Dead Space 2: Splatter für die Masse

11. Februar 2011

„Dead Space“ wurde von der Presse geliebt, aber war teuer in der Entwicklung und hatte enttäuschende Verkaufszahlen. Jetzt bringt EA mit seiner ganzen Marketing-Power die Fortsetzung auf den Markt.

Eine Vorbemerkung: Ich habe „Dead Space“ geliebt. Ja, es war übertrieben brutal, manchmal sogar regelrecht kindisch in seinem Versuch, Grenzen zu überschreiten. Und die Spielmechanik war aus anderen Spielen geklaut. Aber da war diese verschachtelte Story: Ein Mann schlägt sich allein durch eine ganze Horde blutgieriger Mutanten, nur um mehr über das Schicksal seiner geliebten Freundin zu erfahren. Neben dieser emotionalen (und später tragischen) Komponente vermischte das Hintergrundszenario Motive aus religiösem Fanatismus und „Moby Dick“ mit dem „Prometheus“-Mythos zu einem dystopischen Horror-Szenario, das in der Spielewelt nahezu einzigartig ist. Die Menschheit war hier nicht zu den Sternen aufgebrochen, um neue Welten zu entdecken und neue Lebensformen kennen zulernen, sondern aus reinem Selbsterhaltungstrieb. Die Ressourcen der Erde waren verbraucht und statt Bohrtürmen im Meer flogen riesige Raumschiffe durchs All, um andere Welten auszubeuten. In dieser Zukunftsvision achtete niemand auf die „Erste Direktive“, sondern es ging um Aggression, Ausbeutung und Vernichtung. Hier schlägt die Natur dieses rücksichtslose Vorrücken brutal und animalisch zurück und zeigt der Menschheit ihre Grenzen auf. Deshalb steckt in „Dead Space“ eine mahnende moralische Botschaft, die es weit über das Niveau anderer Spiele hinwegsetzt.

Isaac Clarke – zur falschen Zeit am falschen Ort

In der Fortsetzung wacht Isaac Clarke nach drei Jahren auf einer Raumstation auf. Um ihn herum herrscht wieder das nekromorphe Chaos und er lässt sich von einer Unbekannten durch die Station lotsen. Offensichtlich ist in seinem Kopf ein Code für den Marker verborgen und Isaac ist so ziemlich die wichtigste Person auf der ganzen Station. Spätestens nach zehn Minuten sollte man sich deshalb als Spieler zwei Dinge fragen: Warum geht man so fahrlässig mit seiner Sicherheit um und lässt ihn in einer Krankenstation liegen? Und wieso traut er einer Unbekannten? Hat er denn gar nichts aus seinem ersten Abenteuer gelernt? Anders ausgedrückt: Isaac ist im Serien-Nirwana angekommen. Die Ausgangslage fügt sich nur oberflächlich an den ersten Teil an. Zwar sind die Protagonisten alle da – Isaac, die Sekte Unitology, der Marker – aber warum gerade Isaac im Mittelpunkt steht, wird nur grob und unglaubwürdig skizziert. Als Fortsetzung ist „Dead Space 2“ so unsinnig wie „Die Hard 2“

Auch diesmal sind die Gewaltszenen nichts für Zartbesaitete

In Isaacs zweitem Abenteuer ist alles etwas heller und optimistischer geworden und das Szenario der düsteren menschlichen Zukunft kommt nur ganz selten zum Vorschein, wie etwa in dem letzten Textlog, das man im Spiel findet. Eine Raumstation ist nun mal nicht mehr ein einsames Raumschiff im All und Surrealismus ist hier vielleicht der Anspruch, aber die Umsetzung setzt auf Realismus: eine Art Einkaufszentrum oder ein Kindergarten sind Symbole sozialer Gemeinsamkeit. Zwar gibt es zahlreiche enge Gänge, um das klaustrophobische Gefühl des ersten Teils heraufzubeschwören, aber nun gibt es auch viele Freiräume und sogar Ruhephasen. Das war im ersten Teil nicht so: Der Spieler konnte sich nie sicher sein, ob im nächsten Moment nicht doch ein Nekromorph aus einem Loch springt und über Isaac herfällt. Das ganze Spiel verlieh dem Spieler ein permanentes Gefühl der Unsicherheit, das wesentlich für die Atmosphäre und die Wirkung war. Jetzt ist alles einfacher strukturiert – vielleicht auch, weil die Mechanismen des Vorgängers identisch sind. Die Story ist nicht mehr verschachtelt, sondern geradlinig; Nicole greift nicht mehr direkt in das Spiel ein und die einzelnen Spielabschnitte sind simpel gestrickte „Herausforderungen“, bei denen man sich als Spieler erst in höheren Schwierigkeitsgraden anstrengen muss. Billig: Setzt man auf die falsche Ausrüstung, wird das Finale zum Glücksspiel.

