DmC: Ein Bubi wider Willen

29. Januar 2013

Capcom hat momentan kein glückliches Händchen: Zuerst krempeln sie “Resident Evil“ zum zweiten Mal völlig um und landen dabei einen Griff ins Klo, sowohl bei den Kritikern als auch den Spielern. Und nun steht seit ein paar Tagen das neue “Devil May Cry“ im Laden, in Form eines Reboots und inklusive einer durch die Bank weg gehassten Neuinterpretation von Dante. Die gute Nachricht: “DmC“ ist besser als “Resident Evil 6“. Die schlechte Nachricht: Unterm Strich reicht das wohl nicht, um Capcoms derzeit ruinierten Ruf zu rehabilitieren.

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“Die Nachrichten von heute: Euro-Krise spitzt sich zu… Meeresspiegel steigt unaufhaltsam… Zocker gegen Capcom…” (Bild: Capcom)

Warum war “Devil May Cry“ 2001 so ein Hit? Unter anderem dank des Coolness-Faktors von Dante, seines Zeichens Held und Dämonenjäger zugleich. Sein selbstbewusstes Auftreten hatte genauso Stil wie seine Waffenkombi aus Schwert plus Pistolen. Der alte Dante war ein fescher, erwachsener Kerl, den man Ernst nehmen konnte und mit dem man sich als harter Möchtegern-Macho auch ein Stück weit identifizieren wollte. Kein Kind von Traurigkeit, war er gleichzeitig nicht so ein derartiger Badass wie beispielsweise Kratos vier Jahre später. Dafür, dass er ständig mit Dämonen abhing und aufgrund seiner Herkunft selbst ein wenig den Teufel in sich hatte, gehörte er ganz klar zu den “Guten“.

Der neue Dante, ein Produkt von Ninja “Enslaved“ Theory, ist in vielerlei Hinsicht seinem alten “Ich“ recht ähnlich: Auch er strotzt nur so vor Selbstbewusstsein und trägt mehr oder weniger das gleiche Equipment im Halfter. Doch gleichzeitig strahlt er bei einem Großteil der Spielerlobby ein unnachahmliches “Das will ich nicht spielen!“-Gefühl aus – einzig und allein weil er dank einer krassen Verjüngungskur eher wie ein verzogener Bengel als ein kerniger Dämonenjäger ausschaut.

Allein das Intro ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten: Dante fläzt sich nach einer heißen Liebesnacht im Bett seines Wohntrailers herum, als eine junge Frau namens Kat an seiner Tür klopft. Er öffnet dieser schlaftrunken und präsentiert sich der Welt nackt, so wie Gott ihn schuf. Kat scheint dies nicht zu beeindrucken, sie faselt lieber ohne Pause von einer drohenden Gefahr. Diese stapft sogleich in Form eines riesigen Dämons herbei, der den ganzen Häuserblock über den Haufen schmeißt. Dabei wabbert auch der Wohntrailer durch die Luft, weshalb sich Dante in einem ästhetisch mehr als bedenklichen Zeitlupenhechtsprungs Hemd und Hose anzieht. Während der Szene wird sein Gemächt natürlich der Zensur wegen durch allerlei ebenfalls umherwirbelnder Objekte verdeckt – vom festen Baseballschlagen bis zum labrigen Stück Pizza war den Entwicklern nichts zu schade.

http://www.youtube.com/watch?v=wBlEZWi77ZA

Danach wird die Geschichte etwas besser und erzählt primär vom Bündnis zwischen Dante und seinem Bruder Vergil, wie diese dem bösen Mundus ein Schnippchen schlagen und sich dabei für die getötete Mutter sowie den auf ewig unter Qualen leidenden Vater rächen. Aber die ganze Zeit über stört da diese Fresse des Teenie-Dante, dem ihr seinen “Coolness“-Faktor allein aufgrund seiner vermeintlichen Artverwandschaft mit Taylor Lautner einfach nicht abnehmt. Ich sag es deshalb mal so: Der Kerl könnte vielleicht bei schmachtenden Teenie-Mädels landen – die jedoch dürften ein “kleines“ Problem mit dem prügeldominierenden Konzept, den recht blutigen Kämpfen sowie den teilweise abenteuerlich hässlichen Dämonen haben …

Der nächste Affront, den sich Capcom und Ninja Theory bei ihrer “Devil May Cry“-Neuauflage leisten, betrifft das Spiel persönlich. Denn wofür war das Original schließlich noch bekannt? Richtig: für einen Schwierigkeitsgrad, der selbst gestandene Action-Zocker zu Tränen trieb sowie verzweifelt in Richtung Easy-Button greifen ließ. Auch wenn ich persönlich nie ein großer Fan der auf Ausdauer angelegten Bosskämpfe war: “Devil May Cry“ hat immer die Bedürfnisse der alten Haudegen gedeckt, die mit einer Handvoll Schwerter sowie Wummen ausgestattet einen epischen Fight nach dem anderen austragen wollten.

