Nüchtern betrachtet ist die Geschichte der Transformers wirklich unglaublich bescheuert und typischer 1980er Jahre Murks: Irgendwelche riesigen Maschinen, die wie Menschen denken und handeln, können sich in Fahr- oder Flugzeuge verwandeln und leben auf einem technisierten Planeten, der selbst auch eine Art Roboter ist. Dazu kommen Elemente aus der untersten Klischee-Schublade: Die stets freundlichen und liebenswerten Autobots kämpfen gegen die immer machthungrigen und hundsgemeinen Decepticons um die Vorherrschaft auf dem gemeinsamen Himmelskörper, der Cybertron genannt wird. Gut gegen Böse! Langweilig und ausgelutscht. Aber die Rechteinhaber von Hasbro sehen das anders, sonst hätte es wohl nie die beiden „Transformers“-Kinofilme von Michael Bay gegeben. Dabei wissen wir doch, dass die Männer nur wegen Megan Fox in die Lichtspielhäuser gepilgert sind und Frauen mitkommen durften, um ihnen einen Gefallen zu tun.
Der Effekthasch-Mumpitz von Bay und Spielberg hat aber bekanntlich einen Ursprung, nämlich die Spielzeuge, die seit 1984 hergestellt werden. Um diese weltweit erfolgreich zu promoten, wurden Zeichentrickfilm-Serien realisiert und Comics in den Zeitschriftenhandel gebracht. Die TV-Produktionen, die 1986 sogar in einem Kinofilm gipfelten, sind Basis für ein neues „Transformers“-Videospiel, das Activsion gemeinsam mit den High Moon Studios veröffentlichte. Vermutlich bin ich nicht der einzige Spieler, der bei „Transformers: Kampf um Cybertron“ (übrigens namentlich identisch mit dem ersten Kinofilm, obwohl eine andere Story erzählt wird) an einen x-beliebigen Lizenz-Quatsch dachte. Doch weit gefehlt, denn gegenüber den vergangenen „Transformers“-Spielen, passend zu den letzten Filmen, erwartet euch dieses Mal eine an sich nette Baller-Orgie.
Puh, Glück gehabt, dass ich noch den Bogen bekommen habe. Denn das „Transformers“-Universum ist so umfangreich und hanebüchen, da kann man sich schnell in gruseligen und für Außenstehende befremdlichen Details verlieren. Das war vermutlich auch den Entwicklern bewusst, die glücklicherweise bemüht waren, die Handlung von „Kampf um Cybertron“ halbwegs verständlich zu erklären. Große „Transfans“ (so heißen sicher die Transformer-Fans?) werden sich über die Rückkehr vom selbsternannten Decepticon-Anführer Megatron freuen, der an Coolness kaum zu übertreffen ist. Mit dem mysteriösen Stoff Dark Energon, das auf einer Raumstation vom ebenfalls recht machthungrigen Starscream beschützt wird, möchte Megatron endlich die Autobots samt Zeta Prime und seinem Nachfolger Optimus (Prime) in Schrott verwandeln. Das große Ziel ist die Herrschaft über Cybertron, logo! Lobend sei erwähnt, dass die Handlung nachvollziehbar ist und auch Nicht-Profis unterhalten kann – egal was man nun von sprechenden Blechmaschinen halten mag.
„Kampf um Cybertron“ ist in zehn Kapitel unterteilt, fünf davon erlebt ihr auf der Seite der Decepticons, fünf dürft ihr gemeinsam mit den Autobots überstehen. Die bekanntesten Protagonisten beider Fraktionen stehen als spielbare Charaktere zur Auswahl, optional könnt ihr die gesamte und rund zehn Stunden umfassende Kampagne auch im Dreierteam kooperativ überstehen, was erstaunlich viel Spaß bereitet, da ihr spontan in Matches einsteigen bzw. aus Missionen aussteigen könnt. Als Solist müsst ihr euch aber keine Sorge machen, denn der Titel eignet sich prima für Einzelkämpfer. Dann werdet ihr von recht gut agierenden KI-Kollegen begleitet, die sogar miteinander kommunizieren und sich nicht selten ganz amüsante Sprüche an den Kopf werfen. Es scheint fast, als haben die Produzenten den Transformers-Unsinn mit einem Augenzwinkern betrachtet, wobei die Story insgesamt ziemlich ernsthaft vermittelt wird und damit bei mir für häufiges Kopfschütteln sorgt. Was soll’s, das eigentliche Gameplay ist ohnehin außerordentlich dominant und omnipräsent. Und hier haben die High Moon Studios ein wahres Effektfeuerwerk abgeliefert, das optimal auf den Action-Liebhaber zugeschnitten wurde. Ein wenig wie bei „Gears of War“ ballert ihr euch durch die futuristischen und sehr technisierten Schauplätze, um an sich typische Missionen zu bewältigen. Das ist zwar alles nicht außerordentlich überraschend, aber fein inszeniert und durchaus mannigfaltig gehalten. Zum einen verwendet ihr nämlich verschiedenste Waffen, deren Munitionsvorrat stets begrenzt ist. Zum anderen könnt ihr euch Transformers-typisch in Vehikel, Panzer und Flugobjekte verwandeln, was an vielen Passagen Sinn macht bzw. nötig ist.
