Sie haben es wieder getan: „Titanfall“ ist mindestens so bahnbrechend wie „Modern Warfare“. Trotzdem liegt es den Verkaufscharts hinter „Call of Duty“ oder „Battlefield“. Ist „Titanfall“ als wildes Mash-Up von Old-Shool-Shootern wie „Quake“ und modernen Unlock-Orgien noch zu hart für den Mainstream?
Lieber Krieg statt Kinderkacke?
Meine Egoshooter-Vergangenheit geht eigentlich bis an die Anfänge zurück. Für „Doom“-Duelle haben wir mit selbstgebastelten Nullmodemkabeln 386er verbunden. Bei „Quake“ habe ich die Vorteile der Maus zum Zielen schätzen gelernt. „Quake 3 Arena“ war lange Zeit mein Spiel für die einsame Insel und ein Grund, der Voodoo 4 den Vorzug gegenüber einer NVIDIA Geforce zu geben. Auch als längst schon „Counter Strike“ immer mehr jüngere Zocker auf LAN-Parties lockte, konnte ich „Quake“ und „Unreal Tournament“ wegen Sprungschanzen, Spielgeschwindigkeit und taktisch vielseitigeren Waffen wesentlich mehr Begeisterung abgewinnen. Aber „Counter Strike“ war unaufhaltsam: Es fesselte Leute an die Rechner, für die Computerspiele zuvor maximal ein netter Zeitvertreib war, schweißte sie zu Clans zusammen und machte den eSport in Deutschland populär.
Während des Studiums habe ich unzählige Kommilitonen kennengelernt, die „Counter Strike“ und „Medal of Honor“ spielten. Mit „Quake“ und „Unreal“ war diese Generation nicht mehr zu begeistern: „Alter, da verschießt du mit komischen Augenmutanten Laser durch die Gegend. Das ist doch Kinderkacke!“. Statt Kinderkacke also Terroristen, Polizisten, Nazis und irgendwann mal „Call of Duty“.
History repeats itself
Da sind wir auch schon fast bei „Titanfall“: Mit „Call of Duty“ desertierten vor über 10 Jahren die „Medal of Honor: Allied Assault“-Entwickler vom Branchenriesen EA und warben bei Activision an. Und jetzt das Ganze wieder in die andere Richtung: Jason West und Vince Zampella hatten die Schnauze voll davon, alle zwei Jahre das nächste „Modern Warfare“ auszuspucken. Schließlich wurden die beiden Unruhestifter von Activision gefeuert. Frei nach dem Motto „Keep calm and respawn“ gründeten sie „Respawn Entertainment“, um an einer neuen Spieleserie zu arbeiten. Und EA nahm sie gerne zurück in ihr EA Partners Programm. „Titanfall“ ist das Ergebnis dieser Zusammenarbeit. Und das Resultat kann sich sehen lassen!
Streng genommen ist „Titanfall“ eigentlich kein Geniestreich. Zumindest wenn man die Teile für sich betrachtet: Parcours aus der Ego-Perspektive kennen wir schon aus „Mirror’s Edge“. Mechs, die sich fast wie Mariens steuern, gab’s schon oft, sogar in Multiplayertiteln wie „Hawken“ oder „Battlefield 2142“. Den Versuch, in einer Multiplayer-Kampagne eine Story zu erzählen, erlebte man vor nicht allzu langer Zeit bei „Brink“. Aber ein gutes Spiel ist eben mehr als die Summe seiner Einzelteile, und „Titanfall“ ist vom Game-Design betrachtet wirklich ein Meisterwerk: Die Balance zwischen Soldaten und Titanen ist absolut durchdacht und das Spielgefühl einzigartig! Viele kleine Ideen runden den Titel sinnvoll ab. Nur zwei Beispiele: Auf den Schlachtfeldern sind KI-gesteuerte Soldaten unterwegs, die als Kanonenfutter herhalten und den Eindruck erwecken, dass die 6 gegen 6 Kämpfe epische Schlachten sind und die Verlierer nach der Niederlage von einem Transporter abgeholt werden. Wenn ihr es schafft, diesen vor dem Abheben zu erreichen, könnt ihr euch immerhin noch ein paar Bonuspunkte sichern, mit denen ihr wie bei „Modern Warfare“ aufleveln und so neue Waffen oder andere Ausrüstung freischaltet.
