Eigentlich will ich “Modern Warfare” gar nicht verteufeln. Wahrscheinlich ist Infinity Wards Militärshooter neben “World of Warcraft” das einflussreichste Computerspiel der letzten Jahre. Trotzdem sehe ich diese Tatsache heute eher nüchtern, meine Liebe ist schon lange erloschen.
Ich kann mich gut an das Erscheinungsjahr des ersten Teils erinnern. Die ganze Welt wartete 2007 gespannt auf “Crysis”, aber als Cryteks Vorzeigeshooter herauskam, war vom Kuchen kaum noch etwas übrig. Zu diesem Zeitpunkt spielten nämlich schon Millionen von Shooterfans die spektakulären Abenteuer von “Soap” McTavish und seinem Kumpel Price. Oder duellierten sich in schnellen und unkomplizierten Multiplayer-Gefechten. Kurz, “MW” hatte all das, was “Crysis” fehlte. Sicher, Infinity Ward hatte damals schon ein ziemlich massentaugliches Spiel herausgebracht, das sich ungeniert bei allem bediente, was Erfolg versprach. Tom Clancy, James Bond, Rambo und Michael Bay gaben sich ein Stelldichein und definierten den Look eines modernen First-Person-Shooters neu. Der Anfang auf dem Schiff ist für mich heute noch die Referenz in Sachen Inszenierung und Spektakel bei einem Computerspiel. Aber genug der Lobhudelei – ich habe gelernt, die Serie zu hassen.
Es liegt an diesem Reizoverkill. Vor ein paar Tagen habe ich die Story des dritten Teils beendet und ich kann mich an kaum noch etwas erinnern. Natürlich waren die knapp sechs Stunden temporeich und laut. Und ok, da war diese Bootsfahrt durch die havarierte Flotte. Aber sonst? Irgendwie kam es mir so vor, als laufe ich durch die gleichen Set-Pieces wie bei den vorherigen Teilen. Im Minutenakt raste ich von einem Ende der Erde zum anderen, wechselte munter die Rollen (warum nicht mal ein Bösewicht?) und bin am Ende auch nicht klüger als vorher. Es ging wohl um einen durchgeknallten Russen, schmutzige Bomben und das Ende der Welt. Ach ja, und einige meiner Helden sind gestorben. Ich will damit aber nicht sagen, dass die Macher nur munter drauflos fabulieren. Die Geschichte beutet geschickt aktuelle politische Krisen, wie den Zerfall der Sowjetunion oder den “Krieg gegen den Terror” aus. Es geschieht aber auf eine so reißerische Weise, die mir zuwider ist. Ich frage mich, ob Autor Paul Haggis (“L.A.Crash”) diesen aberwitzigen Humbug in seiner Vita stehen lassen wird.
Aber es ist ja nicht nur die Story. Das Spiel an sich hat sich verändert, ist deutlich leichter und monotoner geworden. Im ersten “Modern Warfare” gab’s einige knackige Stellen. Ich erinnere mich noch ziemlich gut, wie ich mit Price als Sniper Unmengen von Gegnern aufhalten musste. Und dann diese bescheuerten Hunde? Man, wie war ich froh, als der rettende Hubschrauber kam. Und heute? Ich laufe einfach mit, meine anderen Jungs im Team erledigen den Rest. Das ist zwar lange nicht so extrem wie im zweiten Teil, aber wirklich schwierig wurde es nie. Ich bin eigentlich nur “gestorben”, weil ich voller Ungeduld vorgeprescht bin. Irgendwie hat diese “Taktik” nämlich trotzdem geklappt und ich wollte das Spiel hinter mich bringen.
Und dann diese kalkulierten Tabubrüche. Im ersten Teil war der Atombombentod ja etwas Neues. Mein Soldat kriecht schwerverletzt aus dem Flugzeugwrack und erlebt, wie er und die Welt um ihn herum zugrunde gehen. Im zweiten Teil dieses Flughafenmassaker. Für sich genommen fand ich die Szene gut inszeniert, aber im Storyzusammenhang banal. Im dritten Teil stirbt eine ganze Familie bei einem Urlaubsvideo. Soso. Das soll wohl emotional sein, aber wird furchtbar beiläufig geschildert. So ist es halt wie immer: Infinity Ward kann zwar spektakuläre, provozierende Szenarios basteln, aber diesen Szenen fehlt die inhaltliche Tiefe, um sie zu rechtfertigen. In dieser Form ist es nur pubertärer Quatsch.
Dennoch hat “Modern Warfare” die Art verändert, wie wir Shooter spielen. Natürlich gibt es auch andere Beispiele: “Halo” machte den Shooter auf der Konsole möglich oder “Gears of War” erhob Deckungssystem und Squad-Taktiken zum Standard. Aber so erfolgreich diese Reihen auch sind – Infinity Ward prägte entscheidend den Look und die Spielmechanik heutiger Shooter. Das liegt am massentauglichen Pseudorealismus und der Vereinfachung. Fakten werden mit Verschwörungstheorien, zweifelhaften politischen Ideologien und üblen Feindklischees gemixt. Hauptsache, die Effekte stimmen. Und das scheint ja bei der Masse der Spieler anzukommen. Am deutlichsten wurde das für mich bei “Crysis 2”. Obwohl ich den Vorgänger nicht besonders mochte, hob er sich rückblickend von der Masse der Schlauchshooter ab. Bei der Fortsetzung versuchte Crytek den Stil von “Modern Warfare” zu kopieren und scheiterte daran.
Wobei “Crysis 2” ja noch eines der etwas besseren Beispiele ist. “Modern Warfare 3” spielt dagegen am Ende der Fahnenstange. Sicherlich ist die Inszenierung weiterhin die Referenz im Genre, aber der Rest ist öde. Ich ballere mich durch die ewig gleichen Settings, erfülle die ewig gleichen Aufgaben und erledige die ewig gleichen Gegner. Es ist zudem ein Stilbruch und eine Enttäuschung für die Fans der ersten Stunde, dass ich Soap auf seiner letzten Mission nicht mal spielen darf. Logischerweise müsste jetzt der Einwand der Anhänger kommen: “Aber der MP rockt!” Kann sein, aber nach einer kurzen Stippvisite sieht er so aus und fühlt sich so an, wie bei den Vorgängern. Für mich reicht das nicht aus.
Activision kann das natürlich egal sein. Das Spiel zählt schon jetzt zu den erfolgreichsten Videospielen aller Zeiten und die Presse vergibt fast durchweg hohe Wertungen. Merkwürdigerweise halten es die meisten Spieler, die ich kenne, für Mist. Das ist halt so wie die “Bild”-Zeitung. Jeder kennt es, jeder liest es, aber über das Endergebnis braucht sich niemand zu beschweren.
Ich habe es nicht gespielt, weil mich MW2 so hartnäckig angeödet hat und ich mir fest vorgenommen habe, das selbe Spiel in einer neuen Hülle einfach zu ignorieren. Aber wenn du “diese Bootsfahrt durch die havarierte Flotte” extra erwähnst, wäre ein passender Screenshot echt nett gewesen. Hätte mich tatsächlich interessiert.
Und ja, ich kenne dieses “Google” ;-)