Videospiele haben ein Problem: Es geht nur ums Gewinnen. Egal wie kompliziert, düster oder brutal das Abenteuer war – am Ende bekommt man in irgendeiner Form seine Prinzessin.
ACHTUNG SPOILER!!!
Das unterscheidet sie von Literatur oder Film. Nehmen wir zum Beispiel Francis Ford Coppolas „Der Pate“. Hier geht es nicht um die glorreiche Aufsteigerstory eines Einwanderers, sondern darum, wie ein Mann an seiner Macht zerbricht. Natürlich gibt es gute Filme oder Romane mit Happyend, aber es ist die „Kunst“ von Film und Literatur uns auch die Schattenseiten zu zeigen. Es ist banal, aber aus einer Niederlage lernt man mehr, als aus einem Sieg. Das kann man nun etwas pathetisch „Botschaft“ oder „Moral“ nennen, aber Fakt ist, dass es den meisten Videospielen daran fehlt. Dagegen definiert eine „Botschaft“ ein Kunstwerk. Die meisten Spiele sind nur wegen ihrer selbst Willen da und bieten leicht verdauliche Unterhaltung. Der Sieg ist unausweichlich und Nachdenken oder Reflektieren über das eigene Tun ist nicht erwünscht – meistens jedenfalls. „Mafia 2“ ist anders, denn es geht ums Verlieren. Jeder Sieg, den Hauptfigur Vito Scaletta erringt, ist nur ein weiterer Schritt in sein Verderben.
Vito ist ein Kriegsheimkehrer. Ohne Perspektive und mit Familienschulden rutscht er mit seinem zwielichtigen Freund Joe ins Gangster-Milieu ab. Er erledigt Jobs für die Mafia – Autodiebstähle, Geschäfte ausrauben und schließlich Auftragsmorde erledigen. Das macht er mit einer bemerkenswerten Kaltschnäuzigkeit, die selbst Joe verblüfft. Die beiden steigen schnell auf, doch irgendwann wird Vito verpfiffen und landet für sechs Jahre im Knast. Dort lernt er einen einflussreichen Mafiosi kennen, und als er wieder entlassen wird, macht er mit Joe dort weiter, wo er aufgehört hat. Seine Heimatstadt Empire Bay hat sich zwar etwas geändert und das Gangsterleben ist komplizierter geworden, aber der Job ist der Gleiche: Töten oder getötet werden. Vito schließt neue Freundschaften, gewinnt viel und verliert es auch wieder und muss am Ende Joe endgültig Lebewohl sagen – Happyends sehen anders aus.
Das Spiel selbst bietet Standardkost und dürfte jedem bekannt sein, der einmal GTA gespielt hat. Man stiehlt Autos, flüchtet vor der Polizei oder ballert sich durch die Gegend. Das eine wird schnell zur nervtötenden Fleißaufgabe und das andere wird schnell eintönig. Vito hetzt von einer Deckung zur nächsten und tötet die Gegner. Mal muss er einen Kumpel aus einem Haus eskortieren, mal soll er ein ganzes Gangsternest ausheben und einmal einen Feind verfolgen und erledigen. Das ist alles solide umgesetzt, aber das Spiel dreht erst im letzten Drittel so richtig auf. Auffällig ist, dass von dem Open-World-Szenario, das noch letztes Jahr auf der Gamescom angekündigt wurde, nichts mehr übrig ist. Man wird zwar im Spiel auf ein paar potentielle Auftraggeber hingewiesen, doch keiner von ihnen bietet Vito einen Job an. Das hinterlässt einen bitteren Beigeschmack: Einerseits macht das die Geschichte kompakter, aber andererseits wird diese dreiste Content-Kastration einige Spieler verprellen.