Sind sie zu hart, bist du zu schwach
In einem Tutorial wird euch kurz und knapp erklärt, wie ihr besondere Waffen wie die selbstständig zielende Pistole oder taktische Maßnahmen wie die Tarnvorrichtung nutzt und Abgründe überwindet, indem ihr geschickt an Wänden entlang lauft oder einen Jetpack für Doppelsprünge nutzt. Diese Einführung macht direkt Lust auf mehr. Und ganz ehrlich: Ich könnte heulen, dass Respawn Entertainment um diese tollen Spielmechaniken kein vollwertiges Singleplayer-Abenteuer gebaut hat! So viele tolle Levels hätte man allein um die Bewegungsfreiheit der Soldaten erschaffen können!
Der Mehrspielerersatz der Kampagne ist zwar nett gemeint, aber leider ziemlich für die Tonne. Der Grund ist einfach: Ihr habt die Feinheiten der Steuerung nach dem Tutorial nicht so weit im Griff, dass ihr ohne Probleme auf dem Schlachtfeld gegen andere Spieler bestehen könntet. Als Soldat steckt ihr nur wenige Treffer weg und es ist nichts demütigender, als beim wiederholten Versuch auf ein Häuserdach zu springen und vom Gegner im Vorbeilaufen abgeerntet zu werden.
Ich habe „Titanfall“ sowohl auf der Xbox One als auch auf dem PC gespielt. Am PC bin ich noch einigermaßen zurechtgekommen, aber auf der Xbox One war ich mehrfach kurz davor, die Disk aus dem Fenster zu werfen und zuzuschauen, wie weit sie fliegt. Teilweise wurde ich im Sekundentakt von Gegnern, die scheinbar aus dem Nichts kamen, niedergemäht. Ironischerweise erschien mir das Matchmaking in der Kampagne auch noch besonders unfair. Die Wartezeiten sind länger und zumindest subjektiv hatte ich den Eindruck, dass mich „Titanfall“ mit Vorliebe in Unterzahl mit zwei oder drei anderen Noobs gegen eingespielte 6er Teams antreten lässt, die bereits zum zweiten oder dritten Mal ihren Account auf Level 50 bringen. Am liebsten hätte ich die Kampagne einfach links liegen gelassen und wäre direkt in den Multiplayer eingestiegen. Aber leider müsst ihr beide Seiten dieser durchspielen, um alle Titanenklassen freizuschalten.
Bumper Jumper ist Pflicht
Dabei ist „Titanfall“ durchaus nicht der erste Shooter, den ich auf der Konsole spiele. Aber es ist der erste, bei dem es absolut erforderlich ist, mit den Schultertasten zu springen. Denn wer dafür den Daumen von dem rechten Stick nehmen muss, kann in der Luft nicht mehr zielen. Das ist bei „Titanfall“ ungefähr so, als würde man „Quake“ lieber weiter mit der Tastatur spielen und die Maus links liegen lassen. In einem Spiel, in dem ihr von Hausdach zu Hausdach hüpft und an Wänden langlauft, müsst ihr auch permanent in alle Richtungen schauen, um Gegner unter oder über euch ins Visier nehmen zu können!
Leider ist der Controller nicht frei konfigurierbar. Und so müsst ihr euch aus den Voreinstellungen das geringste Übel herauspicken. Meiner Meinung nach trägt die einzig brauchbare Belegung den Namen ‚Bumper Jumper (Pilot)‘. Vorteil: Ihr könnt auch die taktische Fähigkeit eures Titanen noch gezielt einsetzen (sie liegt dann weiterhin auf LB, der Taste mit der ihr als Soldat springt und euer Jetpack zündet). Nachteil: Der Dash (quasi der Sprung des Titanen) liegt dann auf A. Ihr müsst also ständig umdenken, wenn ihr in den Titanen steigt. Es hat bei mir eine Weile gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Und in der Zeit musste ich ein dickes Fell haben und jede Menge Bildschirmtode in Kauf nehmen!
