Klar, ich könnte bei „State of Decay“ irgendeine Meta-Ebene zu entdecken! Oder wie wäre es, würde ich über den tieferen Sinn von Zombie-Epidemien philosophieren? Vielleicht wäre ich sogar in der Lage, die hier aufgegriffene Zombiekalypse in Zusammenhang mit dystopischen Visionen zu bringen. Eins, zwei Ansätze in diese Richtung besitzt das 20 Euro-Werk für die Xbox 360 (XBLA) durchaus. Doch wozu der ganze Aufwand?
Letztlich steckt hinter „State of Decay“ gar nicht mal so viel, wie es manche vielleicht sehen möchten. Die Handlung ist banal, die Hintergründe kommen kaum zur Geltung, die Beziehungen zwischen den beliebig ersetzbaren Figuren interessieren nicht die Bohne und die technische Seite ist weitgehend furchtbar sowie trotz erster Patches nicht zufriedenstellend. Aber irgendwie ist das auch alles nebensächlich, denn ich habe Freude mit dem Werk von Undead Labs. Die scheiterten übrigens mit ihren ursprünglichen Plan, ein Zombie-MMOG zu kreieren. Aber nach über 500.000 verkauften Exemplaren von „State of Decay“ lagen sie mit dem Richtungswechsel zum Solo-Abenteuer wohl goldrichtig. Mich jedenfalls haben sie überzeugt.
Von vorne
Woran liegt’s, dass mir „State of Decay“ gefällt? Ich schätze, es ist das generell simpel gestrickte Konzept, in das ich mich auch eine Woche nach dem letzten Spielen nicht wieder einfinden muss. Das kennt ihr vielleicht? Fehlt euch die Zeit zum Zocken, bleibt ein aktuelles Spiel liegen. Und startet ihr es nach einer Weile wieder, müsst ihr euch wie zu Beginn reinfitzeln. Oder ihr habt gar keinen Bock mehr und lasst es gleich.
Anders hier: Immer wieder beginnt ihr in eurer aktuellen Basis, um von dort aus euer Abenteuer zu bestreiten. In einem relativ großen Gebiet, das grob einem US-Bundesstaat nachempfunden wurde, verwandeln sich Menschen in Zombies. Und diese versuchen alles, um die letzten Überlebenden zu verspeisen. Oder so. Der übliche Quark halt, und ihr seid mittendrin. Eure Aufgabe besteht darin, Vorräte in naheliegenden Orten bzw. Gebäuden zu finden, die KI-kontrollierten Mitstreiter bei Laune zu halten, vorgegebene Missionen zu erledigen, die Gegend zu erkunden und – selbstverständlich – mit allen Mitteln die Brut zu bekämpfen. Dank des simplen Kampfsystems geht das ruck zuck in Fleisch und Blut (hah, wie passend bei einem Zombie-Spiel) über, eine große Eingewöhnung ist nie nötig. Im Gegenteil, „State of Decay“ hält sich eh an Genre-Konventionen: Mit Schlag- und Schusswaffen auf Gegner losgehen, aus der 3rd-Person-Perspektive von A nach B laufen oder sich ein Vehikel schnappen und mit diesem durch die Pampa tuckern – simpler und eingängiger geht es vermutlich nicht. Und ich finde das prima, weil mich keine Kombos nerven, ich nach einer Pause nicht noch einmal die Bedienung „erlernen“ muss und so weiter. Aufgrund der überschaubaren Spielwelt erinnert ihr euch spätestens nach drei, vier Stunden fast komplett an das Straßennetz und die naheliegenden Dörfer. Für meinen Geschmack ist „State of Decay“ die perfekte Mischung aus Größe des Schauplatzes und Einsteigerfreundlichkeit. Mich als OpenWorld-Muffel überfordert das Gebotene jedenfalls nicht – und das will was heißen.
Spaß beim … na ihr wisst schon!
Was mir weiterhin sehr zusagt, das sind die in der Tat packenden, wenn auch recht redundanten Kämpfe. Plötzlich springen Zombies aus Häuserfenstern auf die Straße, rennen auf euch zu und ihr nehmt panisch eure Füße in die Hand, um in Sicherheit die Machete rausholen und euch zu verteidigen. Ihr haut und tretet so lange zu, bis die Birne des Ex-Menschen auf dem Boden verteilt ist. Sicher ist sicher! Oder ihr fahrt nichtsahnend mit einer Familienkutsche zu einem Auftrag, als auf einmal eine Zombie-Horde auf der Piste steht. Rückwärtsgang rein und mit maximaler Beschleunigung ab durch die Masse – was für ein Spaß. Wenn ihr in einem Einfamilienhaus in Kisten stöbert, um dort eventuell noch Munition oder Nahrung zu finden und euch überraschenderweise eine hässliche Kreatur mit leuchtenden Augen an den Kragen will, ist der Schreckmoment groß – und der Unterhaltungswert entsprechend auch. Ja, trotz einfacher und aus anderen Spielen oder Filmen bestens bekannter Situationen sorgt „State of Decay“ regelmäßig für Gänsehaut. Herrlich.
