Verzeiht mir bitte diese banale und offensichtliche Wahl der Überschrift. Aber wenn etwas derart bei einem Event wie “Symphonic Selections“ dominiert, dann kann ich einfach nicht anders.
Zwei neue Konzerte über Videospielmusik in einem Jahr – so langsam fühle ich mich verwöhnt. Zumindest war mir im Vorfeld klar, dass dieser Abend nicht in der gleichen Liga wie “Symphonic Shades“, “Symphonic Fantasies“, “Symphonic Legends“, “Symphonic Odysseys“ oder “Final Symphony“ spielen könne. Warum ich alle fünf Meisterwerke aus dem Hause Böcker erwähne? Weil ich mich bei diesem Quintett beim besten Willen für keine Auswahl entscheiden mag.
“Symphonic Selections“ orientiert sich vom Konzept her an “East meets West“. Ein Großteil der vom WDR Rundfunkorchestor gespielten Musik war bereits Teil eines älteren Konzertes oder wurde nur marginal im Vergleich zur Originalkomposition aufgepeppt. Speziell “Shenmue“, “Final Fantasy XIV“ und “Blue Dragon“ erklangen für den versierten Videospielmusikfanatiker verflixt bekannt. Wobei ich mich an dieser Stelle noch einmal bei Thomas Böcker für meinen damals spontan abfälligen Kommentar bezüglich der zauberhaften “Blue Dragon“-Symphonie entschuldigen und klarstellen möchte, wie meisterhaft allein dieser eine Titel ist – egal ob am letzten Freitag oder vor zwei Jahren.
“Super Mario Galaxy“ und “Shadow of the Colossus“ sind auf dem Papier ebenfalls zwei altbekannte Kandidaten gewesen, jedoch waren die Unterschiede im Vergleich zu den ersten Aufführungen prägnanter. “Super Mario Galaxy“ litt ein wenig unter dem Fehlen des Chors, der für diese Veranstaltung eingespart wurde. “Shadow of the Colossus“ hingegen wurde von Jonne Valtonen neu arrangiert und sorgte bei mir für gemischte Gefühle. Der Einsatz der Violinen drückte arg auf die Tränendrüse, dafür störte mich jeder gegenüber dem Original veränderte Ton sowie jedes ausgewechselte Instrument. Dies liegt jedoch eher daran, dass “~Those Who Remain~“ für mich ein Heiligtum darstellt. Es gibt kein anderes orchestrales Stück, das bereits im Urspiel derart perfekt ist. Entsprechend sei es mir verziehen, dass ich mich an jedwede Veränderung erst einmal gewöhnen muss.
Vollkommen neu war eigentlich nur ein Kandidat, nämlich “Monster Hunter“. Das Arrangement zu “Proof of a Hero“ hörte sich kompetent und gut an, jedoch fehlt hier für meine Begriffe dem Original das Stückchen Brillanz. Es ist halt ein typisches Japano-RPG-Thema, ohne große High- oder Lowlights und somit als Ergänzung für solch ein Konzert zumindest nicht verkehrt.
Alle anderen Uraufführungen bezogen sich auf Spiele, die ebenfalls bereits in vergangenen Konzerten zum Zuge kamen, jedoch an diesem Abend in einer völlig anderen Art und Weise. Dirigent Wayne Marshall setzte sich zwischendurch an die Orgel und improvisierte ein paar Themen aus “Castlevania – Symphony of the Night“. Während die Idee an sich witzig war, so dauerte der Spaß mit über 10 Minuten eindeutig zu lange. Marshall lieferte als Leiter des Orchesters eine tadellose Arbeit ab, allerdings fehlte ihm hier die nötige Inspiration, um über den angegebenen Zeitraum für genügend Abwechslung zu sorgen.
Zu den umstrittensten Suites des drei Jahre alten “Symphonic-Legends“-Konzertes gehörte damals die von Torsten Rasch erdachte “Metroid”-Adaption. Für die einen war es ein musikalisch-atmosphärisches Husarenstück, für die anderen fehlte der Bezug zur kaum wiedererkennbaren Originalmusik. “Into Red, Into Dark“ sollte sicherlich letzte Gruppierung zufriedenstellen, denn Valtonen hat die Hauptthemen im Gegensatz zu seinem Kollegen sehr deutlich implementiert. Das Ergebnis gehörte definitiv zum stärksten, was die Konzertreihe bislang hervorgebracht hat. Erneut spürte ich regelrecht die Panik und die Kälte des Science-Fiction-Szenarios, als ob es Teil des gefürchteten Alien-Universums sei.
Am Ende war das aber alles irgendwie Nebensache. Denn der Fokus lag klar auf der über 17 minütigen Tour de Force, die sich Roger Wanamo für “The Legend of Zelda: Wind Waker“ erdachte. Genau genommen machte der WDR gemeinsame Sache mit einer kleinen Band namens “Spark“: Fünf junge Leute stellen sich mit klassischen Instrumenten auf die Bühne und geben sich dabei leger, erheiternd sowie euphorisch.
Ich möchte gleich dazu sagen, dass “Wind Waker“ musikalisch betrachtet einen sehr speziellen Platz in meinem Herzen einnimmt. Bin ich allgemein der “Zelda“-Musik eher skeptisch eingestellt, so stellte dieser beschwingte Soundtrack in meinem Empfinden eine Art Kehrtwende innerhalb der Serie dar. Was aber Spark gemeinsam mit dem WDR da auf die Bühne zauberte, übertraf all meine Erwartungen. Allein das Hauptthema hat sich niemals so gut angehört – und ich bezweifle, dass diese Version je übertroffen wird.
Was folgte, das war ein Auf und Ab der Gefühle: mal heiter, mal bedrohlich deklassierte die “Concerto for Spark and Orchestra“ den Rest des Abends. Und ich möchte auch betonen, dass dies ohne Band nicht möglich gewesen wäre. Abseits von schnöden Notenblätterm und dafür ihren Gefühlen freien Lauf gelassen, sorgte das Quintett für eine einmalige Atmosphäre und stahl dem zahlenmäßig klar überlegenen WDR Rundfunkorchester die Schau. Die abschließende Zugabe, “Gerudo Village“ aus “Ocarina of Time“, unterstrich diesen Eindruck nur noch mehr.
Deshalb war es vielleicht keine rundum brillante Revolution, wie wir es von den anderen “Symphonic“-Konzerten gewohnt sind. Aber die Reihe hat ihren Soll sowieso längst abgearbeitet, wenn es darum geht, irgendwelche Erwartungen erfüllen zu müssen. Manchmal sollten auch kleinere Brötchen gebacken werden, ansonsten weiß man die neuen Geniestreiche gar nicht mehr zu schätzen. Und wenn dann ein guter Abend mit einem solch fulminanten Powerstück abschließt, dann umso besser.
Mit Dank an Benjamin Herzog für das Bildmaterial.
Mit dem Orgelsolo hast du vollkommen Recht.
Das war sehr speziell und deutlich zu lang.
5 Minuten hätten max. auch gereicht.
Von den 30 Mann in unserer Gruppe konnte über die Länge keiner was damit anfangen und man war froh als es endlich vorbei war.