und andere Dinge zu tun – die Zeit hätte ich auch mit Spielen vertreiben können.
Ich denke durchaus, dass eine längere Testphase zum gleichen Ergebnis geführt hätte. Ist doch auch bei anderen Drogen so: Der Entzug ist zu Beginn härter als nach einiger Zeit. Ich verweise mal auf..ähm…Trainspotting? :D
Ich glaube, dass Spiele da anders wirken. Mir macht es zum Beispiel überhaupt nichts aus, mal ein paar Tage nicht zu spielen, im Gegenteil. Wenn ich ein Spiel durchgespielt habe, habe in der Regel am Tag drauf keine Lust, etwas neues anzufangen. Denke, dass ich aber auf Dauer nicht wirklich glücklich wäre, müsste ich ohne Spiele auskommen. Mir würde wahnsinnig viel fehlen. Aber auf kurze Sicht hätte ich keine Probleme damit, mal 1-2 Wochen ohne Spiele zu sein, vor allem nicht, wenn ich beruflich unterwegs oder im Urlaub bin. Im Alltag stelle ich mir das deutlich schwerer vor, vor allem, je mehr man dann bei anderen von tollen Spielen hört oder liest…
Bei Dir kommt ja noch dazu, dass Du täglich einen Podcast über Spiele machst. Ohne geht es bei Dir nicht, sonst würde ich sagen: Probiere es doch mal aus. Denn ich gehe echt davon aus, dass es nach 4-5-6 Wochen immer leichter wird, auf Spiele zu verzichten. Sicher, 14 Tage im Urlaub sind ne kurze Zeit. Aber eines hat es mir klar verdeutlicht: Habe ich genügend Alternativen parat, brauch ich keine Spiele. Wenn ich daheim bin, hab ich freilich genügend Verlockungen: Schränke voller Spiele, die Konsolen neben dem TV und natürlich mein eigenes Surfverhalten – ich schau halt ständig auf Spieleseiten vorbei. :)
Ich würde es ehrlich gesagt zu gerne mal ausprobieren, so sagen wir zwei Monate auf Spiele zu verzichten. Aber das ist ja mit dem Job quasi gar nicht vereinbar…es sei denn, jemand bezahlt mich in der Zeit für meine finanziellen Ausfälle. :)
Interessanter Artikel Sven. Ich habe mich während meiner fünfwöchigen, urlaubsbedingten Abwesenheit auch mit der Thematik beschäftigt und bin zu einem ähnlichen Schluss wie Manu gekommen.
Unter “stark” veränderten Bedingungen haben wir unsere Medien-“sucht” ganz gut unter Kontrolle. Schliesslich lenkt der geplante Tapetenwechsel – Urlaub – ausreichend ab. Wieder im Alltag angekommen, verfallen wir dann sehr schnell in alte Gewohnheiten und Muster.
Ich hatte während meiner Abwesenheit, zumindest in der Zeit in der mir mein Smartphone samt Verbindung zur digitalen Welt zur Verfügung stand, kein großes Bedürfniss meine Feeds abzurufen, um beispielsweise die Vorbereitungen der PR-Monster auf die diesjährige gamescom zu verfolgen. Angekündigte Highlights waren mir zu dieser Zeit egal, da ich die Messe eh nicht besuchen konnte. Mir war bewusst, dass mir alle Neuigkeiten und Highlights, die ich so “verpasste”, auch noch zu einem späteren Zeitpunkt in Erfahrung bringen könne. Angst etwas zu verpassen hatte ich aus diesem Grunde, nicht. Ein angekündigtes Highlight wird auch noch 5 Wochen nach der Erstankündigung ein Highlight bleiben – mit dem Vorteil alle Teaserinfos auf einen Schlag “abarbeiten zu können”. Ein gues, während dieser Zeit erschienenes Spiel, wird nichts von seiner Qualität verloren haben und nach 5 Wochen noch genausogut (oder dank diverser verfügbarer Patche, sogar noch ein Stück besser sein).