Zugleich empfinde ich – so albern es klingen mag – eine gewisse Authentizität. Was, wenn Zombies wirklich eine kleine Region überrennt? Wie würden die Menschen reagieren? Nahrung horten, anderen helfen, aber auch (und vor allem) an sich selbst und das eigene Wohl denken? Das Militär ist womöglich keine Hilfe dabei, sich zu retten oder gegen die ekelhaften Kreaturen aus der Nachbarschaft irgendwie vorzugehen. Und es ist bestimmt eine Herausforderung, eine sichere Basis zu finden, auszubauen und längerfristig zu sichern.
Scheiß auf Klischees
Logo, auch in diesen Bereichen wälzt sich „State of Decay“ in massenhaft Klischees, die wir schon oft genug irgendwo gesehen und interaktiv erlebt haben. Dennoch fühle ich diese intensive Atmosphäre, die mich gefangen nimmt. Ständig schießen Fragen durch den Kopf: Nehme ich diesen Kleinwagen mit der schrecklich trägen Fahrphysik? Oder doch besser den flotten, stabilen Pick-Up? Nur wenn der kaputt geht, wird es schwierig, an einen neuen zu kommen. Traue ich mich in den Infektionsherd mit exorbitant aggressiven Zombies oder fahre ich in die nächste Stadt und helfe einem Zivilisten? Welche Waffen nehme ich für den nächsten Auftrag mit? Und was, wenn meine mit Nägeln versehene Holzlatte plötzlich während eines Kampfes zerstört wird? Hab ich überhaupt Platz für weitere Waffen beziehungsweise ist mein Körper in der Verfassung, so viel zu tragen? Wo baue ich die nächste Basis auf? Ist die sicher genug, auch für die nächsten Spielstunden? Und so weiter, und so fort….
Ihr merkt es vielleicht schon – „State of Decay“ besitzt tatsächlich so etwas wie eine Meta-Ebene. Obwohl mir die Entwickler vorrangig bewährte Funktionen als finsteren Potpourri serviert, beschäftigt mich das Spiel mehr, als angenommen. Es fühlt sich im Rahmen der Fiktion in der Tat (zumindest ein wenig) realistisch an und vermittelt gut den Überlebenskampf. Adrenalin und Angst, in Kombination mit taktischer Planung und freilich auch Spaß entsteht ein prächtiges Spielgefühl. Dieses lässt mich getrost über die manchmal furchtbare technische Seite hinwegsehen. Freilich sehe ich die Schwierigkeiten bei der Kollisionsabfrage, die Ruckler, die Pop-Ups, die KI-Macken und die Grafikfehler. Und doch können diese Probleme dem eigentlichen Kern des Spiels nichts anhaben. Ich will gar nicht daran denken, was aus „State of Decay“ hätte werden können, hätten die Entwickler noch ein halbes Jahr mehr Leidenschaft in ihr „Baby“ gesteckt. Vermutlich hätte ich dann sogar bereitwillig 50-60 Euro für das finale Spiel bezahlt.
Viel Freude mit State of Decay
Am Schluss möchte ich nur eine Kaufempfehlung aussprechen. Habt ihr das Thema „Zombies“ noch nicht statt (ist das überhaupt möglich?) und ist euch Substanz immer wichtiger als die technische Fassade, dann bleibt euch keine Wahl. Ich find’s übrigens klasse, dass „State of Decay“ auf Multiplayer-Krams verzichtet. Dafür gibt es ja „DayZ“ und was weiß ich. Die Macher lassen mich mit meiner Angst, meinem Überlebenstrieb und meinem Kopfkino alleine – und das ist klasse! Ich hoffe, die Jungs und Mädels von Undead Labs. versaufen nicht ihre Gewinne und bauen sich nicht unnötige Zombie-sichere Bunker, sondern stecken das Geld in die Entwicklung eines Nachfolgers. In dem Konzept steckt noch immer sehr viel Potential, das darauf wartet, genutzt zu werden. Aber auch in dieser Form ist blutige Zerstreuung für etliche Stunden garantiert. Garantiert.
Kommt zwar wohl von einem Diablo und Guild Wars Mann aber irgendwie ist es eines dieser Pseudo-Indie-Games, das im Moment überall gehypt wird. Irgendwie spricht mich das noch nicht an, da müsste grafisch und auch inszenatorisch einfach noch unendlich mehr geschehen.
Gib doch einfach mal der Demo bei XBL(A) ne Chance. ;)
Dazu müsste ich mir ja eine XBox 360 kaufen … ^^