Best of Album der Shootergeschichte
In der Eingewöhnungsphase liegt vielleicht das größte Problem von „Titanfall“. Verlieren bereitet einfach keinen Spaß. Selbst in „Quake 3“ konnte man zunächst gegen Bots spielen oder zumindest mal alleine durch die Levels laufen, um die besten Klettermöglichkeiten zu finden. „Titanfall“ setzt auf die Feuertaufe mittels „Trial by Error“. Wenn ihr die entsprechenden Skills oder den passenden Mix aus Lernbereitschaft und Frustresistenz mitbringt, offenbart „Titanfall“ allerdings alle seine Stärken.
Während wir bei „Battlefield“ und „Call of Duty“ im Grunde seit über 10 Jahren jedes Jahr das gleiche Spielerlebnis geboten bekommen, weht hier ein frischer Wind ins angestaubte Shooter-Genre: Als Soldat rennt ihr abwechselnd durch enge Gänge und huscht auf größeren Flächen von Deckung zu Deckung oder springt auf Dächer und nutzt die Vertikalen der Levelarchitektur aus. Habt ihr die Mobilität eurer Spielfigur erst einmal im Griff, werden waghalsige Verkettungen aus Wallruns, Double Jumps und Sprints möglich.
Die abwechslungsreichen Levels tragen ihr Übriges dazu bei. Mal springt ihr in engen Häuserschluchten zwischen zwei Gebäuden in die Höhe, mal rennt ihr durch zerklüftete Felslandschaften. Jedes Szenario hat dabei im Grunde zwei übereinander liegende Topographien: Eine für die Soldaten und eine für die Titanen. Da ihr ständig zwischen beiden Spielweisen wechselt, fühlt sich „Titanfall“ abwechslungsreicher als alle anderen Shooter auf dem Markt an! Überhaupt habe ich das Gefühl, dass hier echte Shooter-Freaks eine Ode an das Genre schreiben wollten oder vielmehr ein faszinierendes Mash-Up kreiert haben, das den Geschwindigkeitsrausch klassischer Shooter aus den 1990ern mit der Ballistik und den Unlocks aktueller Titel der Generation „Modern Warfare“ in den Takt bringt. Immerhin: Laut VGChartz reicht es für „Titanfall“ auf der Xbox One aktuell immerhin für Platz 3. Hinter „Call of Duty: Ghosts“ und „Battlefield 4“ natürlich. Vielleicht schafft es ja das obligatorische „Titanfall 2“ auf die Eins? Mein Tipp: Eine Singleplayer-Kampagne einbauen!
Ach ja, diese das ist für Kinder Kommentare ;)
Ich hab die Erfahrung gemacht dass speziell junge Leute eben “ernste” Spiele wollen um sich als Erwachsen zu profilieren.
Manche bleiben darauf hängen, anderen geht ein Licht auf dass es um den Spielspaß geht.
Quake und UT (Reihen) sind tolle Spiele :)
Wird niemand mehr zu schätzen wissen.
Es ist auf jeden Fall bemerkenswert, dass “Titanfall” grundsätzlich dem ganzen Hype gerecht werden konnte und in die jahrelange Phalanx von “CoD” und “BF” Bewegung gebracht hat. Es wäre schon ein Oberknaller gewesen, wenn dieses Erstlingswerk gleich mal den Spitzenplatz eingenommen hätte, aber mit dem derzeitigen Ergebnis können die Entwickler doch sicherlich auch zufrieden sein.
Ich persönliche werde wohl kaum in den Genuss kommen – zumindest nicht bald -, weil mir weder eine XBox One ins Haus kommt noch mein PC mit den Anforderungen noch mithalten kann und ich ohnehin auf dieser Plattform mehr in Richtung Retro-Gaming gehen werde. Generell ist für mich das aber auch kein großer Verlust, da ich kein großer Online-Shooter-Fan bin und mehr auf die gepflegte Solo-Erfahrung setze.
Aber – für “Titanfall 2” würde ich konsequenterweise empfehlen, völlig auf Kampagneninhalte zu setzen, wie ehedem “Unreal Tournament”. Das wurde doch letztendlich nur deswegen so erfolgreich, weil es konsequent auf MP gesetzt hat. Und nachdem das bei “Titanfall” eindeutig der stärkste und überzeugendste Part geworden zu sein scheint, wäre es doch nur folgerichtig, die Stärken weiter auszubauen und die Schwächen, wie schon vorgeschlagen, in die Tonne zu treten.