Von einem Kiddie-Image ist „Kampf um Cybertron“ sehr weit entfernt, obwohl ihr vorrangig auf Blechbüchsen schießt und eigentlich mit Spielzeugen die Abenteuer übersteht. Zwischendurch bezwingt ihr dickere Bosse, zerstört im Sekundentakt Horden von Autobots, um später für die Guten das Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Transformers verfügen ferner über individuelle Kampf-Eigenschaften, die sich wirklich bemerkbar machen, zum Beispiel bei Attacken aus der Nähe. Die Auseinandersetzungen fühlen sich dynamisch an, das macht Laune. Obwohl das Leveldesign manchmal einen chaotischen Eindruck hinterlässt, ist dieses sehr durchdacht, aber auch linear. Große Erkundungstouren könnt ihr euch bei „Kampf um Cybertron“ sparen. Die Feinde reagieren weitestgehend clever, sodass ihr stellenweise etwas taktisch vorgehen müsst, um diese zu bezwingen. Mir gefällt’s.
Kenner werden weitere Hintergründe erklärt, was sich aber homogen in den Spielverlauf einfügt, mich aber trotzdem völlig kalt lässt. Positiv stimmt zusätzlich die Technik: Die „Unreal 3“-Engine zeigt sich von ihrer starken Seite, obwohl der finstere Look von Cybertron sicher nicht den Geschmack aller Spieler treffen dürfte. Die deutsche Synchronisation ist…naja, vermutlich passend. Megatron klingt unsympathisch, das muss wohl so sein. Er ist halt DER Bösewicht schlechthin.
Nicht unerwähnt sollte der Online-Teil bleiben. Im „Eskalations-Modus“ sollt ihr Gegnerwellen beseitigen, die anderen Spielarten sind fraglos eine Bereicherung für „Kampf um Cybertron“. Dank des SciFi-Settings und der Tötungsspielzeuge werdet ihr hier etliche Stunden verbringen können, die Designer haben sich reichlich Mühe gegeben, mehr als nur eine nette Dreingabe zu bieten. Hier könnt ihr sogar euren eigenen Transformer basteln und in nach Level-Aufstiegen kontinuierlich verbessern. Das hätte ich mir für die Kampagne ebenfalls gewünscht.
Die Transformers finde ich eigentlich wirklich grausig, was vermutlich an dem Image der Vergangenheit und den Michael Bay – Filmen liegt. Umso mehr überrascht „Kampf um Cybertron“ durch ein erwachsenes Gameplay voller Action und Kawumm. Plötzlich ist die Geschichte nicht mehr nur für Jungs aus dem Kindergarten geeignet, ganz im Gegenteil. Das Spielkonzept erinnert an besagtes „Gears of War“ und andere 3rd-Person-Shooter für ein älteres Publikum. Die Kämpfe sind spannend, fesselnd und motivierend; umfangreich ist „Kampf um Cybertron“ mit seinen Koop- und Multiplayer- Features sowieso. Das größte Problem des Spiels ist vermutlich das Vorurteil potentieller Käufer. Und diese sollten sich überzeugen lassen, dass Transformers nicht zwangsläufig gleichzusetzen ist mit albernem Spielzeug aus Japan. Im Zweifelsfall lohnt sich das Downloaden der Demo – die gibt’s zum Beispiel auf dem Xbox-Live-Marktplatz Echte Fans dürften den Titel wohl längst gekauft haben und meine wohlwollenden Worte nur bestätigen.