Wenn die Munition ausgeht, geht es in den brutalen Nahkampf.

Natürlich macht Entwickler Visceral Games nicht alles falsch. Im Gegenteil. Vieles, was den Vorgänger auszeichnete, findet man auch hier. Beispielsweise wird das Spiel von der Story gelenkt. Das heißt, jede Spielhandlung wird durch die Handlung begründet. Zugegeben – in der ersten Hälfte ist das etwas schleppend, aber danach wird die Geschichte zunehmend packender. Es gibt dramaturgisch nahezu perfekt aufgebaute Abschnitte, wie beispielsweise die Minuten, in denen man unbehelligt durch die inzwischen gefundene Ishimura stapft – bis plötzlich die Hölle losbricht. Einmal hängt Isaac kopfüber an einem Seil und muss die Feinde abwehren. Selbst die Ruhephasen haben etwas Gutes: simple Rätselelemente, wie das Verschieben von Sonnensegeln im Weltraum, lockern das actionreiche Spielgeschehen auf. Auch das Upgradesystem mit „Werkbank“ und Shop“ wurden nahezu identisch übernommen. In der Summe ist das Spiel ein AAA-Produkt, wie man es erwartet hat, und bietet vielleicht mehr als andere Shooter.

Dead Space, Isaac Clarke und EA – wo geht die Reise hin?

Am Ende bleibt aber die Gewissheit, dass der erste Horrortrip von Isaac Clarke kompromissloser, anspruchsvoller und intelligenter war. Jetzt ist im zweiten Teil alles so, wie es die Masse der Spieler will: Überschaubar, vorhersehbar, simpler. Das verleiht nicht nur dem eigentlichen Spielerlebnis einen faden Beigeschmack, sondern entblößt die ganzen Gewaltexzesse als billige Splattereffekte. Da geht es nicht mehr um den Schock, sondern eher um das Gegröle der Blood & Gore Fans. Isaac zerquetscht Tote, um an Munition zu kommen, köpft Baby-Mutanten, um den Körper als Wurfbombe zu benutzen und stirbt etliche Tode, die in der ständigen Wiederholung den Spieler einfach nur ermüden. „Dead Space“ wandelte schon auf einem schmalen Grad zwischen anspruchsvollem Horror und Trash, aber in der Fortsetzung ist es zu viel an Blut, „taktischer Zerstückelung“ und geklauter Spielmechanik. Trotzdem wird EA von dem Spiel mehr Exemplare absetzen und wahrscheinlich wird das nächste „Dead Space“ im Anspruch einem „Call of Duty“ ähneln. Erfolgreich, beliebt, austauschbar.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

eMail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.
Auch möglich: Abo ohne Kommentar.

10 comments on “Dead Space 2: Splatter für die Masse

  1. Applaus!

    Mir gefällt der erste Teil ebenfalls besser, wobei ich der Story in beiden Teilen keine große Bedeutung zumesse. Aber das klaustrophobische Horrorszenario, die Einsamkeit in einem großen Raumschiff mitten im All, das war alles im Vorgänger exzellent umgesetzt und tritt in der Fortsetzung zu sehr in den Hintergrund.

    Es ist auch bezeichnend, dass nahezu die gesamte Fachpresse Dead Space 2 höher bewertet, als den ruhigeren ersten Teil.

  2. @Rhodok

    Danke. Ich stimme dir zu – der erste Teil war hinterhältiger, die Fortsetzung neigt dagegen zu Hysterie. Und zur Wertung der Fachpresse könnte man ganze Artikel schreiben. Ich habe einmal ein Interview mit dem damaligen Leiter der USK, Dr. Klaus Spieler, geführt. Er sagte, dass die Fachpresse “ein Bewußtsein für Qualität schaffen müsse”. Bald darauf lobte ein großes Printmagazin die KI bei “Crysis” am Beispiel eines urinierenden Soldaten…

    • Wobei, da stellt sich mir die Frage, war das geskripted oder ne tatsächliche KI-Routine die ein “menschliches” verhalten gezielt simuliert, quasi, Soldat XY, ich hab Blasendrücken, Spieler nicht in Sicht, Pinkelvorgang eingeleitet.

