Denke ich an „Uncharted 2“ zurück, erinnere ich mich an wunderschöne Momente. Allein der Beginn. Sensationell und fordernd präsentierte Naughty Dog die Flucht aus einem abstürzenden Zug. Oder der erste Besuch von Shambhala. Toll. Bei „Uncharted 3: Drake’s Deception“ sind nur ein paar Bruchstücke im Gedächtnis geblieben. Und das, obwohl ich elf Stunden mit der Fortsetzung verbrachte – erst vor ein paar Tagen.
Warnung: Dieser Artikel enthält viel Liebe und Spoiler.
Wenn ich etwas anderes sage, belüge ich mich selbst. Daher die grausame Wahrheit: Die ersten sechs der 22 Kapitel haben mich gelangweilt. Wenn jemand ein „Uncharted 3“ mit einem „Indiana Jones“ oder ähnlichen cineastischen Werken vergleicht, dann muss es doch im Spiel zu Beginn richtig krachen, richtig? Ich erwarte von einem guten Actionfeuerwerk, dass mich dieses innerhalb der ersten Minuten in den Bann zieht. Mich gefangen und auf eine Reise nimmt. Ja, die ersten zehn Minuten entscheiden darüber, ob ich einer Handlung unbedingt folgen möchte – oder eben nicht. „Uncharted 3“ dümpelt über eine Stunde (!) vor sich hin. Wieso nochmal lassen sich Nathan Drake und sein Mentor Victor Sullivan auf Gauner ein? Und weshalb muss ich gleich die doofen Gegner wegboxen? Das ist zwar ordentlich inszeniert, aber nicht spannend. Keine schöne Einleitung in ein fulminantes Epos, oder?
Das Blatt wendet sich in Kapitel 7. Wie es Nathan schafft, einen Dschungel in Frankreich zu finden? Die Frage stellt auch Victor. Zu Recht. Ist ja nur ein Spiel? Logiklücken müssen die Entwickler nicht erklären. Diese eher amüsante Banalität rückt eh in den Hintergrund, als ich ein altes Anwesen erreiche. Richtig intensiv ist das Entkommen aus dem brennenden Haus, inklusive Turmeinsturz und fantastischen Feuerflammen. Spätestens dann bemerkt ihr die ungenaue Steuerung. Was zum Teufel ist das? Auf schwammige Art und Weise, fast so wie im ersten „Uncharted“, kontrolliert ihr Nathan? Wie kommt’s? Eine Begründung liefern die Entwickler nicht. Immerhin erhöhen sie dadurch den Schwierigkeitsgrad gravierend, und erzeugen zugleich Frust und Unverständnis. War das beabsichtigt?
Mensch. Ich nörgle schon wieder über einen solchen Megablockbuster. Dabei ist „Uncharted 3“ stark. Der Verlauf der Geschichte zwingt mich regelrecht zum Weiterspielen, unverändert mag ich die Protagonisten total gerne. Nathan der Abenteuer mit seiner seltsamen Vergangenheit, Sully der alternde Mentor, Elena die taffe und gar nicht mal so klischeebeladene Dame. Genauso die Schurken. Sie alle besitzen Profil und vermitteln ihre Emotionen: Gut und bösartig. Freundlich und grimmig. Gegenüber einem Großteil der aktuellen Spiele schafft es Naughty Dog zum dritten Mal in Folge, glaubwürdige Figuren mit ihren Geschichten zu erschaffen. Und das schätze ich sehr – an „Uncharted 3“ und der gesamten Serie. Aber: Die Story im Gesamten hat einige Durchhänger, die die Spielzeit strecken. Mit Ungereimtheiten belästigen mich die Autoren auch. Kurz nach Nathans Entführung taucht er bei Elena auf. Und die fragt nicht einmal, was passiert ist? Und was geschieht mit Chloe und Cutter? Sowieso hätten die Designer beispielsweise die gesamte erste Hälfte des sehr anstrengenden Schiffsfriedhofs streichen können – es hätte vermutlich niemand bemerkt. Das gilt für zig andere Ortschaften, in denen ich nur fast irrelevante Bruchstücke finde, welche mich letztlich zum „Atlantis der Wüste“ führen.
Es scheint ferner, als wäre Naughty Dog etwas die nahezu perfekte Balance aus Action, Erkundung und Kletterei, die ich so an „Uncharted 2“ liebte, verloren gegangen zu sein. Wieder nerven mich die langatmigen Schießereien, die kein Ende finden wollen. Und plötzlich konfrontieren mich die Programmierer mit kaum nachvollziehbaren Rätseln? Die Boxkämpfe, in meinen Augen sehr von „Shenmue“ inspiriert, sind eigentlich nichts anderes als etwas interaktivere Quick-Time-Events – und damit lästig.