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Erde an Capcom: Wir wollen uns nicht vorstellen, wie dieser Jacob-Verschnitt nackt aussieht… und die, die es wollen, werdet ihr kaum vom Rest des Spiels überzeugen können… (Bild: Capcom)

In “DmC“ ist dies nicht der Fall, zumindest nicht in den vorgegebenen Schwierigkeitsgraden. In diesen schnetzelt ihr euch wie durch ein 08/15-Slash’n’Gun-Game von der Stange. Das sieht zwar über weite Strecken richtig fesch aus und wirbelt allzu häufig den Boden unter euren Füssen weg, was den Zerstörungs- und Höllenfaktor des Settings alle paar Minuten unterstreicht. Aber rein inhaltlich ist es erstaunlich zahm, was man von euch abverlangt. Selbst die späteren Endgegner hatte ich nach dem zweiten, aller-spätestens dritten Versuch geknackt. Und in Punkto Ranking bekam ich allzu häufig ein S, SS oder SSS nach dem anderen zugeschoben, obwohl ich alles andere als groß taktiert habe.

Was die Entwickler bei Ninja Theory gut gemacht haben: Die Waffen besitzen einige Raffinessen, die ihr fleißig ausnutzen müsst. So erspielt ihr nach und nach Dämonen- und Engelswerkzeug, die sich etwas unterschiedlich handhaben und  gegen bestimmte Gegnerarten eine andere Wirkung erzielen – von viel Schaden bis gar kein Schaden, um genau zu sein. Auch besitzt ihr eine Art Greifarm, mit dem ihr euch entweder von einem Punkt zum anderen schwingt oder einen eurer Gegner zu euch zieht. Das ist steuerungstechnisch zwar dezent kompliziert gelöst, aber am Ende des Tages als “Cool“ zu vermelden – immerhin etwas, würde der “Die Hard Devil May Cry“-Fan lästern.

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Immerhin sehen die Dämonen noch groß und gefährlich aus… (Bild: Capcom)

Auch loben möchte ich ein paar der Endgegner, insbesondere den in Kapitel 10. Da stecken immerhin ein paar schnieke Eye-Candy-Ideen dahinter, obgleich rein spielerisch gesehen Capcom eigentlich nur bereits dreimal Verdautes neu aufwärmt. Aber wenn ihr die ganzen Probleme bezüglich des neuen Dante und des weichgespülten Schwierigkeitsgrads außer acht lasst, dann bleibt zumindest ein funktionierendes Actionspiel übrig, das eigentlich niemanden weh tun sollte. Es ist ein klassischer 70er, könnte man sagen: gut, aber wenig innovativ und in einem Monat in Vergessenheit geraten. Nur ob das Capcoms Anspruch ist? Ich bezweifle es.

Deshalb richtet sich mein Abschlusswort an den altgedienten Publisher: Seid nicht so verkrampft. Ihr weilt dermaßen lange im Geschäft und habt in aller Regelmäßigkeit einige echte Hämmer rausgebraucht, die wahlweise kommerziell wie eine Bombe einschlugen (“Resident Evil“, “Street Fighter“, “Mega Man“, “Phoenix Wright“) und/oder vom seriösen Spieler als spielerische Wohltat eingestuft wurden (“Zack & Wiki“, “Ghost Trick Phantom Detective“, “Viewtiful Joe“). Warum jetzt also dieser Heckmeck und altbewährte Serien dermaßen brutal umkrempeln? Weil es bei “Resident Evil 4“ geklappt hat? Das war eine Ausnahme der besonderen Art, also etwas Kultiges durch etwas neues Kultiges zu ersetzen, was einem nur einmal im Leben passiert. Und auch ihr habt davon nur eines, befürchte ich…

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2 comments on “DmC: Ein Bubi wider Willen

  1. Interessant, wie unterschiedlich das Spiel derzeit gesehen wird, denn ich habe auch schon gehoert, dass es sich hierbei um das beste “Devil May Cry” seit langem handelt und man doch endlich mal aufhoeren sollte, den Mut von Capcom und Ninja Theory zu diesem auch optischen Reboot als Hauptargument dafuer zu nehmen, dass das Spiel nichts taugen wuerde.

    Na ja, Geschmaecker sind ja bekanntlich verschieden und ich kann da vorerst nur “theoretisch” mitkommentieren, weil ich nur ein paar Testberichte kenne, nicht aber das eigentliche Spiel!

  2. DmC ist für mich eines der beeindruckendsten Spiele der vergangenen Jahre. Das liegt vor allem an dem Soundtrack, der das Spielgeschehen einfach hervorragend intensiviert. Auch Dantes Sprüche und sein Gehabe – genial!

    Zumal Ninja Theory mit dem Newsreporter-Boss einen brillanten Bosskampf abgeliefert hat, den ich garantiert nie vergessen werde.