Ziemlich ähnlich verhielt sich dies auch mit allgemeinen Meldungen und Nachrichten. Meine digitalen Abos, die ich mir – sofern möglich – per Mail auf den Kindle schicke, habe ich nur zwei Mal innerhalb der fünf Wochen per Wifi-Sync abgerufen. Von den 30 TAZ und 5 Die Zeit Ausgaben aus diesem Zeitraum, habe ich nur wenige Ausgaben überfolgen (den Großteil davon während des Rückflugs). Natürlich gingen mir einige Gedanken rund um das Weltgeschehen durch den Kopf. Das für mich zum Zeitpunkt des Abflugs interessanteste Thema – Die Entscheidung rund um das Euro-Rettungspaket – verschwand mit ähnlich herbeigeführter Logik schnell wieder aus meinen Kopf: “Ändern kann ich es eh nicht, Resultate werde ich nach meiner Rückkehr schon erfahren”
Zwei Wochen nach meinem Urlaub habe ich meinen Feedreader überflogen und mittels “Mark all as read” abgearbeitet, einige entgangene Podcasts selektiv gehoert und angefangen Bastion zu spielen – bestärkt in dem Gefühl während meiner Abwesenheit nichts verpasst zu haben, was sich nicht jetzt auch noch nachholen läßt.
Hm. Irgendwie weigere ich mich ja zu glauben, dass ein Leben ohne Spiel nicht möglich ist – also wenn man zuvor sehr mit ihnen verbunden war. Ich mein, so lange man nicht komplett in seine alten Muster zurückfällt, kann man auch auf diese Art der Freizeitgestaltung verzichten. Ich meine nicht, dass man es muss – aber man könnte. Mir jedenfalls ging es so, dass ich mich ein wenig darüber geärgert habe, nicht das aktuelle Geschehen auf der Welt zu verfolgen – bei Spielen dagegen war es mir egal, was in den 14 Tagen geschehen ist. Es ist, wie Stefan schon sagt, purer Luxus – und er ist nichts, was uns am Leben hält. Politische und gesellschaftliche Ereignisse dagegen haben ggf. für jeden einzelnen eine Relevanz – sind also auch bedeutsamer.
Also das setzte ich vorraus, dachte nicht, dass man das noch mal explizit erwähnen müsste.
Wenns um Spiele geht, muss man alles 1000x erwähnen. :)
Das sind schon Luxusprobleme, die wir da haben. Ich mein gut Sven, hat den “Fehler” gemacht, sein Hobby zum Beruf zu machen, da ist es schwierig davon los zu kommen, außer der gute Sven versucht seine Schreibe mal in einem anderen Metier, zumindest für 4-6 Wochen des Entzugs… Vielleicht will man danach ja auch gar nicht mehr spielen? Wer weiß.
Ich habe vor einiger Zeit aufgegeben am Zahn der Zeit zu bleiben, was Games angeht. Ich habe gelernt zu warten, bis ich mir ein Spiel entgültig kaufe. Vorbestellungen passieren nur noch selten. Ich sage mir immer, wenn ich ein Spiel nach 2-3 Monaten vergessen hab, ist es eh nicht wert gezockt zu haben. Trotzdem bleiben immer Spiele hängen und der “Stapel der Schande” ist ein fieser Affe auf meinem Rücken!
Nichtsdestotrotz, lange Rede ohne Sinn, was ich sagen wollte: IHR SCHAFFT ES NICHT OHNE SPIELE ZU SEIN!!!! DIE GAMES-INDUSTIRE HAT UNS ALLE AN DEN EIERN!!!
Deine Einstellung ist schon gut und absolut richtig: Bleibt ein Spiel einige Wochen nach dem Release nicht im Kopf, war es das wohl auch nicht wert, eventuell gekauft zu werden.
Ansonsten kann ich schon für mich sagen: Es gibt Wochen, in denen ich quasi gar nichts mit Spielen zu tun habe. Andere Artikelthemen, andere Aufträge – da denke ich keine Sekunde an Spiele. Das ändert sich dann eine Woche später schlagartig und schon bin ich motiviert, meine womöglichen Wissenslücken schnellstmöglich aufzuholen. Oftmals bemerke ich dann, dass ich in einer Woche ohne Spiele nicht viel verpasst habe – höchstens bei Release-reichen Monaten.
Ohne Spiele kann man schon sein, sofern man genügend Dinge hat, die einen noch so interessieren. Und seien es halt Filme, Technik-Spielereien (Smartphones z.B.), Bücher oder gar Sport, Theater usw.