Ähnlich wie in „Alan Wake“ ist die Spielmechanik aber nur Mittel, zum Zweck um eine Geschichte zu erzählen. Entwickler 2K Czech macht es sich nicht einfach, denn Vito ist kein massenkompatibler Sympathieträger, der aufrichtig seine Taten bereut. Anders als John Marston in „Red Dead Redemption“, will Vito nur möglichst schnell in der Mafia-Hierarchie aufsteigen. Er ist wahrlich kein netter Kerl, tötet eiskalt und hat außer seinem Kumpel Joe keine echten Freunde – Sex gibt es sowieso nur gegen Bezahlung. Noch dazu wird er schnell zum Spielball mächtiger Mafia-Bosse und jeder seiner Siege bringt ihm nur weitere Probleme: Erst das Gefängnis, dann wendet sich seine Familie ab und schließlich wird das große Finale zum endgültigen Abschied für seinen besten Freund Joe. Vito ist ein Unglücksbringer, der sich und seine Umwelt ständig in Gefahr bringt. Natürlich bleibt vieles unscharf – das Kriegstrauma wird kaum thematisiert – aber mit Vito Scaletta ist 2K Czech eine der komplexesten Spielfiguren der Spielegeschichte gelungen: düster, zwiespältig, hintergründig.
Es gibt eine Szene, die Vieles auf den Punkt bringt: Gegen Ende des Spiels müssen Vito und Joe einen Auftragsmord ausführen, einen Routinejob. Ihr Opfer: Tommy Angelo, die Hauptfigur aus dem ersten „Mafia“-Abenteuer. Es ist der Moment, in dem deutlich wird, dass es in dieser (Spiel-) Welt keine Gewinner gibt. Egal wie viele Menschen du tötest und wie gut du dich verstecken kannst – am Ende ist Zahltag. Die Botschaft „Du kannst deinen Sünden nicht entkommen“ mag banal sein, aber sie ist mehr als das, was andere Spiele bieten. Gewalt wird in „Mafia 2“ nicht per se legitimiert. Sie ist zwar notwendiges Übel zum Spielfortschritt, aber am Ende wird Vito mit seinen Taten konfrontiert. Statt Probleme zu lösen, entstehen neue – das ist ungewöhnlich im Videospielgenre. Selbst „Red Dead Redemption“ bleibt da nicht konsequent. Zwar stirbt John Marston im Kugelhagel seiner Feinde, doch wird dieses düstere Ende durch die anschließende Rache seines Sohnes ad absurdum geführt.
In RDR wird alles wieder gut, weil die Gerechtigkeit siegt. Aber in „Mafia 2“ gibt es nur Verlierer. 2K Czech packt in ihr Action-Abenteuer eine ernste Botschaft und gibt dem Spiel damit eine Aussage. Die ist vermutlich simpel, nicht gerade originell und dürfte manchen Spielern nicht gefallen, aber sie lässt erahnen, warum Spiele irgendwann einmal als Kunstwerke angesehen werden.
Disagree! Mafia 2 ist ein stinkendes Beispiel dafür, dass gutes Storytelling noch lang kein gutes Spiel ausmacht. Atmosphärisch hinkt der Titel Lichtjahre hinter einem GTA IV her. Selbst ein GoW2 hat da mehr zu bieten.
Du hast keine Ahnung Konrad.
Ich habe den Beitrag mal höflich übersprungen…aus folgendem Grund:
Ich habe Mafia 2 nach der zweiten Mission wieder deinstalliert.
Ich halte Mafia für eines der besten Spiele, die ich jemals gespielt habe. Das Storytelling ist bis heute nicht getoppt worden. Und ich bin sogar relativ optimistisch,d ass das beim zweiten Teil ähnlich ist.
Aber ich kann kein Spiel genießen, wenn mir jedesmal wenn ich es starte wieder klar wird, wie sehr mich 2K verarscht hat. Ich habe noch niemals ein Spiel gesehen, bei dem es SO offensichtlich ist, dass überall, an jeder Ecke Inhalte entfernt wurden, um sie nachträglich zu verkaufen. Auf der Minimap habe ich Nebenmissionsicons, aber wenn ich dort hingehe bekomme ich lediglich gesagt, dass man dort gerade nichts für mich hat – nach kurzer Recherche bleibt das wohl das ganze Spiel über so. Dzutzende Autos und Waffen die es nur gibt, wenn man bei irgendeinem Händler vorbestellt…will man alles haben, muss man es in etwa 6 mal vorbestell thaben.