Es beschleicht mich das Gefühl, als sei „Uncharted 3“ ein konzeptioneller Rückschritt und qualitativ irgendwo zwischen Teil 1 und 2 angesiedelt. Es fehlt an „WTF“-Passagen, dafür gibt’s jetzt verstärkt Ballereien. Die knackigere Erzählstruktur aus dem direkten Vorläufer verwässern die Entwickler mit einem unnötigen Ballast – noch mehr Szenen, noch mehr Kämpfe. Dass ich in den ersten 10-12 Kapiteln von Schloss zu Burg zu Burg pilgere, hab wohl nur ich bemerkt? Ich finde das ziemlich einfallslos, egal ob die Orte gänzlich anders aussehen oder nicht.
Wisst ihr was? Ich mag „Uncharted 3“ trotzdem sehr gerne. Ich meckere, weil es Naughty Dog nicht geschafft hat, das Niveau des Vorgängers zu halten. Das ist eine winzige Enttäuschung, denn ich hätte mir (mindestens) die gleiche Klasse wie Episode 2 gewünscht. Das wollte und musste ich ohne zu zögern an einem Wochenende durchspielen. Bei „Uncharted 3“ dagegen zieht sich die Odyssee hier und da wie Kaugummi. Ähnlich wie beim ersten Teil. Und doch regt mich das Spiel an, weiter zu machen. Ich erhalte auch das befriedigende Ende und habe innerhalb der elf Stunden vorzügliche Dinge gesehen und überstanden. Allein die grafische Präsentation ist eine Sensation – meiner Meinung nach. Visuell würde ich „Uncharted 3“ fast mit dem Kinofilm „Tim & Struppi: Das Geheimnis der Einhorn“ vergleichen – einige Schauplätze waren eh recht ähnlich. Dennoch: Blicke ich zurück, dann sehe ich nicht mehr viel von „Uncharted 3“. Die zweite Hälfte des Schiffsfriedhofs vielleicht? Besagte Flucht aus dem französischen Anwesen? Das beinahe Verdursten in der Wüste? Die 1000 Tode, die ich sinnloserweise starb? Ich bin mir in jedem Fall sicher: Wie „Uncharted 2“ wird sich Nathans drittes Abenteuer nicht in mein Hirn brennen. Und genau das ist es, was ich bedauere. Aber die Titelmelodie! Die bekomme ich einfach nicht mehr aus den Kopf…
Zwar habe ich mir den Koop-Modus sowie die Mehrspieler-Herausforderungen noch nicht angeschaut, das hole ich jedoch nach. Denn um es abschließend zu betonen: “Uncharted 3” ist alles andere als ein schlechtes Spiel.
Zitat:
“Wisst ihr was? Ich mag „Uncharted 3“ trotzdem sehr gerne. Ich meckere, weil es Naughty Dog nicht geschafft hat, das Niveau des Vorgängers zu halten. Das ist eine winzige Enttäuschung, denn ich hätte mir (mindestens) die gleiche Klasse wie Episode 2 gewünscht.”
Würd ich so unterschreiben. Den Multiplayer fand ich in U2 aber auch besser, ganz ehrlich… Diese ganzen Booster und Gedöns mit Powerplay und so… U2 war eher mano a mano, hatte irgendwie mehr eier…
Und mehr Leute in den MP hätten dem ganzen gutgetan… Is ja echt nichts los…
Uncharted 2? Flugzeugabsturz? Da haben die Erinnerung aber ziemlich böse Lücken, oder? Ich dachte immer man wachte in einem über eine Klippe ragenden Zug auf und musste sich daran hocharbeiten… ;-)
Flugzeug ist dann doch eher Teil 3.
Hehe. Gut erkannt. Das war jetzt in dem Fall aber echt ein Schreibfehler, eben weil ich beim Verfassen des Textes mehr an Teil 3 gedacht hatte. Klar war das ein Zug. Aber trotzdem genial. :) Danke für den Hinweis.
So, endlich spiele ich auch “Uncharted 3” und habe nun doch das unmissverständliche Gefühl, dass die Luft hier zuerst mal raus war. Gerade im Gegensatz zu den Vorgängern, aber auch zum Vita-Ableger “Golden Abyss”, wirkt Teil 3 wie etwas, das schlichtweg nicht rund läuft – trotz all der tollen Einzelteile!
Klar, die Story ist interessant, aber holprig erzählt! Klar, die Schauplätze sind abwechslungsreich, aber vieles wirkt “gewollt” und nicht gekonnt verwoben wie noch bei “Among Thieves”! Klar, die Charaktere sind gut dargestellt, aber viele Auftritte wirken wie eine “Best of”-Parade.
Es macht immer noch Spaß, doch ist “Uncharted 3” bei mir in der Gesamtschau nicht mal mehr “Uncharted 1.5”, sondern eher “Uncharted 0.5”. Es ist definitiv der schlechteste Titel der Reihe!