Agatha Christie trifft die “Reservoir Dogs” im Wilden Westen. Quentin Tarantinos achter Spielfilm “The Hateful Eight” ist ein kammerspielartiger Italo-Western, der das Böse im Menschen aufzeigen will. Zum Lachen gibt es hier wenig.
Acht Menschen umlauern sich bei einem Schneesturm in “Minnies Miederwarenladen”, bis am Ende die Handlung in ein blutiges Gemetzel umschlägt. Im Prinzip ist es ein langgezogener Thriller nach dem “Whodunit”-Prinzip: Wer von den Anwesenden will die zum Tode verurteilte Braut retten? Wenn am Schluss Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) die Überlebenden versammelt und die Beweise durchgeht, ist der Weg zu Hercule Poirot nicht mehr weit.
Zu lang
Natürlich ist das alles viel zu lang geraten, und wer schon “Death Proof” kaum ertragen hat, wird das Ende von “The Hateful Eight” nicht mehr erleben. Tarantino geht ganz weit zurück zu seinem ersten Film “Reservoir Dogs” und lässt seine Figuren reden, reden, reden. Das muss gerade bei Tarantino keine Schwäche sein, denn wenn einer pointierte Dialoge schreiben kann, dann er. Leider fehlt ihm im Gegensatz zu “Reservoir Dogs” oder “Pulp Fiction” die Popkultur, um seine Dialoge anzufeuern. Vieles wirkt dann holprig, ganz nach dem Prinzip “Na, dann erzähl mal. Wie war das damals?”
So entsteht zwar ein Kaleidoskop unterschiedlicher Charakterköpfe, von denen keiner sich so recht zum Sympathieträger aufschwingen will, aber auch viel Leerlauf. Irgendwann beginnt Tarantino dann in seinem eigenen Repertoire zu wühlen. Er spielt mit den Zeitebenen oder zitiert Szenen aus seinem Frühwerk. Für einen Filmemacher, der als Vorreiter wie kein anderer das Kino der 1990er geprägt hat, ist das ein gewaltiger Rückschritt.
Was bleibt, ist Tarantinos Talent für Suspense. Jeder Zuschauer weiß, dass sich die Figuren am Ende nicht in Frieden trennen werden. Und so ist der blutige und groteske Gewaltausbruch so etwas wie eine Befreiung – auch für den Filmemacher. Das ambitionierte, aber prätentiöse Filmgerüst wird zusammengerissen und macht Platz für die stärkste Szene des Films. Wenn die (mehr oder weniger) Überlebenden in ihren Blutlachen über die Kapitulation verhandeln, ist das ganz großes Tarantino-Kino. Es geht um Freundschaft, Loyalität und Geldgier. Versöhnung? Pathos? Melodramatik? Von wegen. In Tarantinos Film wird eher ein Brief von Abraham Lincoln zum zynischen Seitenhieb auf Spielberg-Kitsch und weniger ein Manifest für das neu entdeckte politische Bewusstsein des Filmemachers.
Fan-Service
Dennoch muss sich der Zuschauer am Ende fragen, ob Tarantino sein “Mojo” verloren hat. Trotz seiner Liebe zum Italo-Western scheint sich sein Filmstil mit diesem Genre nicht zu vertragen. Schon der durchschnittliche “Django Unchained” wirkte wie ein oberflächliches und inkonsequentes Zitatenfeuerwerk. Immerhin ist der Filmmacher zur Konsequenz zurückgekehrt. “The Hateful Eight” wird daher eher den Fans des frühen Tarantino gefallen. Deshalb ist das Beste, was man über den Film sagen kann, dass er garantiert kein Hollywood-Blockbuster ist. Vielleicht ist das ein Schritt in die richtige Richtung.
“THe Hateful Eight” von Universum Film läuft ab dem 28. Januar 2016 im Kino.
Hab ich vollkommen anders wahrgenommen. Aber ich fand auch schon Django Unchained alles andere als “durchschnittlich”. Ich sage mal provokant: wer keine Eierspeisen mag, der sollte auch keine essen, selbst wenn es eine neue Eierspeise gibt. Wer Tarantinos Stil mag, weil er ihm zusagt, der wird auch diesen Film mögen und ist glücklich über die vollen 2,5h. Wer Tarantino nicht mag, oder seine Filme nur mal gesehen hat weil ja Christoph Walz so hip ist, der sollte (Überraschung) vielleicht auch einfach diesen Film nicht sehen. :)