Birne aus, Knarre an, Feuer frei! Obwohl Railshooter heutzutage längst nicht mehr so einfach gestrickt sind wie vor 20 Jahren, die Reihenfolge beim Starten eines Spiels ist geblieben. Wer sich nicht an diese hält, wird vermutlich niemals dem Charme des Genres etwas abgewinnen können, das irgendwann einmal in der Pre-Egoshooter-Phase hängen geblieben sein muss. Ich mag Railshooter total gerne, dabei geht es gar nicht mal ums Abreagieren der primitiven Art. Vielmehr ist es ein rein fiktives Training der eigenen Reaktionen, in Kombination mit Unterhaltung versteht sich. Von mir aus können Spiele wie „House of the Dead“ oder „Virtua Cop“ Relikte der Vergangenheit, also RETRO, sein. Solange ich meinen Spaß habe, sollen andere ruhig die Nase rümpfen und weiter „Counter-Strike“ zocken. Ich dagegen freue mich sehr darüber, dass das klassische Konzept nach wie vor Bestand hat und endlich im 21. Jahrhundert angekommen ist – zumindest technisch.
Ich muss zugeben, dass ich zu Beginn sehr skeptisch war, was Sony mit dem Move-Controller für die PS3 eigentlich bezweckte. Noch mehr Casual-Mumpitz auf Wii-Niveau, aber mit HD-Auflösung? Ich kann auf sowas gerne verzichten. Aber dann erschienen „The Shoot“ und „Time Crisis: Blazing Storm“ für meine geliebte Entertainment-Kiste. Voraussetzung: Move! Empfehlung: Pistolenaufsatz! Als bekennender Fan konnte ich freilich nicht zögern, ich kaufte mir sofort das 15 Euro günstige „Shooting Attachment“ und besorgte mir beide Spiele dazu. Vorab sei gesagt: Vergesst die Wii samt der veralteten Technik, ich will in Zukunft noch mehr Railshooter-Fun in HD!
Es fängt schon bei der Peripherie an. Auf der Wii habe ich die Wiimote, den Nunchuk und den Wii Zapper-Plastikaufsatz. Allein das Verkabeln und Reinstecken der Geräte in das weiße Ding nervte mich seit jeher, von intuitiv und schnell war hier noch nie die Rede. Brauchte ich bei einem Spiel keinen Nunchuk, war der Zapper nach hinten hin zu leicht ; ich musste also immer die komplette Schusswaffe zusammen friemeln und mich immer und immer wieder über diese Scheiße von Nintendo ärgern. Und jetzt hab ich das “Shooting Attachment” für die PS3, das subjektiv betrachtet sogar richtig gut aussieht und in Windeseile eingerichtet ist. Zwei Schieber in die „Release“-Richtung drücken, Klappe auf der Oberseite abnehmen, Move-Controller rein, Handschlaufe nach hinten ziehen, Klappe drauf, fertig. Das ist in 30 Sekunden erledigt, bei der Wii hab ich immer an die fünf Minuten benötigt. Sicher, auch das “Shooting Attachment” ist nichts anderes als ein Stück Plaste und ohne weitere Funktion, wirkt aber insgesamt viel durchdachter, robust verarbeitet und liegt in keinem Fall schlechter in der Hand als der ebenfalls prima funktionierende Wii Zapper. Dass sich die Sony-Tüftler für eine Pistolen-Form entschieden, begrüße ich. Denn so genügt eine Hand für zünftige Ballereien
Zweifelsohne kann ich sagen, dass PlayStation Move die fortschrittlichste Technologie für Railshooter ist, die es gegenwärtig für das heimische Wohnzimmer gibt. Verzögerungen sind mir weder bei „The Shoot“ noch bei „Time Crisis: Razing Storm“ aufgefallen, ebenso scheint mir die Hardware äußerst präzise Objekte auf dem Bildschirm zu registrieren. Zwar ist beim reinen Schießen der Unterschied zur Wii nur marginal bis gar nicht vorhanden, rein vom Gefühl her ist Move einen winzigen Touch genauer, ohne dass ich dafür einen fachmännischen Beleg parat hätte. Schön ebenfalls: Trotz der Tatsache, dass Move bekanntlich die PlayStation Eye-Kamera voraussetzt, um die leuchtende Kugel des Controllers in ihrer Position zu erkennen, ist ein Zocken von Railshootern in absoluter Dunkelheit überhaupt kein Problem. Mich hat das beruhigt, schließlich zockt ein echter Killerspieler niemals in hell erleuchteten Räumen.