Keine Freie Fahrt? Ernsthaft? Obwohl diese im Code enthalten ist? Und obwohl ein Modder sie innerhalb von zwei(!) Tagen reinmodden konnte?
Dann hat der erste DLC plötzlich im Gegensatz zum eigtl Spiel ein akzeptables Speichersystem…war es da nicht mehr nötig, die Spielzeit zu strecken?
Die meisten Dinge sind mir ganz von allein aufgefallen, einfach, weil sie SO auffällig waren. Im offiziellen Forum gibt es quasi kein anderes Thema…doch die Sprechering antwortet schon fast zynisch immer und immer wieder "nene, ihr habt da das komplette Spiel".
Für mich die größte Spielenttäuschung, die ich je erlebt habe. Ich finde "Boykotte" absolut lächerlich aber dieses Spiel hat mich ohne Frage davon überzeugt, nie wieder ein Spiel von 2K neu zu kaufen. Die kommen nur noch gebraucht ins Haus, damit der Verein von mir zumindest keinen Gewinn mehr macht. Und wenn es auch nur fürs eigene Gewissen ist :)
Wird aus o.g. Gründen maximal als Budget Titel geholt.
Take2 versucht mit ganz großen Schritten Activision und EA den Titel als größter Arschloch-Publisher abzuluchsen.
Ich will die Content-Kastration gar nicht schönreden. Fakt ist aber, dass Mafia 2 kein Mini-Game ist. Man bekommt eine durchschnittliche Spieldauer mit einer (meiner Meinung nach) herausragenden Story. Klar wird die Handlung durch teilweise unsinnige Autofahrten gestreckt, aber was haltet ihr dann von den endlosen Ritten bei RDR? Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich bei Mafia 2 nicht auch noch Blümchen sammeln muss.
In meinem Text steht ja, dass ich fast all euren Kritikpunkten zustimme. Mafia hat aber darüberhinaus noch etwas anderes zu bieten und es ist schade, dass die Diskussion hier überhaupt nicht darauf eingeht. ich finde schon, dass man von Spielen mehr verlangen kann als bloße Unterhaltung.
Mafia 2 ist kein schlechtes Spiel aber das Verlieren ansich kann ich nicht sehen, da er zum Schluss doch davon kommt. Andere Beispiele sind Bioshock oder Heavy Rain. Bei Bioshock musste ich zuschauen wie die Sisters ein Atom U-Boot zum Schluss übernahmen durch mein Handeln, bei Heavy Rain musste ich zuschauen wie mein Sohn starb, beide Ermittler tot waren und ich mich in der Gefängniszelle erhängte. Das sind Titel die mit Filmen vergleichbar sind.
@JTR: Wenn man überlebt heißt das nicht unbedingt, dass man der große Gewinner ist. Michael Corleone ist im Film am Ende zwar der große, mächtige "Pate", aber das ist auch nur ein scheinheiliger Triumph und kaschiert nur sein menschliches Drama. In Wirklichkeit ist er einsam und kann niemandem mehr vertrauen.
An die Dramatik von Heavy Rain kommt es aber bei Weitem nicht heran. Beispiele die sich mit Mafia 2 messen können gibt es in der Spielbranche viele. Solche die sich mit Heavy Rain messen können nur wenige.
Verstehe mich nicht falsch, als Liebhaber des Mafia Themas hat mir Mafia 2 sehr gut gefallen. Aber die Story ist zwar nicht schlecht, aber hinkt meines Erachtens einem Bioshock (1, Teil 2 ist grottenschlecht), Mass Effect, Fahrenheit, Heavy Rain usw. bei weitem hinterher. Selbst Max Payne 1 und 2 haben mir dort besser gefallen, weil es wirklich die Story eines Mannes erzählt, der schlicht alles verloren hat (und vielleicht deswegen nur gewinnen kann?). Schlussendlich geht man aber auch bei Max Payne viel weniger als Gewinner aus dem Spiel als bei Mafia 2.