Kathryn Bigelow ist spätestens seit “The Hurt Locker” Amerikas bekannteste Filmemacherin. Jetzt kommt “Zero Dark Thirty” in die Kinos und erzählt von der Entdeckung und Erschießung Osama Bin Ladens. Der fast dreistündige Film gilt als einer der großen Oscar-Favoriten.
Alles dreht sich um den 2. Mai 2011. Gegen 0:30 (= “Zero Dark Thirty”) wurde – glaubt man den Filmemachern – Osama Bin Laden von einer amerikanischen Eliteeinheit in Pakistan erschossen. Bis es soweit ist, erzählen Bigelow und ihr Drehbuchautor Mark Boal detailliert, wie es dazu kam. CIA-Agentin Maya (Jessica Chastain) wird 2003 nach Pakistan versetzt und forscht zusammen mit ihren Kollegen nach Osama Bin Laden. Jahre vergehen, Kollegen sterben und nur durch Mayas Beharrlichkeit wird Bin Laden schließlich gestellt und getötet.
Die Filmemacher erzählen im Prinzip eine simple Geschichte, deren Ausgang von Anfang an klar ist. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für einen Thriller, und dennoch gelingt Bigelow ein packendes Drama, das sich ähnlich wie “All the President’s Men” einem politisch brisanten Thema nähert. Präzise wühlen sich Bigelow und Boal durch das komplexe Thema, reihen Fakten an Fakten und vergessen trotzdem die Menschen hinter der Geschichte nicht. Mitten drin: Maya, die sich vom Anfänger bis zum Profi wandelt. Deshalb ist “Zero Dark Thirty” ein Triumph des schnörkellosen amerikanischen Kinos, erzählt in einfachen, semi-dokumentarischen Bildern.
Andererseits gibt es die dunkle Seite der Geschichte: Folter, erzkonservative Ansichten, zaghafte Demokraten, coole Navy-Seals. Das alles bringt mich ins Grübeln. Es sind nicht die Waterboarding-Szenen, die mich abstoßen, sondern Sätze wie – sinngemäß übersetzt “Mit Folter hätten wir ihn früher geschnappt”, die Bigelow und Boal einfach unkommentiert stehen lassen. Es sind die Soldaten, die am Ende ihre Operation fehlerlos durchführen und die eindimensionale Darstellung der islamischen Bevölkerung, die im Film nur eine große Bedrohung darstellt. Mir fehlen weitere Sichtweisen der Geschichte, mir fehlen zumindest die Zwischentöne, die nicht nur das stramme Durchgreifen “echter” Amerikaner preisen. Anders gesagt: Mir fehlen Gründe, warum ich mir diesen Film überhaupt anschauen sollte. Trotz des komplexen Themas ist Bigelows Film sehr einseitig.
“Zero Dark Thirty” ist der große amerikanische Propaganda-Film der Zeit nach dem 11. September 2001. Er erzählt nicht von der Tragik, dem Leid und dem Scheitern, sondern vom Erfolg. Clever lässt er seine Zuschauer mitfiebern, wie Maya jedes Hindernis überwindet, um endlich die Siegerin zu sein – “the Motherfucker who found him”. Jeder Rückschlag macht sie nur noch härter und ist eine Lobeshymne auf amerikanisches Durchhaltevermögen und Selbstgerechtigkeit, die abseits der USA möglicherweise auf wenig Verständnis stoßen wird. Möglicherweise braucht diese Nation nach einem schrecklichen Schicksalschlag wie dem Anschlag auf die Twin Towers endlich Ruhe. So gesehen betreibt “Zero Dark Thirty” die große Katharsis. Der Alptraum ist zu Ende und wir können uns alle entspannt zurücklehnen. Alles ist gut?
Was ich mich frage: Wenn das kein US-Film wäre, sondern ein – sagen wir mal – englischer mit einem als US-kritisch bekannten Filmemacher.. würden die Folterszenen dann auch bemängelt oder als berechtigte Kritik am Verhalten der Amerikaner gesehen?
Ich kritisiere nicht die Folterszenen, sondern die einseitige Darstellung. Ich weiß nicht, ob Folter ein angebrachtes Mittel ist, aber man kann davion ausgehen, dass es auch Unschuldige getroffen hat. Das verschweigt der Film.
Mir geht es um die Kernaussage und da ist es mir vollkommen egal, wer den Film gemacht hat.
Ohne den Film gesehen zu haben, stellt sich bei mir die Frage, inwiefern Bigelow ueberhaupt die Moeglichkeit hatte, einen eher kritischeren Stil zu waehlen. Sie hat ja Zugang bekommen zu all den Fakten und Archiven, um die Geschichte so nahe wie moeglich an den Tatsachen zu halten. Dazu wird ihr die Regierung aber ganz klar gewisse Massgaben vorgegeben haben, und da stand sicherlich nicht drin, dass sie alles schoen hinterfragen soll!
Insofern stoert mich schon an “Zero Dark Thirty” die Ausgangslage fuer die Produktion des Filmes, denn eine moeglichst objektive Aufarbeitung war von vornherein nicht vorgesehen. Vielmehr geht es um wenig mehr als Propaganda.
Nichtsdestotrotz werde ich mir den Film anschauen – allein schon, um meine Kritik bestaetigt zu sehen!
Hier mal ein aktueller Titel mit Bezug zum Film und zu der Darstellung von Folterszene und ähnliches in modernen Shootern! Kann man doch sicher mal darüber diskutieren, denn ich finde, dass einige wichtige Punkte aufgeworfen werden, allen voran die Frage, warum “Zero Dark Thirty” ob der Folterthematik gegeißelt wird, während es Unterhaltungsprodukte wie “Call of Duty”, welche weitaus Geld umgesetzt haben wie der genannte Film, nahezu ungeschont mit ihrer teils drastischen Darstellung durchkommen.
http://www.spiegel.de/netzwelt/games/wasd-menschenrechte-in-kriegs-shootern-a-924707.html