Kinect ist für mich übrigens keine vorstellbare Alternative zu Move oder überhaupt für Railshooter geeignet. Wie soll ich denn ohne ein echtes Eingabegerät für die Xbox 360 auf den Bildschirm feuern? Mit einer zur Pistole geformten Hand etwa? Pardon, das ist lächerlich!
Und da ist freilich DER Vorteil der PS3 gegenüber dem aktuellen Nintendo-Flaggschiff: HD-Auflösung. Vergleiche ich „House of the Dead Overkill“ oder „Resident Evil: Umbrella Chronicles“ samt ihrer leider etwas pixeligen Präsentation auf HDTV-Geräten mit „The Shoot“ auf der PS3, dann kann schon von einem kleinen Quantensprung die Rede sein. Natürlich sind beide Wii-Titel erstklassige Vertreter und für SD-Verhältnisse visuell hervorragend, doch mittlerweile bin ich so sehr verwöhnt, dass ich sogar einen grafisch soliden oder gar durchschnittlichen Titel bevorzuge, wenn ich diesen in knackscharfer Auflösung erleben kann. Versteht mich nicht falsch, es gibt etliche Spiele, die ich auf der Wii sehr mag. Allerdings ändern sich die Ansprüche einfach mit den Jahren, und meist sind diese eng mit den technischen Möglichkeiten der Hardware verbunden, die man sich ins Haus holt.
Die Munition. Ohne gute Software, keine Freude. Logo! Solltet ihr aufgrund meines dezenten Vergleiches zwischen „House of the Dead Overkill“ und „The Shoot“ aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommen, dann sei betont, dass ich hier von glänzenden Schneewittchen-Äpfeln und grob texturierten Birnen gesprochen habe. Selbstverständlich spielen die großen Wii-Railshooter in einer qualitativ anderen Liga als die fast schon winzig anmutende Knallerei von Sony. Jedoch zeigt „The Shoot“, wie intuitiv und geradezu perfekt Move funktionieren kann, und das ohne irgendwelche Abstriche. Durch fünf Filmsets werdet ihr von einem virtuellen Regisseur geschickt, unter anderem besucht ihr den Wilden Westen, eine Unterseewelt, eine Metropole samt Robotern oder ein alternatives 1930er-Szenario. Dort schießt ihr wortwörtlich auf Pappfiguren, erhöht fortlaufend euren Multiplikator für perfekte Treffer und sammelt dadurch nicht nur Punkte, sondern auch Special-Items. Diese aktiviert ihr auf ziemlich witzige Art und Weise: Eine Slow-Motion-Funktion startet ihr durch eine 360-Grad-Drehung oder indem ihr die Pistole wie ein Lasso über den Kopf schwingt. Zusätzlich weicht ihr durch eure Körperbewegungen Schüssen von Endbossen aus oder schaltet durch ECHTES Können neue Schauplätze oder gar Zweispieler-Herausforderungen frei.
Die PS3 könnte zwar visuell mehr leisten und die Ladezeiten sind nahe am Unerträglichen, aber insgesamt hat mir „The Shoot“ ausgesprochen gefallen. Das Grundthema samt Umsetzung ist lustig und die Ausnutzung des Move-Controllers nahezu perfekt. Ihr müsst euch nicht zu sehr bewegen, aber still auf der Couch sitzen ist auch nicht empfehlenswert. Dazu kommen ein fordernder, aber nie zu schwerer Schwierigkeitsgrad und einige amüsante Spielideen. Beispielsweise könnt ihr viele Objekte in der Botanik zerlegen und für ordentliche Explosionen sorgen. Schade ist höchstens, dass der Spaß für knapp 40 Euro zu kurz ausgefallen ist und sich die Verhaltensweisen der Gegner ständig wiederholen. Aber die Richtung, die „The Shoot“ eingeschlagen hat, ist formidabel. Einfach, eingängig, attraktiv, sympathisch. Und auf gewisse Weise familienfreundlich, schließlich werden keine echten Menschen getötet.