  3. the-devil-in-blue-shorts Feb 24, 2011

    Ach ja, Horrorspiele und ihre Nachfolger.
    Mir drängt sich beim Spielen des zweiten Abenteuers des Isaac Clarke doch sehr die Frage auf, ob das ganze Szenario mit dieser Zukunftsreligion, dem Suchen nach Energiequellen und dem ganzen Wahnsinn drumherum jemals die nötige Qualität für eine SpieleSERIE beinhaltet hat und meine persönliche Antwort ist: Nein.
    Dead Space und sein ganzer Horror lebte von der Ungewissheit, dem Nichtwissen, was zum Teufel eigentlich solch ein mutiertes Antifleisch erschaffen konnte, das einem da in Person eines armen Mechanikers das Leben zur Hölle machte. Das Problem der Fortsetzung ist einfach, dass die Story in Teil 1 an sich sehr gut und dramatisch genug abgeschlossen war. Fängt man jetzt Teil 2 an, weiß man doch irgendwie schon, was kommt. Irgendwer setzt noch einen Marker zu eigenen Zwecken ein, das Ganze geht schief, man ist wieder in den Fängen dieser Leute, muss sich da rauskämpfen… bla bla bla
    Die Story stirbt in sich den unausweichlichen Serientod, den es immer gibt, egal ob Film, Buch oder eben Videospiele. Irgendwann war einfach Scrubs nicht mehr richtig witzig, Lost nicht mehr misteriös, Alienfilme waren zwar gut gemacht, aber auch immer gleich und Assassin’s Creed z.B. ist dann auch mit jedem weiteren Teil dasselbe. Resident Evil hat wenigstens noch den Zombiebonus, was zwar auch immmer dasselbe ist, aber halt in Zombieform ( Und Zombies gehen halt immer, weiß der Geier wieso). Substanz ist das Stichwort und die wird sich in der Dead Space Reihe eben ganz schnell auslutschen, wenn schon Freunde des ersten Teils sich nicht so wirklich sicher sein sollen, was sie von Teil 2 halten.
    Wobei es für das Spiel an sich schon recht schade ist, denn eigentlich ist die Stimmung gut gemacht – OK, Isaac könnte die Schnauze halten – Munddemenz oder sowas – es war halt ein wichtiger Effekt in Teil 1 – und sowohl die Aktion als auch die leicht, aber sinnvoll verbesserte Steuerung sind eigentlich echt 1A.
    Das einzige, was das Ganze hier runterreisst ist der Beigeschmack des Marketingmonsters, dass man da spielt und die, wie ich finde, etwas maue Story um eine sich selbst zerfetzende Religion.
    Dabei leidet dann auch die ganze splatterhafte Zerstörungsorgie, die bei stinknormalen Zombies keinen wirklich stören würde, und wirkt eben schon überzogen und beim “X”gedrücke (PS3 in dem Fall) denkt man sich schon, ob weniger in Teil 2 nicht eben mehr gewesen wäre. Um es mal frei mit Marx zu sagen: Wenn der Überbau nicht stimmt, schimmelt der Rest auch nur vor sich hin. OK, war recht frei interpretiert, aber ich denke, die Botschaft wurde klar.
    In diesem Sinne, frohes Zocken.

    • Danke. Ein sehr schöner Kommentar, dem ich fast in allen Punkten zustimme. DS 2 ist in meinen Augen eher der zweite Teil einer Serie im Stil von James Bond & Co, als Teil einer Trilogie, welche die Handlung konsequent vorantreibt. In DS 2 ist fast nichts neu, alles kennt man schon und deshalb wird man als Spieler enttäuscht sein.

      Nur in einem Punkt widerspreche ich: Dead Space besitzt in meinen Augen ein komplexes Hintergrundszenario, dass man noch ausbauen könnte.

  4. zum glück seid ihr keine entwickler von dead space!!
    first off ich hab nur den zweiten teil gespielt und ich fand ihn sehr sehr authentisch und sehr fesselnd und genug schockend während der story…
    und es ist normal dass man im verlauf einer geschichte irgendwann erfährt wo das böse ist und wo es herkommt so btw es gibt auch zwei filme über dead space vielleicht ist dir dann die story nicht mehr so einfältig @thedevilinblueshorts achja wenn du sowieso jede show von pro7 auswendig kennst kann ich nichts mehr machen —
    ich mag dead space2 besonders wegen dem plot und WEIL es eben auch überrascht

    • Evil_Mind Sep 6, 2012

      Hallo!

      Ich denke dieser Kommentar ist genau so unnötig, wie der zeite Teil von Dead Space.

      Wenn ich einen Vergleich anstellen will, sollte ich mit Teil 1 anfangen und dann zu Teil 2 springen, sonst kann ich mir diese “authentisch”, schockende und gruselige Story knicken.

      Fakt ist hier, dass es ein Mainstream-Spiel ist. Breit gefächert, ohne die Schocksequenzen aus dem ersten Teil, die für mich das Spiel ausgemacht haben, wie zum Beispiel diese riesigen Tentakeln, die plötzlich durch die Wand, oder durch Fenster brechen und mich fangen und töten wollen.

      Alles in allem, hat mich der zweite Teil garnicht überzeugen können. Ich kann hier Andreas nur zustimmen.

  5. Das Spiel ist definitiv ein Hammer!