Wie objektiv können Rezensionen der Spielepresse eigentlich sein? Ich habe beispielsweise „Homefront“ als Testmuster von THQ erhalten, es also kostenlos ergattern können. Danke, liebe PR-Abteilung. Meine Verpflichtung besteht darin, einen seriösen und fairen Bericht zu verfassen, um ihn euch zu präsentieren. Im besten Fall trefft ihr eine Kaufentscheidung und investiert 50 oder 60 Euro. Nur inwieweit kann ich wirklich sachlich sein, wenn ich nichts für eine Vollversion bezahlt habe, ich somit gefühlsmäßig eine vielleicht sogar unrealistische Wertschätzung vermittle?
Worauf ich hinaus möchte: „Homefront“ gefällt mir. Nur hätte ich es regulär erworben, ich hätte den Kauf vermutlich bereut. Denn der neue Egoshooter von den Kaos Studios verfügt über eine Solokampagne, die ich quasi an einem Abend durchspielen kann. Und hart genommen interessiert mich der Mehrspielermodus nicht die Bohne. Aber der Reihe nach.
„Homefront“ erzählt eine Geschichte, die von John Milius stammt. Der US-Patriot und Autor von „Apocalypse Now“ schickt euch in das Jahr 2027. In der nahen Zukunft sind die Nordkoreaner emsig damit beschäftigt, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Pinky & Brain standen dem neuen Herrscher Kim Jong Un beratend zur Seite, vermute ich. Jedenfalls vereint der Sohn von Kim Jing-Il II die beiden koreanischen Länder, um einige Jahre später weiter zu ziehen. Mittlerweile ist die „Rote Flut“ in den Vereinigten Staaten angelangt, dort werden Zivilisten auf offener Straße abgeknallt und die US-Streitkräfte vernichtend geschlagen. Nur der Widerstand kann die Nordkoreaner noch aufhalten, allen voran unser werter Protagonist, dem es an Profil und Sprache fehlt. Die erste halbe Stunde inszenierten die Designer packend, danach macht sich wenig überraschende Routine breit. Sogar die extra provokativen Szenen, darunter Massengräber-Darstellungen und blutige Abschlachte-Szenen, lassen mich kalt. Vermutlich bin ich dank „Call of Duty“ und Co. total abgestumpft. Oder es fehlt dem Spiel am überzeugenden Vermitteln von Emotionen und Authentizität. Aber die an sich triviale Geschichte voller Pathos, Nationalstolz und ganz dolle überzeugten Widerständlern ist unterhaltsam. Noch bevor mich diese Pseudo-Leidenschaft für das eigene Land ankotzt, ist „Homefront“ vorbei. Prima, oder? Und während der fünf Stunden gibt’s ein ordentliches Knallfeuerwerk, ein paar nette Ideen (z.B. der ferngesteuerte Raketenpanzerwerferirgendwas oder die zerstörten Vorstadt-Kulissen) und Millionen tote Koreaner. Mir hat „Homefront“ Spaß bereitet. Grafisch ist der Titel vielleicht nicht perfekt, vor allem im Vergleich zu „Crysis 2“. Aber wer meint, der Titel tauge visuell nichts, muss hohe Ansprüche jenseits des technisch Möglichen besitzen. Die Kaos Studios rundeten das in meinen Augen launige Entertainment-Paket mit einer passenden und atmosphärischen Akustik und einer konventionellen, Genre-typischen Steuerung ab. Klar, stellenweise fallen die geskripteten Ereignisse zu sehr ins Auge, aber: Wenn ihr laut Missionsbeschreibung schleichen sollt, dann habt ihr verdammt nochmal auch zu schleichen. Oder etwa nicht?
Wenn ihr den täglichen Podcast vom geschätzten Manuspielt verfolgt, dann habt ihr meine ersten „Homefront“-Äußerungen vielleicht schon vernommen. Der Titel ist in Ordnung. Wenn das keine Empfehlung ist, was dann? Tja, genau das ist das Problem, das ich mit dem Spiel habe. Hätte Publisher THQ „Homefront“ für 25-30 Euro verkauft, ich hätte Shooter-Fans ohne zu zögern gesagt: Kauft euch das Ding! 5-6 Euro pro Spielstunde, das ist für ein schickes Spiel absolut angemessen. Dummerweise kostet „Homefront“ locker das Doppelte und konkurriert bei der Einzelspielerkampagne mit dem viel umfangreicheren „Crysis 2“ (kam ja ein paar Tage später heraus) und mit dem durch Internet, Funk und Fernsehen bekannten „Call of Duty“ in der „BlackOps“-Ausgabe. Und sogar Treyachs Kalter-Krieg-Quatsch besaß für Solisten eine längere Spielzeit.