Etwas anders sieht es bei „Time Crisis: Razing Storm“ aus. Dabei ist das sogar eine etwas komplizierte Geschichte: Damals kaufte ich mir „Time Crisis 4“ voller Vorfreude. Denn der Titel sollte der erste sein, den ich auf einer NextGen-Konsole in HD hätte genießen können. Als ich den Titel auspackte, erwartete mich Grausiges. Eine furchtbar hässliche und orangefarbene Knarre samt unendlich vielen Kabeln und irgendwelchen doofen Sensoren. Diese Sensorbar-Alternative auf dem TV zu platzieren war eine Katastrophe, unkomfortabel und beim Verwenden auch nicht zufriedenstellend. Wirklich prima war die GunCon3 mit dem kläglichen Versuch, die Wii-Sensortechnik zu kopieren, leider nicht.
Jetzt ist dieses Drama zum Glück vergessen, denn „Time Crisis: Razing Storm“ unterstützt nicht nur die GunCon 3, sondern auch den Move-Controller. Das abscheuliche Monster hab ich nicht wieder vorgekramt, sondern gleich zur leuchtenden Pistole gegriffen, um zuerst „Time Crisis 4“ unter die Lupe zu nehmen. Der Spielhallen-Klassiker befindet sich nämlich in der recht kurzen Arcade-Version als Bonus auf der DVD. Und tatsächlich: Jetzt spielt sich das alles viel besser als früher, obwohl das “Shooting Attachment” nicht explizit unterstützt wird. Dies hat zur Folge, dass ihr während des Kämpfens durch die futuristisch anmutenden Schauplätze regelmäßig auf die Oberseite der Waffe greifen müsst, um nachzuladen oder Waffen zu wechseln. Das ist unbequem und zeigt, dass sich die Entwickler nur über den losen Move-Controller Gedanken gemacht haben, nicht aber über das Zubehör. Gleiches gilt für den zweiten Bonus namens „Deadstorm Pirates“. Ich muss zugeben, dass ich das Werk von Namco Bandai zuvor nicht kannte und positiv überrascht wurde. Das Zombie-Piraten-Szenario ist wirklich cool und grafisch kann ich auch nicht nörgeln. Das Präsentierte ist zeitgemäß, was wohl daran liegt, dass die Arcade-Vorlage aus dem Jahr 2009 stammt.
Sowohl „Deadstorm Pirates“ als auch „Time Crisis 4“ verwenden Move ausschließlich als Eingabegerät fürs Schießen oder für die Navigation in Menüs und innerhalb des Spiels. Also nichts Besonderes, aber solange es keine Schwierigkeiten gibt. Da wären wir gleich beim Thema. „Razing Storm“, der Nachfolger von „Time Crisis 4“ ist für mich aus Railshooter-Perspektive und bezogen auf den Story-Modus ein übles Stück Software. Da ihr euch im Stil eines x-beliebigen Egoshooters umher bewegt, seid ihr dazu gezwungen, den Joypad oder den Navigation-Controller einzusetzen. Zusammen mit Move ergibt sich eine schaurig schlechte Steuerung durch die Levels, bei der ihr schnell Move komplett deaktiviert. Dann klappt es auch mit dem Spielen, nur flott macht sich dann die Erkenntnis breit, dass „Razing Storm“ irgendwie doof ist. Blöde Story, keine Mitstreiter im Online-Modus, keine Motivation, sich durch die Schauplätze zu kämpfen. Das können Konkurrenten von anderen Herstellern einfach zehn Ecken besser – ganz ohne Bewegungssteuerung. Daher rate ich zum Arcade-Part von „Razing Storm“, dort könnt ihr auch zu zweit loslegen und braucht euch nicht mit einer umständlichen Kontrolle herumärgern. Und dann stimmt auch wieder der Spaß!
Schaue ich mir die neckischen Ansätze von „The Shoot“ und die, abgesehen von der „Razing Storm“-Hauptstory guten Portierungen der Spielhallen-Railshooter an, kann ich abschließend sagen: Ich will zukünftig mehr davon, gerne alle nennenswerten Genrevertreter von der Wii in HD-Optik. Endlich hat mich PlayStation Move überzeugt, jetzt fehlt nur noch der Software-Nachschub für meine neue Pistole. Meine Empfehlung lautet daher: Ihr mögt solche Spiele? Dann kauft euch „The Shoot“ und durchaus auch „Time Crisis: Razing Storm“, natürlich nur mit dem „Shooting Attachment“ und – wenn ihr es noch nicht besitzt – Move. Ihr werdet eure helle Freude haben und nach einigen Stunden wie ich hoffen, dass Sony und andere Spielefirmen für weitere feine Move-Schienenschießereien sorgen.