Was nun? Rechtfertigt der Multiplayer womöglich den Preis? Für meine Wenigkeit nicht, denn ganz ehrlich: Ich benötige echt nicht noch mehr Mehrspielereieinheitsbrei. Mir ist es Schnuppe, ob „Homefront“ viele tolle, großartige, fantastische Modi besitzt oder nicht. Nach den zig „Call of Dutys“, „Bad Company 2“, sogar „Medal of Honor“ und zuletzt „Killzone 3“ hebt es mich in keiner Weise an, wenn ein weiterer Shooter noch eine Schippe drauf legen möchte. Wie eingangs angedeutet: Das ist ein subjektives Empfinden. Wollt ihr noch mehr mit Freunden im Internet ballern, dann geht das genauso gut mit „Homefront“. Für mich ist das allerdings absolut kein Kaufanreiz mehr.
Solltet ihr bei Multiplayer-Aspekten in Shootern Ähnliches denken, aber trotzdem dem Genre allgemein positiv gegenüber stehen, lautet mein Tipp: Wartet mit dem Kauf von „Homefront“ so lange, bis das Spiel bei <=30 Euro angelangt ist. Ich hätte es begrüßt, hätte THQ bei diesem Spiel ein mutiges Experiment gewagt: Single- und Multiplayer getrennt voneinander in die Läden bringen – für jeweils 30 Euro. Was sich wohl besser verkauft hätte? Zu schade, dass ich dies niemals erfahren werde. Ich hoffe aber inständig, dass die Publisher einmal umdenken. Ich habe schlichtweg keinen Bock, für Elemente zu zahlen, die mich nicht tangieren. Andere haben vielleicht kein Interesse an einer Einzelspieler-Erfahrung? Aber zur Kasse werden sie dafür genauso gebeten.
Warum hab ich nicht einfach eine Empfehlung für „Homefront“ ausgesprochen? Mit „Kurzer Single-, aber (bestimmt) guter Multiplayer“ hätte ich mir die Nörgelei erspart. Allerdings: Hätte ich mir „Homefront“ im Laden holen müssen, ich hätte mich in meinen sagenumwobenen Arsch gebissen. Viel zu kostspielig für das Gebotene, da mich der Mehrspieler-Anteil nicht juckt, ich trotzdem dafür hart verdiente Euro investieren musste. Was ich mich nun frage: Wie viele Redakteure und Spielejournalisten vergessen gerne einmal, dass sie Rezensionsexemplare für lau erhalten und ihre Lobeshymnen oder Warnungen dadurch verfälscht werden könnten? Vermutlich wagt eh niemand zu sagen, dass man sich womöglich nur für das eine (Solo) oder das andere (Multi) ernsthaft begeistern konnte. Hm…
Ganz meiner Meinung. Homefront ist für mich als Freund des Einzelspielermodus im Grunde nur als Schnapper nett gewesen. Klar, es macht Spaß und sieht an manchen Stellen auch richtig gut aus allerdings hätten, wie Du es beschreibst, 50-60 € mich geärgert und der allgemeine Preisverfall bei Gebrauchttiteln nur einen Teil wieder eingespielt.
Schöner Artikel und mir ging es ähnlich: Ich hatte quasi null Erwartungen an das Spiel, war dann 5 Stunden gut unterhalten. Es ist kein perfektes Spiel, aber weit davon entfernt, ein schlechtes Spiel zu sein. Nach einem getrennten Verkauf von Multiplayer und Singleplayer rufe ich ja schon lange. Wäre wirklich mal spannend zu sehen, wie das Ergebnis in Verkaufszahlen aussehen würde. Anderseits müssten die Hersteller das doch auch jetzt schon sehen können, oder? Dank Xbox-Live Statistiken müsste es doch sofort sichtbar sein, wieviele User Homefront in der SP durchgespielt haben (Achievements) und wieviele User wieviel Stunden im Multiplayer verbracht haben. Im Falle eines Bioshock 2 oder Dead Space 2 dürfte das Ergebnis sehr eindeutig sein, wenn ich meinen Bekanntenkreis und das Blog/Twitter-Umfeld als Referenz nehme.
Danke. :) Wie nutzen denn Deine Bekannten BioShock/DS2-Multiplayer? Ich würde ja spontan auf ein “quasi gar nicht” tippen? Irgendein Entwickler-Typ meinte doch, dass man bei manchen Spielen auch keinen Multiplayer erzwingen sollte – und erwähnte da unter anderem Dead Space…sicher zurecht.
Das war Randy Pitchford von Gearbox. Die Firma wird mir immer sympathischer.
http://www.next-gen.biz/news/pitchford-bemoans-multiplayer-obsession
Die Frage ist nur, ob das auch für die Gearbox-Spiele gilt. Ob Duke Nukem Forever eine echte Bereicherung im Bereich Multiplayer sein wird, muss sich ja erst zeigen…
Sven: Jaja, meinte natürlich “überhaupt nicht, nicht mal angeschaut”
Bei mir war das Problem bloß, dass ich relativ viel von Homeront erwartet habe, so wie THQ das beworben hat und auch immer wieder betont hat, dass der Spieler besonders auf emotionaler Ebene angesprochen werden soll, hat mich das Ergebnis dann doch schon stark enttäuscht.